Die nächste Regierung muss massiv investieren: in Wirtschaft, Militär, Infrastruktur. Dafür braucht es Geld. Eine Lösung gibt es – sie liegt in der Hand der Union.
Psssssst, bitte nicht drüber reden! Hat da jemand Reform der Schuldenbremse gesagt? Neues Sondervermögen? Mehr Staatsausgaben? Nein, bitte gehen Sie weiter! Hier gibt's nichts zu sehen.
Das beschreibt in etwa die aktuelle Strategie der Union bei der Frage nach der Finanzierung der Staatsausgaben. Alle wissen es, aber keiner darf es ganz offen sagen: Eine (zumindest moderate) Reform der Schuldenbremse wird es nach der Wahl auch mit der Union geben, über ein neues Sondervermögen wird längst debattiert.
Eine Schuldendebatte? Bloß nicht jetzt!
Wenn Friedrich Merz sich kürzlich eine Reform der Schuldenbremse offenhielt, war das deshalb kein kompletter Betriebsunfall. Reformen kommen. Aber bloß nicht jetzt, bloß nicht vor der Wahl, bloß der Rest-Ampel nichts mehr schenken.
Aus wahltaktischer Sicht mag dieses Abwarten der Union verständlich sein. Läuft es aber schlecht, kann dieser Poker, das Hinauszögern einer Lösung bis nach dem Wahltag den Erfolg von Merz' Kanzlerschaft gefährden. Ihm fehlte dann schlicht das Geld für seine Projekte.
Es gibt dafür eine Lösung: Die Union könnte schon jetzt ein neues Sondervermögen vorschlagen, etwa für Sicherheit und Verteidigung.
Das Abwarten wird zum Poker
Ja, auch damit könnte die Union bis zum Wahltag warten, um dann als Retterin der Nation die Finanzprobleme des Staates lösen. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Verfassungsänderungen, die es bei Reformen der Schuldenbremse oder Sondervermögen braucht, ist auch im nächsten Parlament nicht ganz unwahrscheinlich.
Ist sie aber sicher? Das nicht. Das für Merz schlimmste Szenario geht so: Nach der Wahl droht ihm eine Sperrminorität von AfD und BSW. Beide Parteien stehen derzeit bei rund 25 Prozent in den Umfragen. Sollten FDP und Linke den Einzug verpassen, bestünde die Gefahr, dass AfD und BSW mehr als ein Drittel der Sitze im Parlament besetzen.
5 Stolpersteine für Merz 12.10
Würde das BSW für ein Sondervermögen Verteidigung stimmen? Die AfD, die auf die Wahl 2029 schielt, für eine Reform der Schuldenbremse? Eher nein. Beide Parteien laben sich doch am Vorführen der Etablierten. Der Preis für ihre Zustimmung wäre hoch, womöglich unbezahlbar.
Ohne frisches Geld keine neue Politik
Schon dieses Risiko sollte Friedrich Merz nicht eingehen, will er ein erfolgreicher Kanzler werden. Ohne frisches Geld kann die Union noch so schöne Pläne machen.
Das massiv investiert werden muss, das bestreitet doch kaum jemand mehr: Der Bundesverband der Deutschen Industrie hält allein staatliche Investitionen von bis zu 40 Milliarden Euro pro Jahr für notwendig. Der Ökonom Michael Hüther, ganz sicher kein linker Schuldenfetischist, fordert sogar 60 Milliarden Euro.
Die Brücken bröckeln, das Militär muss ausgebaut, die Wirtschaft angekurbelt werden. Das alles lässt sich nicht mit ein paar Einsparungen beim Bürgergeld, mehr privatem Kapital und etwas Bürokratieabbau finanzieren. Das merkt inzwischen auch die Union.
Hauptschuld an der Misere ist die Ampel
Es wäre aber zu einfach, es den Konservativen in die Schuhe zu schieben, dass dafür bisher keine politische Lösung gefunden wurde. Dafür war die Ampel zuständig. Die SPD war aber zu keinerlei größeren Sparmaßnahmen bereit, die FDP nicht zu Steuererhöhungen oder mehr Schulden.
Ja, es stimmt, was die Sozialdemokraten sagen: Man spart sich nicht aus der Krise. Aber ganz ohne Sparen, ohne neue Prioritäten kommt man eben aus so einer tiefen Misere auch nicht heraus.
Da agiert die SPD zurzeit wie die konservativste Kraft im ganzen Land: Der Sozialstaat soll bleiben, wie er ist - und am Ende geht es auch noch allen besser. Ein schönes Wahlkampf-Märchen. Und verständlich, dass die Union das nicht mitmacht.
Schnelle Reform der Schuldenbremse? Ausgeschlossen!
Auch deshalb ist, neben der Zeitnot, eine Reform der Schuldenbremse vor der Wahl nahezu ausgeschlossen. Die Frage ist für alle Seiten zu symbolhaft aufgeladen. Ein neues Sondervermögen für Verteidigung und Sicherheit dagegen wäre denkbar.
Das hat drei Gründe: Es wäre erstens schneller umsetzbar, zweitens klar auf Investitionen in einem eng umrissenen Bereich fokussiert und drittens - anders als in der Industriepolitik - wohl der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die demokratische Mitte im Wahlkampf noch einigen könnte.
Das Geld aus dem alten Bundeswehr-Fonds ist aufgebraucht oder verplant. Die Amtseinführung von Donald Trump im Januar, die schlimme Kriegslage in der Ukraine, Wladimir Putins hybrider Krieg gegen Europa und die absehbar unbezahlbaren Belastungen für Verteidigung im Bundeshaushalt erhöhen die Dringlichkeit.
Die Union kann Verantwortungsgefühl beweisen
Friedrich Merz könnte sich durch den Vorstoß für ein solches Sondervermögen mehr finanzielle Beinfreiheit für die Zeit nach der Wahl verschaffen. Ein Problem wäre abgeräumt. Ohne das Risiko einer Sperrminorität. Die Union könnte ihre staatspolitische Verantwortung beweisen, der SPD eines der letzten Wahlkampfthemen nehmen.
Es ist doch so: Die meisten Menschen im Land wollen, dass die Politik die Dinge regelt. Sie wollen keine Parteitaktik, sie wollen in Sicherheit leben. Die Union kann beweisen, dass sie beides im Blick hat: Für ein sicheres Leben hierzulande. Und letztlich auch für Friedrich Merz. Es ist nicht die Zeit für Pokerspiele.