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Meinung: Keine Angst vor Trumps Worten – schauen wir auf die Taten



Am Tag seiner Amtseinführung verstörte Donald Trump mit Drohungen und Dekreten. Ein genauer Blick allerdings zeigt: Er wird längst nicht alles davon umsetzen können.

Der erste Tag des Donald Trump im Weißen Haus, er war pompös, verrückt, bisweilen geschmacklos und unangepasst, er war voller Geld und Gold und Glamour, nur eines brachte er nicht zutage: etwas Neues.

Donald J. Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika gibt sich nicht anders als der Wahlkämpfer Donald J. Trump.

Sicher: Seine Rede brach mit vielen Konventionen, Trump bemühte sich gar nicht erst, sich als Präsident aller Amerikaner darzustellen. Auf den kleinsten Nenner gebracht, lautet die Botschaft. Amerika steht am Abgrund, weil es all die Präsidenten vor ihm, vor allem natürlich jene der Demokraten, dorthin geführt haben. Nur ein Mann kann die Nation wieder zurück in ein "goldenes Zeitalter" führen, er, Donald Trump, über den Gott genau aus diesem Grund seine schützende Hand gehalten hat.

Was Trump bei seiner Amtseinführung erfand - und was nicht 09.33

Auch die Dekrete, allein schon ihre schiere Anzahl, all die Kladden, die auf dem Resolute Desk lagen, wirkten, je nach Blickrichtung, beeindruckend oder beängstigend. Vom Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen bis hin zu diversen Verordnungen zu Migrationspolitik. Im Detail aber zeigt sich: Worte sind das eine – Taten das andere.

Ein Beispiel: Trump möchte, dass im Land geborene Kinder illegaler Einwanderer nicht mehr automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten. Diese sogenannte "birthright citizenship" ist allerdings im 14. Verfassungszusatz festgelegt. Um den zu ändern, bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses, auch müssten drei Viertel der Bundesstaaten dem zustimmen. Weder das eine noch das andere ist realistisch. Jedwede Gesetze, die also versuchen, die "birthright citizenship" einzuschränken, werden unweigerlich vor den Gerichten, am Ende wohl vor dem Supreme Court, landen, Bürgerrechtsorganisation haben schon Klagen angekündigt.

Genauso verfassungsrechtlich schwierig: Trumps Ankündigung, sich des sogenannten "Alien Enemies Act" von 1798 zu bedienen, um Staatsangehörige mit den USA verfeindeter Nationen zu deportieren. Mit Mexiko, Venezuela oder Guatemala mögen die USA politische Probleme haben, vor allem Trump selbst hat diese – allerdings sind diese Länder nicht im Sinne des Gesetzes "feindliche" Staaten. Auch das also wird vor Gericht landen. Ob es politisch durchsetzbar ist, scheint ohnehin fraglich: Das Gesetz ist den meisten Amerikanern durch seine Anwendung im Zweiten Weltkrieg bekannt, und zwar in einer eher unrühmlichen Art und Weise: Damals wurden tausende Menschen japanischer Abstammung in US-Internierungscamps festgesetzt. 

Donald Trump ist ein Meister der Ablenkung

Und selbst wenn Trumps Dekreten keine verfassungsrechtlichen Hürden entgegenstehen, so widersprechen sich seine Ziele häufig: Wie will er seine Ankündigung wahrmachen, Amerika aus Kriegen herauszuhalten, wenn er zugleich nicht ausschließt, den Panama-Kanal auch mit militärischen Mitteln wieder amerikanisch zu machen? Wie will er die Inflation bekämpfen, wenn Zölle dazu führen werden, dass die davon betroffenen Unternehmen in Amerika ihre höheren Einkaufskosten auf die Verbraucher umlegen werden?

IV Ischinger Trump Ukraine Grönland 07.52

All das heißt nicht, dass man Donald Trump unterschätzen soll, dass seine Agenda nicht beängstigend ist. Es heißt vielmehr, dass wir, auch in den Medien, sehr genau hinschauen sollten. Was ist ein Sturm im Wasserglas? Was sind pompöse Ankündigungen – und was ist tatsächlich bedrohlich, für die Demokratie in Amerika, für den Frieden der Welt, auch für unsere Wirtschaft? Tatsächlich Sorgen bereiten muss zum Beispiel, wie Trump das Justizministerium zu einem Erfüllungsgehilfen seiner Politik machen will, wie er politische Gegner in letzter Konsequenz auch hinter Gitter bringen will.

"Trump ist ein Meister der Ablenkung", so formulierte es der langjährige deutsche Botschafter in Washington, Wolfgang Ischinger, vor einigen Tagen im Gespräch mit dem stern. "Das Thema, bei dem wir eigentlich Action erwarten würden, ist das von ihm vollmundig angekündigte Manöver, mit Putin in 24 Stunden das Ukraine-Problem zu lösen. Es deutet sich an, dass das in 24 Stunden nicht zu machen ist. Da ist es natürlich prima, wenn man über Panama, Grönland und Kanada Dinge sagen kann, über die sich alle Welt aufregt."

Die Ukraine erwähnte Trump übrigens gestern mit kaum einem Wort.

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