CDU-Chef Friedrich Merz will seine Vorschläge zur Migrationspolitik noch vor der Wahl durch den Bundestag bringen. Eine gute Idee? Wie deutsche Medien kommentieren.
CDU-Chef Friedrich Merz fordert SPD und Grüne auf, den Unionsanträgen für eine härtere Migrationspolitik zuzustimmen, um im Bundestag eine Abgrenzung von der AfD zu erzielen. Bei den Abstimmungen "liegt es an der SPD, an den Grünen und an der FDP, zu verhindern, dass es Mehrheiten gibt, die keiner von uns will", sagte der Unionskanzlerkandidat nach Beratungen der Parteispitze in Berlin.
Während die FDP-Fraktion zustimmen will, werfen SPD und Grüne Merz und der Union vor, mit ihrem Vorgehen gegen Verfassung und Europarecht zu verstoßen und die AfD hoffähig zu machen. Zudem zweifeln sie an, dass der CDU-Chef die "Brandmauer" zur AfD aufrechterhält. Merz weist die Vorwürfe strikt zurück und sieht die Anträge als dringende Konsequenz aus dem Messerangriff mit zwei Toten in Aschaffenburg in der vergangenen Woche.
So kommentieren deutsche Medien Friedrich Merz und seine Pläne
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Gewinnt die Union die Wahl, stellt sich die Frage, wer die Migrationspolitik mittragen würde, die Merz zur Bedingung für jede Koalition macht. Die FDP wäre wohl dabei. Mit der AfD, da können die Grünen und die SPD nun den Teufel an die Wand malen, wie sie wollen, werden CDU und CSU nicht koalieren. Die Union darf eine von ihr als notwendig erachtete Politik aber nicht davon abhängig machen, wie die AfD sich dazu stellt – und ob SPD und Grüne Einsicht zeigen. Es ist gut, dass die Wähler in der politischen Mitte auch mit Blick auf die Migrationspolitik endlich wieder eine Wahl haben." Merz und Migration 20.13
"Handelsblatt": "Merz mobilisiert mit seiner Sprache diejenigen, die auch im zehnten Jahr der Flüchtlingskrise glauben, der Staat könne grenzenlos helfen. Gleichzeitig versäumt er es, als Chef einer christlichen Partei von den Grenzen der Barmherzigkeit zu sprechen. Hätte er das getan, könnte er sich längst wieder dem 'Wirtschaftswahlkampf' widmen, den er eigentlich führen will."
"Neue Osnabrücker Zeitung": "In der Zufriedenheit über die eigene Vergangenheit als Anti-Nazi-Bollwerk übersehen die Genossen und ihr Kanzler offenbar, dass sie in der entscheidenden Wahlkampfphase ihren Kompass zu verlieren drohen. Laut einer aktuellen Insa-Umfrage finden selbst 56 Prozent der SPD-Anhänger Merz‘ Vorhaben richtig. Aber die Partei verschanzt sich lieber hinter dem Vorwurf, die Union wolle die Verfassung und EU-Recht brechen, obwohl das viele namhafte Verfassungsrechtler anders sehen. Scholz und Habeck bleibt noch bis Ende der Woche, ihren Kurs zu überdenken. Sollten sie die maximale Konfrontation mit Merz suchen, dürften sie am 23. Februar die Quittung des Wählers erhalten."
"Der Spiegel": "Friedrich Merz ist ins Schlingern geraten. Er hat ohne Not eine Debatte über die Brandmauer zur AfD losgetreten, es ist womöglich der schwerste Fehler seines Wahlkampfs. Damit setzt Merz das aufs Spiel, was eigentlich sein größtes Kapital ist: seine Glaubwürdigkeit."
"Süddeutsche Zeitung": "Das größte Problem in der deutschen Migrationspolitik ist das Spannungsverhältnis, das zwischen dem hochkomplexen rechtsstaatlichen Asyl- und Einwanderungsprozess steht – und der schieren Zahl der Antragsteller. Merz hat sich mit seinen fünf Punkten aus dem Dickicht der Bürokratie befreit. Für den Wahlkampf mag der Entschließungsantrag eine taktische Großtat gewesen sein, fürs Regierungsgeschäft wird er noch ein paar Spiegelstriche hinzufügen müssen."
SPD und das Merz-Manöver 16.44
T-Online: "Wenn das Thema Migration noch vor der Wahl mit Gesetzen abgeräumt wäre, auf deren Wirkkraft man erstmals seit einem Jahrzehnt berechtigt hoffen kann, dann hat sich das Ohnmachtsgefühl erledigt. Dann gäbe es für viele möglicherweise keinen Grund mehr, die AfD zu wählen. Sondern sich mit ihrem Stimmzettel wieder bei den demokratischen Parteien einzureihen. Die AfD lebt seit Jahr und Tag von dem bislang unaufhebbbar scheinenden Schwebezustand und der Diskrepanz von Mehrheitswünschen in der Bevölkerung und deren Umsetzung in einer Regierung. Fällt dieser Schwebezustand und der Problemstau des Themas weg, das sie im Zuge des anwachsenden Problems groß und immer größer gemacht hat, dann steht ihr Existenzgrund zur Disposition. Eine triumphierende Alice Weidel (Die Brandmauer ist weheeeg!!) hätte sich dann zur nützlichen Idiotin von Friedrich Merz gemacht. Und die seit Jahren tosenden Wasser auf die Mühlen ihrer Partei in ein Rinnsal aus Restradikalen verwandelt."
"Die Welt": "Wieder einmal ist es die Union, welche die Geschicke der Bundesrepublik zu lenken hat. Friedrich Merz und Carsten Linnemann haben in einem entscheidenden Moment des Wahlkampfs, mehr aber noch der Lage des Landes, entschieden, sich von Merkels Antipolitik abzusetzen. Und zwar klugerweise auf zwei Ebenen: erstens auf der Metaebene, indem man die postheroische Idee der asymmetrischen Wählerdemobilisierung auf den Müllhaufen der Geschichte wirft, und zweitens ganz konkret, indem man sich endlich von einem der katastrophalen Fehler der bundesrepublikanischen Nachkriegspolitik verabschiedet: der naiven, eitlen Migrationspolitik."
"Weser-Kurier": "Es ist fraglich, ob sich die Union mit ihrem schnell niedergeschriebenen Fünf-Punkte-Plan einen Gefallen tut. Denn vom Thema Migration profitiert ausschließlich die AfD. Es ist das einzige Politikfeld, auf dem der in Teilen rechtsextremen Partei Kompetenzen zugeschrieben werden. Eine mögliche gemeinsame Mehrheit im Bundestag mit FDP und den Links- und Rechtspopulisten von AfD und BSW würde dagegen Teile der christdemokratischen Partei stark verunsichern. Der Einsturz der Brandmauer gegen rechts könnte das Thema werden, das dem schwächelnden Wahlkampf der Sozialdemokraten im letzten Moment noch den notwendigen Mobilisierungsschub gibt. Vielleicht tappt Friedrich Merz hier in eine Falle, die er sich selbst ohne Not gestellt hat."