Elon Musk reagiert ausgerechnet auf eine rechte deutsche Influencerin: Nur die AfD könne "Deutschland retten". Dahinter dürfte ein größerer Plan stecken.
Der Tech-Milliardär Elon Musk, Chef von Tesla und Gründer der Raketenfirma Space X, mischt sich weltweit immer wieder in die Politik ein – zunehmend offenbar auch in Deutschland. Nach dem Anschlag in Magdeburg, bei dem fünf Menschen starben, hat Musk in seinem sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) Bundeskanzler Olaf Scholz als "unfähigen Idioten" beleidigt und dessen Rücktritt gefordert.
Nur wenige Stunden vor dem Anschlag am Freitag hatte Musk indirekt eine Wahlempfehlung für die AfD ausgesprochen: Nur diese könne Deutschland retten, schrieb er.
Musks Äußerung kam dabei nicht von ungefähr, er bezog sich auf ein Video, das Naomi Seibt auf X hochgeladen hatte. Naomi wer? Sie ist die Deutsche, die Musk zum AfD-Fan macht.
Einige Bekanntheit erlangte Seibt erstmals 2019. Damals tritt sie auf einer Konferenz des Klimaleugner-Vereins Eike auf. Das Video davon ist noch auf dem Youtube-Kanal des Vereins zu sehen. Sie sagt, sie habe vor ein paar Jahren begonnen, gängige Narrative zu hinterfragen, und endet mit "Liebe Antifa da draußen – 'how dare you'". Eine Anspielung an die Worte der Klimaaktivistin Greta Thunberg vor der Uno. Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb damals über die Konferenz: "Sie haben sogar eine eigene Greta."
Elon Musk: "Nur die AfD kann Deutschland retten"
Mittlweile hat Seibst eine stattliche Reichweite in den sozialen Medien. Auf Youtube folgen ihr über 100.000 Abonnenten, ihr X-Account hat mehr als 300.000 Follower. Einer davon: Elon Musk. Immer wieder schenkt der Tech-Milliardär der Youtuberin Aufmerksamkeit. Als sie im Juni auf X postet, dass sie die AfD gewählt hat, antwortet Musk, er verstehe nicht, warum die AfD als rechtsextrem bezeichnet wird.
In dem Video, auf das Musk am vergangenen Freitag reagiert hat, spricht Seibt von der Abgrenzung des Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz von dem Vorschlag, Deutschland solle sich mehr an Argentiniens umstrittenem Präsidenten Javier Milei und Elon Musk orientieren. Einige Stunden später zitiert Musk dieses Video auf X und schreibt darüber: "Nur die AfD kann Deutschland retten."
Naomi Seibt ist die Tochter der Rechtsanwältin Karoline Seibt. Sie wurde mit fünf Jahren eingeschult, übersprang eine Klasse, gewann bei "Jugend Forscht" den ersten Platz im Landeswettbewerb Nordrhein-Westfalen im Bereich Chemie. Schon mit 16 Jahren schrieb sie Aufsätze über Nationalismus, die Identitäre Bewegung verlinkt ein Podcast-Interview mit Seibt in ihrem Blog. Ihr Abitur schloss sie mit 1,0 ab. Sie ist eine Überfliegerin – eine "Anti-Greta", die ihr Talent einzusetzen weiß.
Seibt machte schnell Karriere, arbeitete für den amerikanischen Thinktank Heartland Institute, der ebenfalls den Klimawandel leugnet. Sie wurde im "Spiegel" porträtiert, von Fox News interviewt, stieg zu beachtlicher Bekanntheit auf. Dieses Jahr war sie, so auf ihrem X-Account zu sehen, auf der Wahlparty des designierten US-Präsidenten Donald Trump.
Längst beschränkt sich Seibt nicht mehr auf Klimathemen, sondern propagiert auch andere rechte Verschwörungserzählungen wie die vom "Großen Austausch", einem angeblichen Elitenprojekt, das darauf abzielen soll, weiße Menschen durch Migranten zu ersetzen. Auch das ein Grund für ihre Reichweite in der extrem rechten Szene.
Bisher hat er nur beleidigt
In Deutschland hatte Musk bisher nur indirekt Sympathien für die AfD gezeigt. Stattdessen nahm er sich immer wieder Politiker anderer Parteien wie Robert Habeck von den Grünen für abfällige Kommentare vor. Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte er zum "Narren", über dessen Vorgängerin Angela Merkel schrieb er: "Wer ist diese Merkin-Person?" – ein vermutlich bewusster Tippfehler. Merkin bedeutet auf Englisch Schamhaarperücke.
Sein Post am Freitag, dass "nur die AfD" Deutschland "retten" könne, ist eine neue Form. Eine Einmischung des Multimilliardärs und Trump-Beraters in den deutschen Wahlkampf.
Rettet er Christian Lindner? 15.20
Die AfD reagierte sofort. Parteichefin Alice Weidel antwortete Musk, er liege komplett richtig. Auch andere deutsche Politiker äußerten sich: Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner riet Musk, nicht vorschnell zu urteilen. Er habe die Debatte angestoßen, sich in Deutschland von den Ideen Musks und Javier Mileis inspirieren zu lassen. Dann lud er Musk zu einem direkten Austausch ein.
Musk mischt sich auch in die Politik anderer Länder ein
Die Interaktionen zwischen dem X-Eigentümer und der jungen Influencerin sind aber nur ein Beispiel für Musks Ideen für Deutschland – und die Welt. Der reichste Mann der Welt, der ein geschätztes Vermögen von mehr als 400 Milliarden Dollar besitzt, mischt auch in der Innenpolitik anderer europäischer Länder mit – offenbar mit dem Ziel, ein größeres rechtspopulistisches Netzwerk in den westlichen Demokratien zu schaffen.
Der britische Populist Nigel Farage sagte der britischen Zeitung "Telegraph" über sein kürzliches Treffen mit Musk: "Er sieht das Mutterland der englischsprachigen Welt in sehr großen Schwierigkeiten." Der Milliardär habe keine Zweifel gelassen, "dass er hinter uns steht."
Auch, so Farage, liefen Verhandlungen über eine finanzielle Unterstützung Musks für die rechtspopulistische Partei Reform UK. In britischen Zeitungen wird über eine Spende in Höhe von 100 Millionen Euro spekuliert. Davor hat Musk der amtierenden Labour-Regierung vorgeworfen, einen "tyrannischen Polizeistaat" aufzubauen und im Sommer einen Bürgerkrieg in Großbritannien prophezeit.
Großbritannien: Unruhen und Elon Musk 15.45
In Italien hatte Elon Musk nach der Entscheidung eines römischen Gerichts, wonach die Internierung von Migranten in Albanien illegal sei, gefordert, die Richter müssten "gehen". In einem anderen Fall wetterte er gegen einen italienischen Staatsanwalt, der im Prozess gegen Matteo Salvini eine sechsjährige Haftstrafe für den rechtsextremen Politiker gefordert hatte: "Der verrückte Staatsanwalt sollte der sein, der für sechs Jahre ins Gefängnis soll."
Italiens Präsident Sergio Mattarella verbat sich diese Einmischung: Musk müsse die Souveränität des Landes respektieren.
Auch Südamerikas Demokratien kommentiert Elon Musk immer offensiver: In Brasilien ging der Tesla-Gründer in eine öffentliche Auseinandersetzung mit einem Richter, bezeichnete ihn als "bösen Diktator". Mit Argentiniens Präsident Milei verbinde ihn eine "Liebe auf den ersten Blick", so beschrieb ein argentinischer Diplomat ein Treffen der beiden. Musk wolle Argentinien helfen, Musk und Milei bald ein großes Event in Argentinien veranstalten, um "die Ideen der Freiheit" zu bewerben.
Ist Musk eine Gefahr für die demokratische Stabilität?
Dass Elon Musk auf die deutsche Influencerin Naomi Seibt reagiert und klar Partei für die AfD ergreift, ist also kein Einzelbeispiel politischer Einflussnahme: Es zeigt sich ein Muster, bei dem der Milliardär und mächtige Trump-Einflüsterer rechte und extremistische Positionen durch seine mediale Reichweite – und eventuell durch sein Geld – bestärkt.
Diese Einmischung reicht längst über nationale Grenzen hinaus und betrifft etablierte Demokratien weltweit. Der Fall macht deutlich: Es geht nicht nur um ein paar kontroverse Posts, sondern um die Frage, inwieweit eine reiche, aber nicht demokratisch gewählte Einzelperson die öffentliche Meinung beeinflussen kann.