analyse
Inmitten eines andauernden Ölpreisverfalls steigert die OPEC+ ihre Produktion. In der Organisation rumort es, was sich auch an den Zapfsäulen bemerkbar macht.
Was auch immer seine Mitglieder sagen mögen: Die wichtigste Aufgabe eines Kartells ist es, den Preis eines Produkts möglichst hoch zu halten. Beim Ölkartell OPEC+ funktioniert das derzeit gar nicht - zur Freude der Ölverbraucher.
Am Montagmorgen stürzte der Preis der Nordseesorte Brent um bis zu 4,6 Prozent auf 58,50 Dollar je Barrel (159 Liter) ab. Damit näherte er sich dem Vier-Jahres-Tief von 58,40 Dollar von Anfang April.
Das lag ausgerechnet an der OPEC+: Am Samstag hatten sich die Mitglieder des erweiterten Kartells geeinigt, die Ölproduktion den zweiten Monat in Folge zu beschleunigen und im Juni um 411.000 Barrel pro Tag zu steigern. Das sind deutlich mehr als die ursprünglich geplanten 138.000 Barrel.
Barclays-Analyst Amarpreet Singh senkte daraufhin die Brent-Prognose um vier Dollar auf 66 Dollar pro Barrel für dieses und um zwei Dollar auf 60 Dollar pro Barrel für nächstes Jahr. Schon im April hatte das Kartell mit einer unerwartet hohen Fördererhöhung um 410.000 Barrel überrascht.
Mehr Angebot trotz schwacher Nachfrage
Das Vorgehen der OPEC+ deutet auf erhebliche Verwerfungen innerhalb der Organisation hin. Denn die Entscheidung widerspricht ihrem üblichen Vorgehen: Sie trifft auf einen für die Jahreszeit ohnehin schon außerordentlich schwachen Ölmarkt. In diesem Jahr sind die Ölpreise schon um gut 20 Prozent abgerutscht.
Vor allem ist es die Sorge um die Weltkonjunktur angesichts der von US-Präsident Trump initiierten Zollkonflikte, die die Notierungen drückt. Schon die jüngste Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) ging davon aus, dass der Ölmarkt in diesem Jahr mit rund 600.000 Barrel pro Tag überversorgt ist.
Zoff im Kartell
Hinter der OPEC+-Entscheidung steht ein grundsätzlicher Streit unter den 22 Mitgliedern. Insbesondere das zu den assoziierten Staaten gehörende Kasachstan hält sich schon seit einer ganzen Weile nicht an seine Produktionsquoten. Im November 2023 gehörte die Ex-Sowjetrepublik zu den acht Staaten, die ihre Produktion freiwillig begrenzen wollten - diese Kürzung von insgesamt 2,2 Millionen Barrel pro Tag soll nun seit April schrittweise wieder zurückgenommen werden. Doch Kasachstan scheint sich wenig um seine Zusagen geschert zu haben.
Dieser Mangel an Disziplin hat vor allem Saudi-Arabien erzürnt, das als größter Produzent den Löwenanteil der Drosselung trägt. Die unerwartet hohe Fördererhöhung ist daher als Strafe für die unbotmäßigen Mitglieder zu verstehen. Die Saudis sollen mit weiteren Produktionssteigerungen gedroht haben, falls andere Mitglieder weiter ihre Quoten überziehen.
Entlastung an den Zapfsäulen
Was schlecht für die Ölstaaten ist, ist gut für die Konsumenten, nicht zuletzt die Autofahrer. Auch die Spritpreise gehen seit Monaten tendenziell zurück, und auch der jüngste Ölpreiseinbruch dürfte sich noch positiv an den Zapfsäulen bemerkbar machen.
Allerdings sind weiter sinkende Preise keineswegs ausgemacht. Sollten sich die beiden größten Ölverbraucher USA und China in ihrem Zollstreit einigen, würde das die Perspektiven für die Ölnachfrage erheblich stärken. Auch Trumps angedrohte Sanktionen im Streit mit dem Iran, Venezuela und möglicherweise Russland könnte das Angebot wieder beschränken.