Auf Friedrich Merz' harten Kurs in der Migrationspolitik folgte in den letzten Tagen viel Kritik und Protest. Auch die internationale Presse kommentierte sein Vorgehen.
Zur Bundestagsabstimmung über die Verschärfung der Migrationspolitik spricht der Schweizer "Tages-Anzeiger" von einem "kolossalen Fehler" von Friedrich Merz. Andere Medien kritisieren den Unions-Kanzlerkandidaten ebenfalls.
Das sind die internationalen Pressestimmen zu Friedrich Merz' Vorgehen der letzten Tage:
"La Stampa" (Italien): "Merz hat eine Reihe von Fehleinschätzungen gemacht, und wie so oft hat er dafür bezahlt. Eine Entscheidung wie den Abriss der Brandmauer, die Barriere zur Verteidigung gegen die extreme Rechte, lässt sich nicht improvisieren. Und er hat sie, das muss man klar sagen, improvisiert. Er hat sie nicht ausreichend mit den eigenen Leuten geteilt. Er hat sie rhetorisch nicht überzeugend artikuliert. Er hat sie nicht für die öffentliche Meinung vorbereitet (noch bis vor zehn Tagen sagte er in jedes Mikrofon "Niemals mit der AfD"). Und obwohl von vielen Seiten Vorschläge an ihn herangetragen wurden, ist er keinem gefolgt. Damit hat Merz bestätigt, was immer über ihn gesagt wurde und was (Ex-Kanzlerin Angela) Merkel nicht ertragen kann: unstetig im Zuhören, oft rücksichtslos."
"The Times" (England): "Bislang hat das tief verwurzelte Misstrauen gegenüber der radikalen Rechten den Aufstieg der AfD gebremst. Doch die terroristischen Ausschreitungen und der Opportunismus von Friedrich Merz – den er bestreitet – geben der Außenseiter-Partei neuen Auftrieb. Es sieht so aus, als würde Olaf Scholz an der Wahlurne einen hohen politischen Preis für seine unbekümmerte Haltung gegenüber der Migrationswelle zahlen, die durch die Torheit von Angela Merkel ausgelöst wurde."
Presseschau nach Zustrombegrenzungsgesetz 8.45
"de Volkskrant" (Niederlande): "Dass Friedrich Merz nach einem möglichen Wahlsieg Koalitionsverhandlungen mit der AfD führt, scheint zwar ausgeschlossen zu sein. Doch in deutschen Medien äußern Experten Befürchtungen, wonach eine Zusammenarbeit auf regionaler Ebene Schule machen könnte. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern, wo die AfD die stärkste oder zweitstärkste Partei ist, wird die Versuchung für die CDU immer größer."
"Die Presse" (Österreich): "Merz geht mit seinem Konzept ein Risiko ein. Indem er zwei Anträge und eine Gesetzesänderung noch vor der Wahl im Bundestag einbringt, zementiert er seine Position. SPD und Grüne werfen ihm vor, sowohl deutsches als auch europäisches Recht zu ignorieren. Deutschland müsse sich an die Regeln binden, sich korrekter verhalten als Viktor Orban in Ungarn, sagen sie in Richtung Merz. Das macht jenen Weg für alle drei länger, den sie wohl nach der Wahl zum Verhandlungstisch zurücklegen müssen. Denn Merz schließt aus, mit der AfD zu regieren. Und für eine Mehrheit mit der FDP dürfte es kaum reichen. Das heißt auch: Die Chance ist groß, dass Merz eine Lösung vorschlägt, die er gar nicht umsetzen kann. Und für die deutsche Bevölkerung würde sich wenig ändern. Außer Merz macht es wie die Österreicher und reißt die Brandmauer nach Rechtsaußen doch noch ein. Dann hätte Europa seine politische Mitte verloren."
"Tages-Anzeiger" (Schweiz): "Die sogenannte Brandmauer, die die Politik der demokratischen Mitte vor der in Teilen verfassungsfeindlichen AfD schützen soll, ist damit noch nicht eingestürzt – ein paar Ziegel fehlen ihr nun aber schon. Niemand verdächtigt Merz, nach der Wahl mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel koalieren zu wollen. Der CDU-Chef hat selbst gesagt, dass das seine Partei zerstören würde. Deswegen ist es umso unverständlicher, dass er der AfD nun ohne Not im Parlament die Hand reicht. Das alles nur, weil er sich mit markigen Ansagen zur Migration kurz vor der Wahl zusätzliche Stimmen erhofft? Recht hat Merz mit der Überzeugung, dass Deutschland eine strengere Asyl- und Migrationspolitik braucht. Das war aber schon wahr, bevor psychisch angeschlagene Schutzsuchende in Magdeburg und Aschaffenburg Massaker anrichteten. Radikale Ansagen – Grenzen zu, Ausländer raus – sind bei vielen Menschen beliebt, auch in Deutschland. Von einer staatstragenden Partei wie den Christdemokraten darf man aber bessere Vorschläge erwarten als den rechts- und menschenverachtenden Populismus der AfD. Merz hingegen gibt mit der Zusammenarbeit im Bundestag Weidel nun bei ihrem wichtigsten Wahlversprechen faktisch recht: 'Eine echte Asylwende gibt es nur mit der AfD.' War das wirklich, was er wollte?"
"De Standaard" (Belgien): "Der CDU-Vorsitzende besteht darauf, dass er niemals aktiv mit der AfD zusammenarbeiten wird und dass ein hartes Vorgehen einfach notwendig ist, um die Kriminalität durch Zuwanderer einzudämmen. Aber wie glaubwürdig ist er noch nach der Abstimmung in dieser Woche? Die politische Strategie, die hinter seinen kontroversen Ansichten steckt, ist klar. Merz glaubt, aus der wachsenden Migrantenfeindlichkeit in seinem Land Kapital schlagen zu können, um Wählerstimmen zu gewinnen. Er will einen Teil der AfD-Wähler in sein Lager locken. Denen kann er etwas versprechen, was die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel nicht kann: Teilhabe an der Macht. Ob die Strategie aufgeht, ist ungewiss. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass ihn sein Flirt mit den Rechtsextremen Stimmen kosten könnte. Aber die Wahlen sind nur noch drei Wochen entfernt."