
marktbericht
Der DAX steigt zum Handelsauftakt deutlich über die Marke von 21.000 Punkten. Aber von Normalität kann am Markt keine Rede sein, denn noch immer drohen die Handelskonflikte mit den USA zu eskalieren.
Der DAX startet in den neuen Handelstag mit einem Plus von 0,9 Prozent auf 21.133 Punkte. Für steigende Kurse in Frankfurt sorgen Aussagen von US-Präsident Donald Trump, der mögliche Ausnahmen von den geplanten 25-prozentigen Autozöllen ins Spiel brachte.
Gestern war der deutsche Leitindex 2,9 Prozent fester auf 20.954 Punkten aus dem Handel gegangen. US-Handelsminister Howard Lutnick hatte am Wochenende klargestellt, dass elektronische Geräte wie Smartphones und Computer vorerst von den verschärften Zollbestimmungen der USA verschont bleiben.
Der DAX hält sich zum Handelsbeginn also deutlich über der 200-Tage-Linie, die als Indikator für den längerfristigen Trend angesehen wird und zurzeit bei 20.012 Punkten verläuft. Das bedeute eine gewisse Stabilität, schrieb der charttechnische Analyst Martin Utschneider von Finanzethos. Trotzdem werde sich der DAX zunächst weiter in einem von Unsicherheit, Nervosität und Handlungspanik geprägten Marktumfeld wiederfinden.
So sehen das auch die Fachleute der Helaba. "Das von US-Präsident Trump angerichtete Zoll-Chaos und die daraus resultierenden globalen Konjunktursorgen haben die Risikoaversion an den Finanzmärkten vorübergehend deutlich ansteigen lassen", heißt es von den Marktexperten. Zwar habe sich die Situation inzwischen beruhigt, die Unsicherheit sei aber weiterhin groß.
Denn Ökonomen gehen von hohen konjunkturellen Kosten aus. "Wir vermuten, dass die Zölle am Ende niedriger sein werden als Trump letzte Woche verkündet hat", meint Gilles Moëc, Chefökonom der AXA Group und Leiter der AXA IM Research-Abteilung. "Dennoch dürfte allein die Verunsicherung, die nur dann nachlassen könnte, wenn es schnell zu Verhandlungslösungen käme, niedrigere Unternehmensinvestitionen, schlechtere Finanzbedingungen und einen Konsumrückgang zur Folge haben", unterstreicht Moëc.
Auch in der US-Notenbank Federal Reserve macht man sich Gedanken. Trumps aggressive Zollpolitik könnte nach Einschätzung des Notenbankdirektors Christopher Waller gravierende Folgen für die amerikanische Wirtschaft haben. Die neue Zollpolitik sei "einer der größten Schocks für die US-Wirtschaft seit vielen Jahrzehnten", sagte Waller. Die Auswirkungen der Zollpolitik bezeichnete der Notenbanker als "höchst ungewiss". Daher sei auch der Ausblick auf die weitere konjunkturelle Entwicklung "höchst unsicher". Vor diesem Hintergrund müsse die Geldpolitik flexibel bleiben.
Trotz der US-Zollausnahmen für Elektronikprodukte hatten sich die Anleger an der Wall Street zum Wochenauftakt vorsichtig gezeigt. Der Dow Jones verabschiedete sich gestern mit einem Plus von 0,8 Prozent bei 40.524 Punkten aus dem Handel. Der breit gefasste S&P 500 gewann 0,8 Prozent auf 5.405 Zähler, und der technologielastige Nasdaq zog um 0,6 Prozent auf 16.831 Stellen an.
In Japan hat sich die Börsenstimmung aufgehellt. Vor allem bei den Autoherstellern gab es nach den Trump-Äußerungen Kursgewinne. In Tokio schloss der 225 Werte umfassende Nikkei-Index 0,8 Prozent fester auf 34.267 Punkten. "Zum ersten Mal seit einiger Zeit ist der Handel wieder in einem Bereich, den man als normal bezeichnen kann", sagte Kazuo Kamitani, Stratege bei Nomura Securities.
Verhaltener war die Lage in China. Der Hang-Seng-Index der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong verlor zuletzt 0,2 Prozent auf 21.365 Punkte. Der CSI-300-Index mit den wichtigsten chinesischen Festlandaktien sank um 0,3 Prozent auf 3.748 Punkte.
Damit hinterlässt der Handelskonflikt mit den USA weiterhin Spuren. "Unter der Oberfläche der eskalierenden Zollpolitik zwischen den USA und China verbirgt sich eine tiefere Krise: Der Mangel an Dialogkanälen seit Januar und die unberechenbaren Entscheidungen der US-Administration haben die Beziehungen schwer belastet", merkte Anlagestratege Ulrich Stephan von der Deutschen Bank dazu an. "Die US-Regierung setzt auf maximalen Druck und versucht, mit Alliierten ein Handelsbündnis gegen China zu formen, China zeigt sich ebenfalls entschlossen, mit eigenen Maßnahmen zu reagieren, darunter branchenspezifische Gegenzölle und Ausfuhrbeschränkungen."
Die Aktien von Autobauern reagieren auf die von Trump in Aussicht gestellten, temporären Ausnahmen von weitreichenden Zöllen positiv. Autofirmen bräuchten etwas mehr Zeit, um ihre Lieferketten auf eine Teile-Produktion in den USA umzustellen, sagte er zur Begründung. Deswegen prüfe er gerade, wie man einigen Herstellern helfen könne.
Der Präsident hatte Zölle in Höhe von 25 Prozent auf in die USA importierte Fahrzeuge verhängt - und Anfang Mai sollten auch Zölle auf eingeführte Bauteile folgen. Zugleich sind bereits einige Fahrzeuge aus Mexiko und Kanada im Rahmen eines nordamerikanischen Handelsabkommen ausgenommen.
Der Chipkonzern Nvidia will in den kommenden vier Jahren nach eigenen Angaben KI-Technik im Wert von bis zu 500 Milliarden Dollar in den USA produzieren. In Texas würden dafür zwei Supercomputer-Fabriken gemeinsam mit asiatischen Auftragsfertigern gebaut: mit Foxconn in Houston und mit Wistron in Dallas. Die Massenfertigung dort solle in zwölf bis 15 Monaten beginnen, teilte Nvidia mit.
Bayer-Chef Bill Anderson sieht die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump zurzeit gelassen. "Wir haben eine sehr globale Lieferkette und umfangreiche Produktionsanlagen in den USA, vor allem für Produkte im Agrargeschäft, bei verschreibungsfreien Medikamenten und auch einige im Bereich Pharma. Insofern sind wir aktuell nicht besonders betroffen", sagte Anderson dem Handelsblatt. Doch dauerhaft hohe Aufschläge würden die Branche und auch deren Forschungskraft bedrohen, erklärte er mit Blick auf weitere Pharma-Zölle, etwa auf verschreibungspflichtige Arzneien.
Der Konsumgüterhersteller Beiersdorf hat nach den Rekordmarken der Vergangenheit zum Jahresstart an Wachstumstempo verloren. Der organische Umsatz sei im ersten Quartal um 3,6 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro gewachsen. Vor Jahresfrist stand hier noch ein Plus von 7,3 Prozent in den Büchern. Das Geschäft mit Hautpflegemitteln und Kosmetika legte von Januar bis März um 2,3 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro zu, die kleinere Sparte Tesa wuchs rasant um 10,7 Prozent auf 441 Millionen Euro.
Drägerwerk hat im abgelaufenen ersten Quartal nach vorläufigen Zahlen ein operatives Ergebnis unter dem Vorjahreswert erzielt. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) habe demnach bei rund 0,4 Millionen Euro gelegen, wie der Anbieter von Medizin- und Sicherheitstechnik am Abend in einer Pflichtmitteilung erklärte. Dass der Vorjahreswert von 15,1 Millionen Euro nicht erreicht worden sei, liege am geringeren Umsatzvolumen und gestiegenen Kosten.