6 days ago

Migranten, Rassismus, Zölle: Trumps erste Woche - politisches Offensivfeuer und ein Showdown in der Kirche



Er beginnt seine Präsidentschaft mit einer Vielzahl radikaler Dekrete. Bei Trumps Maßnahmen stehen Schritte gegen Migranten und Gleichheitsprogramme im Mittelpunkt. Regierungsmitarbeiter werden angehalten, Widerständler zu denunzieren. Eine Bischöfin redet ihm vor aller Augen ins Gewissen.

Die erste Arbeitswoche in Donald Trumps Präsidentschaft ist vorbei. In diesen fünf Tagen hat der Republikaner mit einer womöglich nie dagewesenen Geschwindigkeit zentrale Pfeiler des US-amerikanischen Fortschrittgedankens und Rechtsverständnisses weggerissen oder beschädigt. Es gibt die großen Offensiven aus diesen ersten Regierungstagen, aber auch die Details, die zusammen ein erstes Bild der neuen Regierungslinien ergeben.

Trump setzte direkt am ersten Tag die Gewaltenteilung für seine treuesten Anhänger aus: Nicht Gerichte sollten entscheiden, ob und wie die Aufständischen 6. Januar 2021 bestraft werden, sondern allein er. Trump verwarf alle Urteile gegen die Kapitolstürmer mit einem Blankoscheck. Zur Frage, ob die rechten bewaffneten Milizen, deren Anführer nun trotz ursprünglicher Verurteilung zu langen Haftstrafen auf freiem Fuß sind, einen Platz in der politischen Öffentlichkeit haben sollten, sagte er: "Wir werden sehen."

Das in der Verfassung verbriefte Geburtsrecht auf die Staatsbürgerschaft griff er mit einem Dekret an, das mehrere Bundesstaaten und Bürgerrechtsorganisationen umgehend gerichtlich anfochten. Am Ende entscheidet womöglich der Supreme Court. In seiner juristischen Argumentation beruft sich das frisch von den Republikanern übernommene Justizressort auf Urteile aus dem 19. Jahrhundert, wonach Kinder von indigenen Völkern keine US-Bürger seien. "Die Verbindung der Vereinigten Staaten mit Kindern von Illegalen und zeitlich begrenzten Besuchern ist schwächer als die indigener Stämme", erklärte das Ministerium.

Zugleich verhängte Trump den Ausnahmezustand über die Südgrenze zu Mexiko und befahl die Armee dorthin. Seine Regierung schaltete die App für Asylanhörungen ab und sagte bereits vergebene Termine ab, setzte faktisch das Asylrecht für die Südgrenze aus. Er ordnete die Errichtung von Abschiebelagern und Sondereinsatzteams für geplante Razzien gegen Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung an. Die Website des Weißen Hauses auf Spanisch gibt es nicht mehr.

Trumps Team hatte bereits im Dezember Drohbriefe mit Haftandrohungen an lokale Behörden geschickt, damit sie nach der Regierungsübernahme auch in sogenannten sanctuary cities mit der Einwanderungsbehörde ICE kooperieren würden. Diese Städte arbeiten bei der Durchsetzung des Migrationsrechts nur eingeschränkt oder gar nicht mit Bundesbehörden zusammen und sind deshalb Zufluchtsorte für Migranten. ICE hat eigene bewaffnete Beamte und eine Flugzeugflotte für Abschiebungen. Die Richtlinien für deren Einsätze hat Trump geändert: So sind Kirchen, andere Glaubensstätten und Bildungseinrichtungen keine Tabu-Zonen mehr. Etwa 14 Millionen Menschen könnten ins Visier genommen werden. Allein in New York City, der bevölkerungsreichsten Stadt der USA, leben geschätzte 400.000 Menschen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung.

Rassismus kein Thema mehr?

Seinen Ministerien befahl Trump, Anti-Rassismus- und andere Gleichstellungsmaßnahmen zu beenden, er beurlaubte die entsprechenden staatlichen Beschäftigten und versetzte weitere damit in Angst. Seit Dienstag, 17 Uhr, sind alle Staatsangestellten, die an Gleichheitsprogrammen arbeiteten, auf unbestimmte Zeit beurlaubt. Die Bürgerrechtsabteilung des Justizministeriums und damit der Generalstaatsanwaltschaft wurde angewiesen, die von ihnen betreuten Fälle nicht mehr zu verfolgen. Man könnte auch schreiben: Rassismus ist jetzt wieder offiziell erlaubt.

Es weht eine Brise McCarthyism und Kalter Krieg aus den 1950er Jahren durch die Ministerien - nur geht es dieses Mal nicht um die Verfolgung tatsächlicher oder imaginierter Sympathien für den kommunistischen Systemfeind Sowjetunion, sondern um fehlende Loyalität zum Präsidenten. Die Ministeriumsmitarbeiter sind aufgefordert, Kollegen zu denunzieren, die sich weiterhin mit DEI-Angelegenheiten beschäftigen; DEI ist die englische Abkürzung für Vielfalt, Gleichheit und Inklusion.

Nun gehe in den Ministerien die Angst um, dass als Nächstes die unter diesen Vorgaben eingestellten Beschäftigten nach Hause geschickt werden könnten, so die "New York Times". Gleichheitsprogramme bestehen schon seit den 1960er Jahren, nachdem die Bürgerrechtsgesetze und Verordnungen gegen systematischen Rassismus in Kraft getreten waren.

Im Verteidigungsministerium feuerte Trumps Regierung die Admiralin, welche die Küstenwache kommandierte. Die Begründung: Sie habe ihre Truppe nach DEI-Prinzipien geführt. Der neue Ressortchef Pete Hegseth hatte in der Vergangenheit immer wieder geäußert, dass Frauen in Kampfeinsätzen nichts zu suchen hätten. Er und andere Republikaner fassen Maßnahmen gegen Rassismus, Gender- und Geschlechterdiskriminierung häufig unter dem Reizwort "woke" zusammen. Sie argumentieren, es solle stattdessen immer primär um Leistung gehen. Dies sei "farbenblind", argumentierte Trump. Doch die DEI-Programme waren eingeführt worden, weil das Gegenteil der Fall war und es weiterhin ist.

Kein Zentimeter der Klimakrise

Trump hat Zölle auf Einfuhren aus China, Kanada und Mexiko angekündigt. Damit drohte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos auch internationalen Unternehmern, falls sie nicht in den USA produzierten. Die Klimakrise ignoriert der Republikaner trotz der historisch desaströsen Naturkatastrophen im eigenen Land - der Hurrikan Helene hat gerade vor wenigen Monaten den Bundesstaat North Carolina verwüstet, in Kalifornien wüten die Flammen wie nie. Trump stoppte sämtliche Windkraftprojekte, hob die E-Auto-Auflagen der Autoindustrie ebenso wie Förderregularien für Öl und Gas auf. Aus dem Pariser Klimaabkommen traten die USA wieder aus.

Die Tech-Elite hat auf ihren Plattformen ihre Faktenprüfungen größtenteils eingestellt und stand bei seiner Vereidigungszeremonie buchstäblich hinter Trump; unter anderen Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Meta), Tim Cook (Apple) und Sundar Pichai (Google), die zusammen auf ein Vermögen von einer Billion Dollar kommen. Es war mindestens ein Signal, dass sie sich nicht mit dem Präsidenten anlegen wollen, maximal eines, dass sie ihn bedingungslos unterstützen; die Realität liegt vermutlich irgendwo dazwischen.

Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, war auch dabei; er hat jetzt ein Büro im Weißen Haus und die Aufgabe erhalten, staatliche Ausgaben zu kürzen. Musk zeigte bei Trumps Siegesfeier in Washington unter stehenden Ovationen zweimal den Hitlergruß. Er stieß damit eine noch intensivere öffentliche Diskussion über seine politischen Ziele und die der neuen Regierung an. Großdemonstrationen gegen Trump, wie um dessen erste Vereidigung vor acht Jahren gab es allerdings nicht.

Besonders herzlich begrüßte Trump bei seiner Inauguration John Roberts. Der Vorsitzende Oberste Richter am Supreme Court hatte das Immunitätsurteil verfasst. Dies wird Trump aller Voraussicht nach vor weiteren Gerichtsprozessen wegen versuchten Wahlbetrugs, des Aufstands am 6. Januar 2021, illegalen Dokumentenbesitzes und potenziellen zukünftigen Vergehen schützen.

Ivanka Trump in "Gilead-Grün" Ivanka Trump in "Gilead-Grün"

Ivanka Trump in "Gilead-Grün"

(Foto: dpa)

Ein politisches Ziel der Republikaner ist, die sogenannten alternativen Fakten über den 6. Januar so weit wie möglich in eine alternative Geschichtsschreibung umzuwandeln; wohl um irgendeine Art von Rechtfertigung dafür zu haben, Trumps Begnadigungen nicht öffentlich widersprochen zu haben. Der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus kündigte eine neue Untersuchungskommission zum Aufstand an. Unter der Leitung seiner Partei, versteht sich.

Konfrontation in der Kirche

Und sonst? Am Morgen nach seiner Vereidigung saß Trump mit Familie und Gefolge in der ersten Reihe der Kirchenbank in Washington. Dort musste er schweigend ertragen, wie Bischöfin Mariann Budde ihn anblickte und passiv-aggressiv um Gnade für Migranten und LGBTQ bat - so inständig, wie es die Etikette gerade noch erlaubte. Es wirkte, als bitte der Klerus den vorgeblich demütigen König von der Kanzel herab um Nachsicht für den Pöbel. Den möchte Trump mit seinen Dekreten verbannen, um sich die Gunst des Volkes zu sichern. Was nach Mittelalter klingt, sind die USA im Jahr 2025.

Mehr zum Thema

Da half auch das Kleid im maximal frommen "Gilead-Grün" von Tochter Ivanka nicht, was sie bei der Messe vor der Vereidigung getragen hatte. Damit erinnerte sie an eine Protagonistin in der populären Fernsehserie "The Handmaid's Tale - Der Report der Magd", in der fundamentale Christen den theokratischen Staat "Gilead" von den USA abspalten.

Trump nannte den Gottesdienst danach "schlecht" und die Bischöfin eine "radikale, linke Hardline-Trump-Hasserin" sowie "böse" (nasty), wie er es immer bei Frauen macht, die ihn kritisieren. Was wagte die Geistliche es auch, ihm vor laufenden Kameras ins Gesicht zu reiben, dass seine Politik nichts mit christlichen Werten zu tun hat? "Hätte sonst irgendjemand etwas gesagt?", begründete Budde danach ihren Schritt. Es war einer der bemerkenswertesten Momente und medialen Schlagabtausche der vergangenen Woche.

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen

© Varient 2025. All rights are reserved