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Altkleider sollen in Deutschland ab sofort getrennt entsorgt werden, damit sich die niedrige Recyclingquote erhöht. Wie Textilien sinnvoll weiterverwendet werden können, zeigt ein Unternehmen in Mexiko.
Weihnachtsmarkt in einem Szeneviertel von Mexiko-Stadt: Hier werden viele nachhaltige Produkte verkauft. Mónica Guevara bietet an ihrem Stand vor allem Strandtücher an. Alle Produkte sind aus recycelter Baumwolle. Eine Kundin fühlt beeindruckt die Stoffe: Die Farben sind klar, die Stoffe fühlen sich angenehm weich an. Mónica Guevara ist Mitgründerin von Nucycles. Das Unternehmen aus Tlaxcala östlich von Mexiko-Stadt hat sich darauf spezialisiert, Textilreste aufzuarbeiten und daraus neue Mode zu machen.
Dabei arbeite das Unternehmen einerseits mit aufstrebenden mexikanischen Designern zusammen, "das ist unsere Modelinie". Das Strandtuch gehört zur "Mosaícos"-Reihe, "weil uns klar ist dass sich nicht alle Designerkleidung leisten können, das Umweltproblem aber massiv ist". Deshalb hat sich das Unternehmen andererseits auf funktionale Accessoires spezialisiert: Das Tuch soll auch als Schal oder Umhang genutzt werden, und kleine Stoffreste werden zu Haargummis verarbeitet.
"Wir sind der Mode immer hinterher"
Recycelt werden die Stoffe in einer Fabrik in Tlaxcala. In einer Lagerhalle so groß wie ein Fußballfeld stapeln sich in großen Ballen und Tüten Stoffreste, fein nach Farben sortiert. Das mache das Endprodukt wertvoller, erkärt die Unternehmensgründerin, denn Nucycles färbt seine Stoffe nicht, denn der Färbeprozess ist wegen der enormen Wasserverschmutzung besonders giftig für die Umwelt.
Stattdessen arbeitet das Unternehmen nur mit den Farben, die vorhanden sind. "Dieses Jahr war Apricot die Modefarbe, die ganze Kleidungsproduktion wurde mit dieser Farbe gemacht. Das heißt, nach der Mode kommen hier in der Fabrik apricotfarbene Materialien an. Wir sind der Mode immer hinterher."
Die Stoffe aus recycelten Textilien kommen in Ballen oder Tüten bei Nucycles an. Sie behalten ihre ursprüngliche Farbe.
Verschiedene Farben, unterschiedliche Preise
Die Stoffabfälle kommen von Betrieben aus der Umgebung, die Textilindustrie ist wichtig rund um Tlaxcala. Diverse kleine Zulieferer bringen sie zu der Recylingfabrik, erklärt deren Leiterin Nicole Wirth. Der Preis richte sich je nach der gelieferten Farbe: "Für Jeansreste zahlen wir zum Beispiel umgerechnet gut einen Cent für zehn Kilo, für bestimmte Farben gibt es mehr als doppelt so viel." Was es in der Lagerhalle nicht zu sehen gibt, sind Reste von Altkleidern. "Da sie schon gewaschen und benutzt wurden, sinkt die Qualität. Deswegen können aus ihnen keine neuen Fäden hergestellt werden."
In einem Pilotprojekt hat Nucycles getragene Uniformen von einem Industriebetrieb recycelt. Doch das ist deutlich komplizierter und muss in einem kontrollierten Rahmen passieren, wie Mónica Guevara erklärt: "Die Stoffe müssen geschnitten sein, alle Knöpfe, Reißverschlüsse und sämtliche Accessoires müssen entfernt sein." Ökonomisch gesehen käme es teurer, in dieser Form zu recyceln. Aus den Uniformen wurden schließlich Decken, die an Bedürftige gespendet wurden.
Recycling statt Müllverbrennung: Stoffe warten auf ihre Wiederverwertung.
Handgeprüfte Qualität, die überzeugt
Der Recyclingprozess in der Fabrik läuft ganz mechanisch ab: Die gleichfarbigen Stofffetzen werden in einem mehrstufigen Prozess kleiner geschnitten und mit groben Nadeln so lange gerissen, bis kein größeres Stück mehr übrigbleibt. Das Endprodukt erinnert an ursprüngliche Baumwolle. Das Material kann dann zur Herstellung neuer Baumwollfäden benutzt werden. 35 Tonnen Stoffreste recycelt Wirths Firma täglich, nicht nur für Nucycles. Früher wurden die Stoffreste einfach verbrannt.
Um zu einem neuen Strandtuch zu werden, müssen die Fäden aus den Stoffabfällen noch gewebt, gesäumt, mit Fransen und mit Etiketten versehen werden. Die Schlussarbeiten werden in kleinen Handwerksbetrieben in der Umgebung gemacht, wie etwa bei Luis Enrique Sánchez, von Hand - denn das kann man nicht mit der Maschine machen, erklärt Sánchez. Zehn bis 15 Minuten braucht er allein, um die Fransen für ein Tuch zu verzwirbeln und zu knoten.
Für Firmeninhaberin Guevara passiert dort auch eine wichtige Qualitätskontrolle: "Ich glaube, von mehr als 10.000 Handtüchern ist ihm eines durchgerutscht, das nicht gut war - weil er sie sich sehr gut anschaut." Die Kundin in Mexiko-Stadt haben die Qualität und Farben der Tücher überzeugt. Sie kauft gleich mehrere.