Parteienfamilie "stark gemacht": EVP-Politiker wählen Manfred Weber erneut zum Vorsitzenden

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Die EVP ist der größte Parteienverbund im Europäischen Parlament. Den Vorsitz hat Manfred Weber seit 2022 inne. Der Bayer wird am Abend im Amt bestätigt. Ganz ohne Kontra geht dies allerdings nicht vonstatten.

Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber ist als Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) wiedergewählt worden. Politiker aus zahlreichen EU-Ländern bestätigten den 52-Jährigen bei ihrem Kongress im spanischen Valencia mit einer Mehrheit von 89 Prozent im Amt, genauso viel wie bei seiner ersten Wahl 2022 in Rotterdam. Auf Weber, der keinen Gegenkandidaten hatte, entfielen laut Zählkommission 502 der insgesamt 563 gültig abgegebenen Stimmen. 61 Delegierte stimmten demnach gegen ihn.

Die EVP ist die EU-weite Parteienfamilie, der CDU und CSU angehören. Im Europaparlament stellt sie mit 188 von 720 Abgeordneten die mit Abstand größte Fraktion. Neben dem Parteivorsitz hat Weber seit mehr als zehn Jahren auch den Fraktionsvorsitz inne. 2019 hatte der CSU-Politiker für den Chefposten in der EU-Kommission kandidiert, der dann aber an Ursula von der Leyen ging.

Von der Leyen nannte Weber in Valencia einen "lieben Freund". "Du hast die EVP stark gemacht", sagte sie auf dem Kongress und lobte ihn für seine "herausragenden Führungsqualitäten". Sie sprach Weber ihre "volle Unterstützung" für dessen zweite Amtszeit an der Spitze der Parteienfamilie aus.

Weber reklamierte in seiner Rede eine führende Rolle für die EVP beim Kampf gegen populistische Parteien, bei der Hilfe für die Ukraine und bei der Stärkung der sozialen Marktwirtschaft gegen Länder mit autoritären Herrschaftsformen. "Die wichtigste Aufgabe unserer Generation, und alle führenden Politiker haben es heute in ihren Reden betont, ist eine gemeinsame Verteidigungs- und Außenpolitik", betonte Weber angesichts des russischen Angriffskriegs und der schwindenden US-Hilfe für die Ukraine.

Der EVP-Kongress in Valencia fand trotz des massiven Stromausfalls auf der iberischen Halbinsel am Vortag statt. Neben Kommissionspräsidentin von der Leyen reisten mehrere EU-Kommissare, Abgeordnete und Regierungsvertreter aus zahlreichen EU-Staaten an.

Manfred Weber arbeitet mit allen zusammen

Eine feste Koalitionsmehrheit gibt es im Gegensatz zum Bundestag nicht. Weber sucht sich wechselnde Mehrheiten - mal mit Sozialdemokraten, Liberalen oder Grünen, mal mit Rechtsaußen-Politikern. So spricht sich Weber seit langem für eine Zusammenarbeit mit den Abgeordneten aus der Partei der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni aus. Es sei ein "großer Fehler", Meloni etwa mit der AfD "in einen Topf zu werfen", sagte der 52-Jährige im vergangenen November. "Ich möchte unterscheiden zwischen den echten Hardcore-Rechtsextremen und den ernsthaften Konservativen", erklärte Weber.

Mit dieser Haltung hat sich der CSU-Mann durchgesetzt. Seine EVP wählte nach den Europawahlen im vergangenen Jahr einen Abgeordneten aus der Meloni-Fraktion EKR zu einem der Vizepräsidenten des Parlaments und drückte den italienischen EU-Kommissar Raffaele Fitto durch. "Er hat durchgesetzt, dass die EKR völlig normalisiert wurde", kritisiert der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund. In Brüssel und Straßburg gehöre es zum Tagesgeschäft, dass die EVP mit den Stimmen der Rechtsaußen-Fraktionen Sozialdemokraten und Grüne überstimme.

Für den Grünen-Abgeordneten Freund steckt "Machtkalkül" dahinter: "Die EVP will möglichst frei wählen können, mit wem sie sich die Mehrheiten sucht." Das zeigte sich im vergangenen Dezember, als Webers Fraktion ein EU-Gesetz gegen Abholzung abschwächen wollte. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand der 27 EU-Staaten, aber im Parlament war eine denkbar knappe Mehrheit zustande gekommen - auch mithilfe von AfD-Stimmen.

"Wichtigste Entscheidungen werden in Brüssel getroffen"

Den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán hat sich Weber allerdings zum Feind gemacht. Nach jahrelangem Streit war Orbáns Fidesz-Partei aus der EVP-Fraktion ausgetreten. Als Weber 2019 als Kandidat seiner Partei für den Chefposten in der EU-Kommission antrat, stellte sich Orbán gegen den CSU-Politiker.

Weber scheiterte - vorrangig am Widerstand des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Kommissionspräsidentin wurde Ursula von der Leyen. "Sie sitzen nicht dort... und deshalb sind Sie verärgert", stichelte der Ungar Orbán im vergangenen Jahr, als er in einer Debatte im EU-Parlament auf Weber traf. Der EVP-Chef selbst will davon nichts wissen. "2019 ist lange her", sagte er.

Ein Regierungsamt hatte der gelernte Ingenieur nie inne. "Die wichtigsten Entscheidungen in Europa werden heute nicht mehr in den nationalen Hauptstädten getroffen, sondern in Brüssel und Straßburg", betonte Weber. In seiner Heimat Niederbayern trifft der CSU-Politiker beim Sonntagsgottesdienst Landwirte, Handwerker, "normale Menschen", wie er sagte. "Das ist sehr wichtig, denn Brüssel kann manchmal zu sehr eine Blase sein." Ein Umfeld, in dem Weber mit seiner Wiederwahl seine Macht ausbauen will.

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