20 hours ago

Merz' Dammbruch ist historisch: Liebling, ich habe die demokratische Mitte gesprengt



Die AfD hat den politischen Forderungen der Union zur Mehrheit verholfen. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hat es genau darauf angelegt - und dabei ein seltsames Demokratieverständnis offenbart. Der Schaden ist womöglich irreparabel.

Jetzt ist es also passiert: CDU und CSU haben sich von der AfD zu einer Mehrheit zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele verhelfen lassen. Das ist, man kann es nicht anders sagen, historisch. Friedrich Merz hat faktisch den Konsens der übrigen Bundestagsfraktionen gesprengt, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Er hat die demokratische Mitte gesprengt. Am Tag des Holocaust-Gedenkens im Bundestag, keine vier Wochen vor der Bundestagswahl. Und was dabei besonders besorgniserregend ist: sein Trotz, seine Uneinsichtigkeit, seine Absolutheit.

Der vermutlich nächste Bundeskanzler beharrt darauf, SPD und Grüne hätten seinen Anträgen ja nur zustimmen müssen. Dann, so die Logik, hätte es keine AfD-Stimmen für eine Mehrheit gebraucht. Das ist absurd: Nach dieser Logik hätte Merz seit Tag eins der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode jedes Gesetz zur Abstimmung stellen und auf eine Mehrheit mit AfD-Stimmen hoffen können, wenn ihm SPD und Grüne nicht folgen. Sicher, die Stimmen der lange in die Ampel eingebundenen FDP hat es für die Mehrheit ebenfalls gebraucht. Dennoch gilt: Merz hat vorab keine Verhandlungen mit den anderen demokratischen Parteien geführt über einen gemeinsamen Kompromiss. Er hat genau dieses Szenario provoziert. Die Opfer-Haltung, er sei von SPD und Grünen im Stich gelassen worden, steht ihm schlecht zu Gesicht.

Und womit begründet der CDU-Chef sein Handeln? Mit einer Notlage. Nach dem Terroranschlag von Magdeburg und den Messermorden in Aschaffenburg habe er unbedingt eine Kehrtwende in der Migrationspolitik erzwingen müssen. Hat er aber nicht. Durch diese Entschließungsanträge wird nichts von dem Geschehenen rückgängig und nicht einmal mit Sicherheit in Zukunft etwas besser - zu wenig bindend sind die Anträge für eine Regierung, die so gut wie aus dem Amt ist. Zu umstritten ist die Rechtsinterpretation, auf die sich die Union in ihren Anträgen beruft.

Sicher ist nur eines - der Jubel in der AfD. Sie weiß, was ihr an diesem historischen Mittwoch gelungen ist: Einen tiefen, womöglich nicht mehr zu überwindenden Keil zwischen Union und FDP einerseits und SPD und Grüne andererseits zu treiben. Merz mag die Migrationspolitik von SPD und Grünen für falsch halten. Er mag es ehrlich meinen, dass Deutschland nach diesen furchtbaren Gewalttaten das Signal einer grundlegenden Wende brauchte. Aber er hat darüber Freund, Wettbewerber und Feind verwechselt: Die AfD ist der Feind dieses demokratischen Rechtsstaats, ein von fremden Mächten beeinflusster Gegner der freiheitlichen Gesellschaft.

Die AfD erfährt durch diese gemeinsame Abstimmung einen Rückenwind, wie sie ihr durch kein noch so niederträchtiges Verbrechen erfahren hätte. "Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche", jubelte AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann im Anschluss an die Abstimmung über Merz' Fünf-Punkte-Plan. "Jetzt beginnt was Neues und das führen wir an, das führen die neuen Kräfte an und das sind die Kräfte von der AfD." Dem lässt sich an diesem Abend wenig entgegenhalten. Und die Union wird es in den Umfragen als Erstes zu spüren bekommen.

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