Nachdem dieses unterschätzte Meisterwerk in Deutschland keinen offiziellen Kinostart erhielt, kann der Fantasy-Horrorfilm bald endlich auf Netflix gestreamt werden.
Jane Schoenbruns „I Saw the TV Glow“ aus dem Jahr 2024 flog in Deutschland bislang unter dem Radar – zu Unrecht, wie ich finde. Während der Horrorfilm auf Rotten Tomatoes mit 84% Zustimmung der Kritiker*innen glänzt und von Ausnahmeregisseur Martin Scorsese („Taxi Driver“) in hohen Tönen gelobt wurde, erhielt er hierzulande nicht mal einen offiziellen Kinostart und lief nur vereinzelt für kurze Zeit auf der großen Leinwand. Jetzt bekommen alle, die diesen Geheimtipp bislang verpasst haben die Chance „I Saw the TV Glow“ zu streamen: Ab dem 1. Mai 2025 läuft der Film auf Netflix.
Der offizielle Trailer lässt bereits erahnen, dass sich unter der Ästhetik von Neonfarben und 90’s-Nostalgie ein tiefer, psychologischer Horror entfaltet:
Darum geht es in „I Saw the TV Glow“
Die Geschichte von „I Saw the TV Glow“ folgt dem schüchternen afroamerikanischen Teenager Owen (Justice Smith), der in den 1990er-Jahren in einer kleinen Vorstadt aufwächst. Sein Leben als Einzelgänger nimmt eine Wendung, als er durch seine Mitschülerin Maddy (Jack Haven) die mysteriöse Late-Night-Fernsehshow „The Pink Opaque“ entdeckt. Diese Serie, die von zwei Mädchen handelt, die gegen übernatürliche Wesen kämpfen, wird zu einem zentralen Teil von Owens Leben. Als die Show jedoch abrupt abgesetzt wird und Maddy von einem auf den anderen Tag verschwindet, beginnen Realität und Fiktion für Owen zu verschwimmen, was ihn in eine existenzielle Krise stürzt.
Der Film wurde von Jane Schoenbrun geschrieben und inszeniert. Schoenbruns Regiedebüt „We’re all Going to the World’s Fair“ greift ebenfalls die Themen Realitätsflucht, Coming-of-Age, Queerness und übernatürlichen Horror auf, „I Saw the TV Glow“ stellt demnach den zweiten Teil einer geplanten Trilogie dar. Produziert wurde der Fantasy-Horror von keiner Geringeren als Oscarpreisträgerin Emma Stone („Poor Things“) und Dave McCary („Saturday Night Live“). Für die musikalische Untermalung versammelt Schoenbrun einige der populärsten Indie-Musiker*innen unserer Zeit, mit Alex G, Phoebe Bridgers und King Woman, wobei letztere sogar Auftritte vor der Kamera haben. Außerdem ist Limp Bizkit Frontmann Fred Durst in einer Nebenrolle zu sehen.
Das macht „I Saw the TV Glow“ so sehenswert
Wer sich von „I Saw the TV Glow“ einen klassischen Horrorfilm erwartet, der kommt vielleicht nicht ganz auf seine Kosten. Der wahre und tief-verstörende Horror der A24-Produktion liegt nicht in den Grusel-Elementen aus der Fernsehsendung „The Pink Opaque“, die mit ihrer trashigen Aufmachung bewusst an Fantasy-Formate aus den 1990er-Jahren erinnert. Die Begründung der FSK-Altersfreigabe von 16 Jahren wurde ebenfalls nicht aufgrund blutiger Slasher-Szenen, sondern wegen Selbstschädigung und Verletzung vergeben. Denn was „I Saw the TV Glow“ wirklich auszeichnet, liegt zwischen den Zeilen der Erzählung und tief im Inneren der beiden Hauptcharaktere verborgen.
Jane Schoenbrun greift als nichtbinäre filmschaffende Person komplexe und oft schmerzhafte Fragen über Geschlechtsidentität und Queerness auf subtile Weise auf. Justice Smith („All die verdammt perfekten Tage“) und der Trans-Schauspieler Jack Haven („Atypical“) glänzen in den Hauptrollen dieses beunruhigenden Coming-of-Age-Szenarios, in dem der eigentliche Horror in der Verweigerung des Rufs nach Identität liegt.
Mit einer Endszene, die bis ins Mark erschüttert, ließ „I Saw the TV Glow“ mich mit Fragen, Erkenntnissen und Bildern im Kopf zurück, die noch immer nachhallen. Der Film fordert die Zuschauer*innen heraus, sich mit den emotionalen Konflikten auseinanderzusetzen, die trans* und queere Menschen in unserer Gesellschaft ständig erleben. Es ist dieser subtile, doch eindringliche Horror, der „I Saw the TV Glow“ zu einem der außergewöhnlichsten Geheimtipps aus dem Kinojahr 2024 macht.