marktbericht
Die Hoffnung der Anlegerinnen und Anleger auf sinkende Zinsen stützt den deutschen Aktienmarkt. Auch dank positiver Vorgaben der US-Börsen wird der DAX vor dem EZB-Entscheid höher erwartet.
Am Tag der Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte der DAX den Rückenwind der Wall Street aufnehmen und wieder über die Marke von 18.500 Punkten klettern. Der Broker IG taxiert den deutschen Leitindex eineinhalb Stunden vor Beginn ein Prozent höher auf 18.515 Punkte.
Gestern hatte der DAX 0,4 Prozent fester bei 18.330 Punkten geschlossen. Damit sei es dem Börsenbarometer nur knapp gelungen, sich im Bereich der gleitenden Durchschnitte um 18.340 Zähler zu halten, schreiben die Fachleute der Helaba. Einigen Experten zufolge bedeutet ein positiver Auftakt in den heutigen Handelstag aber noch immer keinen Befreiungsschlag.
"Der deutsche Leitindex kämpft weiterhin wacker um nachhaltige Stabilisierung", betonte Charttechniker Martin Utschneider von Finanzethos am Morgen. Die Situation bleibe von Unsicherheit geprägt und der DAX müsse sich zunächst über 18.500 Punkten behaupten. Laut Utschneider könnte die EZB-Zinssitzung am Nachmittag nochmals für erhöhte Volatilität sorgen.
Nach der geldpolitischen Wende vom Juni dürfte der EZB-Rat um Präsidentin Christine Lagarde heute den zweiten Schritt nach unten vollziehen: Die Finanzmärkte gehen fest davon aus, dass die Währungshüter den Einlagensatz um einen Viertel-Prozentpunkt auf 3,50 Prozent senken werden. Spannend werden auch mögliche Signale von Lagarde für die übernächste Zinsentscheidung im Oktober. Viele Börsenprofis erwarten, dass die abflauende Inflation den Weg für eine weitere geldpolitische Lockerung ebnet.
Erstaunlich robust haben derweil gestern die US-Aktienmärkte auf eine hartnäckig hohe Inflation reagiert. Zwar tauchten die Kurse im frühen Handel erst einmal tief ab, nachdem sich die sogenannte Kerninflation im August auf hohem Niveau gehalten hat. Anschließend berappelten sich die Kurse aber sukzessive und die großen Aktienindizes gingen dank großer Kursgewinne bei Tech-Werten mit Gewinnen aus dem Handel. Der Leitindex Dow Jones legte in den letzten Handelsminuten noch einmal zu und schloss 0,31 Prozent höher bei 40.862 Zählern. Der breit gefasste S&P 500 stieg stärker um 1,07 Prozent.
Für den von Technologieaktien bestimmten Nasdaq 100 ging es sogar um 2,17 Prozent kräftig aufwärts. Hier sorgten die Kursgewinne großer Unternehmen aus der Chip-Branche für Unterstützung. Schwergewichte wie Broadcom, ASML, Micron Technology und Applied Materials gewannen zwischen 4,5 und 8,0 Prozent. Besonders die Aktien von Nvidia mit einem Plus von mehr als acht Prozent waren gefragt. Die Nachrichtenseite Semafor berichtete, dass die US-Regierung erwäge, dem KI-Chip-Unternehmen den Export von fortschrittlichen Chips nach Saudi-Arabien zu gestatten.
Mit 3,2 Prozent verharrt die um Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Kerninflation in den USA auf einem hohen Niveau. Weil sie von der US-Notenbank als Inflationsmaß stark beachtet wird, prognostizieren Ökonomen, dass die Fed die Leitzinsen am kommenden Mittwoch nicht um 0,50 Prozentpunkte, sondern nur um 0,25 Prozentpunkte senken könnte. "Die Fed hätte gern niedrigere Zahlen gesehen, um eine mögliche Senkung um 50 Basispunkte bei der kommenden Sitzung zu rechtfertigen", sagte Jason Pride, Leiter der Anlagestrategie bei Glenmede.
Es gab aber auch gelassene Reaktionen. "Die Fed kann in der kommenden Woche die Zinsen ruhigen Gewissens senken", schrieb Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Denn selbst angesichts einer hohen Kerninflation sei das Leitzinsniveau in den USA "sehr hoch". Das berge ein Risiko: Sollte das gegenwärtige Zinsniveau noch längere Zeit auf hohem Niveau verbleiben, drohe das die Realwirtschaft zu bremsen.
Die positiven Vorgaben von der Wall Street und ein schwächerer Yen geben den asiatischen Märkten Auftrieb. In Tokio stieg der 225 Werte umfassende Nikkei-Index um 2,8 Prozent auf 36.606 Punkte, der breiter gefasste Topix notierte 1,9 Prozent höher bei 2.579 Punkten. Zu den größten Gewinnern im Nikkei zählten die Technologiewerte: Mit einem Plus von 7,48 Prozent war der Chiptester-Hersteller Advantest der größte prozentuale Gewinner. Der Kabelhersteller Fujikura gewann 6,64 Prozent und der Halbleiterausrüster Disco stieg um 6,63 Prozent. Die Börse in Shanghai notierte nahezu unverändert bei 2.722 Stellen. Der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzhen fiel um 0,1 Prozent auf 3.182 Punkte.
Am Rohstoffmarkt haben sich die Ölpreise nach Befürchtungen, dass der Hurrikan Francine zu längeren Produktionsausfällen im Golf von Mexiko führen könnte, erholt. Woodside Energy stellte aufgrund des Sturms die Öl- und Gasproduktion auf seiner Offshore-Plattform ein. Die Nordseesorte Brent verteuerte sich um 0,4 Prozent auf 70,86 Dollar je Barrel (159 Liter). US-Öl der Sorte WTI notierte 0,2 Prozent fester bei 67,47 Dollar.
Die Commerzbank will Insiderangaben zufolge eine mögliche Übernahme durch die italienische Großbank UniCredit abwehren. Das Management habe sich über Strategien ausgetauscht, um die Unabhängigkeit des Geldhauses zu bewahren, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Zwei weiteren Personen zufolge ist das Institut gemäß rechtlichen Verpflichtungen zwar zu Gesprächen bereit, wenn UniCredit ein formelles Angebot vorlegt. Der Vorstand strebe aber einen eigenständigen Kurs an. Zudem verlautete aus Unternehmenskreisen, dass die US-Bank Goldman Sachs als Beraterin beauftragt worden sei, um verschiedene Abwehroptionen auszuloten. Die Commerzbank lehnte eine Stellungnahme ab.
Der Chipindustrieausrüster Aixtron sieht im Fortschritt von Infineon bei der Fertigung von Halbleitern auf Galliumnitrid-Basis (GaN) seine Erwartung eines starken Marktwachstums untermauert. Der Chiphersteller hatte gestern mitgeteilt, 300-Millimeter-GaN-Wafer auf einer Pilotlinie in der bestehenden 300-Millimeter-Siliziumproduktion hergestellt zu haben. Das hatte an der Börse zu reichlich Fragen mit Blick auf Aixtrons Produktangebot geführt. Aixtron betonte auf Anfrage, dass an Maschinen zur Fertigung von 300-Millimeter-Wafern gearbeitet werde und Pilotanlagen bei einigen Kunden stünden.
Die Leasingtochter der China Development Bank hat Airbus einen Großauftrag erteilt. 80 Flugzeuge des Typs A320neo seien bestellt worden, hieß es in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse. Die Auslieferung der Maschinen soll ab 2030 beginnen und bis 2032 abgeschlossen sein. Mit dem Kauf will das Unternehmen die Flottenzusammensetzung seiner Luftfahrtsparte optimieren und den Anteil hocheffizienter Flugzeuge der nächsten Generation erhöhen.