In Bautzen blamieren sich Landrat, AfD und CDU. Leiden muss darunter eine Frau, die nichts dafür kann. Und die CDU sät Zweifel, wie fest ihre Brandmauer steht. Was ist da los?
Die Geschichte der Bautzener Ausländerbeauftragten ist seit neuestem eine Geschichte von Verlierern. Besonders hart getroffen hat es die Beauftragte Anna Piętak-Malinowska selbst: Der Bautzener Kreistag hat am Montag ihre Stelle auf Antrag der AfD abgeschafft – mit der Hilfe einiger CDU-Kreisräte. Ohne zu wissen, ob das rechtlich überhaupt möglich ist.
Doch die Liste der Verlierer ist bedeutend länger. Darauf stehen:
- Landrat Udo Witschas (CDU), der der AfD den Weg geebnet hat, ohne selbst zu verstehen, was der Beschluss konkret bedeutet
- Die CDU Sachsen, die sich wenige Tage vor der Landtagswahl fragen lassen muss, wie fest ihre vielbeschworene Brandmauer zur AfD steht
- Der Kreis Bautzen, der ein ausländerfeindliches Signal sendet, während er händeringend ausländische Fachkräfte für seine Wirtschaft sucht
- Die AfD Bautzen mit einem stümperhaften Abschaffungs-Antrag – wobei das im Auge des Betrachters liegt. Die AfD selbst sieht sich wohl als Gewinnerin
Wie konnte es nur so weit kommen?
Montag, 19. August, 17 Uhr. Großer Saal im Landratsamt Bautzen: Der im Juni neu gewählte Kreistag tritt zu seiner ersten Sitzung zusammen. Stärkste Kraft ist die AfD, sie stellt 32 Kreisräte. Ihr folgt die CDU mit 25 Sitzen.
Bautzen: Die AfD hat ein Ass im Ärmel
Der Kreisräte wollen die Hauptsatzung beschließen, eine Art kommunale Verfassung. Sie regelt die Organisation der Verwaltung und des Kreistages selbst. Der Beschluss ist eigentlich nicht kontrovers, denn die Grundzüge der Satzung wurden im Vorfeld ausgearbeitet. Doch die AfD überrascht am Abend mit einem Antrag, der die Stelle der Ausländerbeauftragten aus der Hauptsatzung streichen will.
AfD-Fraktionschefin Heike Lotze hat noch ein Ass im Ärmel: Sie fordert eine geheime Abstimmung. Neben den 32 AfD-Kreisräten sprechen sich für diesen Antrag drei Kreisräte der rechtsextremen Freien Sachsen aus, einer der Freien Wähler, und vor allem: sechs CDU-Kreisräte und auch Landrat Witschas selbst.
Das reicht für eine Mehrheit, die Abstimmung erfolgt geheim. Offenbar wollen sich manche nicht erwischen lassen, wie sie mit der AfD stimmen.
Letztlich sind 47 Abgeordnete für die Abschaffung der Ausländerbeauftragten und 30 dagegen. 7 enthalten sich. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Mehrheit nur dank Stimmen von CDU-Kreisräten zustande kam.
In der CDU will man die Aufregung nicht verstehen
Ein Anruf beim CDU-Fraktionsvorsitzenden Matthias Grahl. Er kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Grahl sieht das so: Bautzen ist verschuldet und muss sparen. Der Kreistag ist nicht mehr gesetzlich verpflichtet, eine Ausländerbeauftragte zu bestellen. Also ist die Streichung der Stelle nur konsequent.
Tatsächlich schrieb bis vor Kurzem die sächsische Landkreisordnung vor, dass die Landkreise "Beauftragte für Migration" bestellen "sollen". Und tatsächlich wurde der Passus bei der jüngsten Änderung des Gesetzes gestrichen.
Forsa-Grafiken-Landtagswahlen 12.52
Allerdings nur, weil er sich seitdem leicht verändert in einem anderen Landesgesetz findet: Im sächsischen Integrationsgesetz, das der Landtag im Juni beschlossen hat. Darin heißt es, dass die Landkreise kommunale "hauptamtlich Beauftragte für Integration und Teilhabe" bestellen "sollen".
Die Sache sei doch "juristisch eindeutig", sagt CDU-Mann Grahl. Es werde auch künftig eine Ausländerbeauftragte geben. Und überhaupt sei man ja als Union auch dafür. Nur müsse eben jetzt das Land bezahlen, wenn es den Posten in einem Landesgesetz vorschreibe.
Doch an dieser rechtlichen Interpretation gibt es in Bautzen erhebliche Zweifel. Nicht einmal Landrat Witschas kann sagen, ob seine Behörde nun eine Ausländerbeauftragte anstellen muss oder nicht. Er warte noch eine Verordnung des Landes ab, schreibt er auf Anfrage. Er wolle "prüfen", was nun mit der Beauftragten selbst passiere.
Anruf also bei AfD-Fraktionschefin Lotze. Sie wird ja wohl wissen, wie es nun mit der Ausländerbeauftragten weitergeht. Immerhin hat sie den Antrag verfasst, noch dazu arbeitet sie als Rechtsanwältin.
Tja.
Sie könne "derzeit nicht sagen", ob das neue Landesgesetz nun die Stelle der Ausländerbeauftragten vorschreibe, sagt Lotze. "Im Gesetz steht 'soll'. Es ist nicht eindeutig, ob das im Sinne von 'kann' oder 'muss' ist." Ihr Antrag habe "sachliche Gründe gehabt", auch sie verweist auf die geänderte Landkreisordnung und die finanziellen Nöte des Kreises.
Lotze spielt den Ball an Landrat Witschas zurück. Der sei ja "für die operative Verwaltung zuständig". Sie kenne weder den Arbeitsvertrag, noch könne sie einschätzen, "ob der Landrat der Mitarbeiterin nicht einfach eine andere Stelle zuweist. Da möchte ich der Entscheidung des Landrates gar nicht vorgreifen."
Wie fest steht die Brandmauer zur AfD wirklich?
Wir halten fest: Der Kreistag Bautzen schafft die Ausländerbeauftragte ab, ohne zu wissen, ob das überhaupt geht. Die CDU duckt sich hinter juristischer Haarspalterei weg. Der Landrat weiß nicht, welche Folgen der Beschluss nun für seine Verwaltung und die Beauftragte selbst hat.
All das macht die Vorgänge in Bautzen zu einer aberwitzigen Episode kommunaler Selbstverwaltung. Doch der Fall hat noch eine zweite, politischere Dimension. Denn er wirft – wieder einmal – die Frage auf, wie ernst die CDU, und die CDU Sachsen im Besonderen, ihre eigenen Worte von der "Brandmauer" gegenüber der AfD nehmen.
In Bautzen macht man in der Union keinen Hehl daraus, was man von diesem Wort hält. Ein Zusammenarbeitsverbot mit der AfD, "wie es auf bundes- und landespolitischer Ebene formuliert wird", sagt Fraktionschef Grahl, könne es auf kommunaler Ebene nicht geben. "Wir bringen keine gemeinsamen Anträge mit der AfD ein und machen auch keine gemeinsame Fraktionssitzung", erklärt er. "Aber wir reden mit allen Kreisräten. Ein Antrag ist nicht schlecht, nur weil ihn der Falsche einbringt."
Landrat Witschas, der auch Vorsitzender des Bautzener CDU-Kreisverbandes ist, sagt, er arbeite "als Landrat mit allen Kreisräten zusammen". Etwas anderes sei auf kommunaler Ebene "mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse gar nicht umsetzbar".
Sozialministerium schafft Klarheit
Eine letzte Frage, diesmal an die Ausländerbeauftragte selbst. Wird sie weiterarbeiten können? "Die Landkreisverwaltung ist noch dabei zu klären, welche Auswirkungen die Entscheidung für meine Person, als Mitarbeiterin der Verwaltung hat, ob und wie lange ich die Tätigkeit als Beauftragte ausüben kann", antwortet Anna Piętak-Malinowska. "Unabhängig von den tatsächlichen Auswirkungen", schreibt sie, "hat der Beschluss natürlich eine politische Symbolik."
Am Donnerstag schafft das sächsische Sozialministerium Klarheit: Die Streichung der Ausländerbeauftragten sei nicht mit dem Integrationsgesetz vereinbar. "Die Vorschrift ist als 'Soll-Vorschrift' formuliert", schreibt die Behörde, Abweichungen seien "nur in begründeten Ausnahmefällen" zulässig. Auch ob "der behauptete Einsparungseffekt" erreicht werde, bedürfe "der aufsichtsrechtlichen Prüfung".
Die Verlierer-Geschichte des Landkreises Bautzen, sie ist nun amtlich.