Die Diskussion ist nun da wo sie hingehört, sagt Finanzminister Lindner nach dem FDP-Wirtschaftsgipfel in Berlin. Klar sei: Die Koalition müsse jetzt gemeinsame Positionen finden. Doch die liegen in der Ampel derzeit noch weit auseinander.
Angesichts der Wirtschaftsflaute in Deutschland fordert die FDP "Richtungsentscheidungen" in der Ampelkoalition. Er werde Schlussfolgerungen aus dem Gipfeltreffen seiner Fraktion mit Vertretern der Wirtschaft in den "gemeinsamen Beratungsprozess" der Regierung einbringen, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner in Berlin. Die wirtschaftspolitische Diskussion sei jetzt da, wo sie hingehöre, nämlich ganz oben auf der Tagesordnung, so der FDP-Vorsitzende.
"Klar ist, dass wir in den nächsten Wochen alleine schon aufgrund der Zeitplanung für den Bundeshaushalt 2025 auch zu einer gemeinsamen Position werden finden müssen", erklärte Lindner weiter. Gleichzeitig betonte er, die deutsche Wirtschaft habe "sehr grundlegende Probleme" abseits von Konjunkturschwankungen. Dazu gehörten ein geringes Produktivitätswachstum durch Regulierung und Bürokratie, ein "zu geringes Arbeitsvolumen" aufgrund eines "inflexiblen Arbeitsmarktes" und ein kostspieliger "Sonderweg" Deutschlands in der Klima- und Energiepolitik.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr lehnte nach dem Treffen erneut Staatshilfen gegen die Konjunkturkrise ab. Es sei klar, dass "nicht der Staat mit Subventionen an die Stelle" der Wirtschaft treten könne, sagte er. Ziel müsse es vielmehr sein, die Wirtschaft durch gute Standortbedingungen zu Investitionen zu bringen. "Wir wollen wieder aufschließen zu den großen Industrienationen." Deutschland sollte wieder in der Champions League spielen. Konkrete Ergebnisse gab es aber bei dem Gipfel wie erwartet nicht.
Zwei Wirtschaftsgipfel am gleichen Tag
Die FDP hatte zu dem Gipfel am selben Tag geladen, an dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz ein Treffen mit Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaften anberaumt hatte. Lindners Fokus lag auf dem Mittelstand - als Gegenmodell zu dem "Industriegipfel" am Nachmittag im Kanzleramt. Dort wollte Scholz eine "neue industriepolitische Agenda" mit konkreten Maßnahmen für mehr Wachstum und für die Sicherung von Arbeitsplätzen in vertraulichen Gesprächen erarbeiten. Konkrete Ergebnisse waren für beide Treffen von vorneherein nicht geplant.
Auf eine Frage zum Fortbestehen der Koalition sagte Lindner: "Es gibt auch so etwas wie eine Regierungsverpflichtung, und für Deutschland ist es allemal besser, wenn eine Regierung eine gemeinsame Richtung findet, sie beschreibt und umsetzt."
In der Ampel gibt es allerdings unterschiedliche Vorstellungen über zusätzliche Maßnahmen, um die Konjunktur anzukurbeln. Zum Haushalt 2025 ist Mitte November eine entscheidende Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags. Es müssen noch Milliardenlücken geschlossen werden.
"Wir brauchen Strategien"
Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Krise, laut Prognosen wird 2024 das zweite Rezessionsjahr in Folge. Wirtschaftsverbände fordern seit langem umfassende strukturelle Reformen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte mit Blick auch auf den Industriegipfel bei Scholz: "Wir brauchen eine Strategie, die sich an allen Bereichen der Wirtschaft orientiert und eben nicht nur an einzelnen Sektoren.
Ich erwarte von der Ampel, dass sie dabei mit den Möglichkeiten, die sie hat, klarkommt. Sie muss gemeinsam - und ich betone gemeinsam - die richtige Wirtschaftspolitik machen, diesen Standort wieder wettbewerbsfähig zu machen." Die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland müsse wieder in den Mittelpunkt des politischen Handelns der Koalitionen rücken, betonte Dulger.
Reinhold von Eben-Worlée, Präsidiumsmitglied des Verbandes "Die Familienunternehmer", sprach von einem schweren Rucksack, den die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb mit sich herumschleppe. Der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe, Stephan Hofmeister, sagte: "Die Situation ist ernst."