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Mahir Emreli: Ein Repräsentant der anderen Art



Foto: Sportfoto Zink
Zaqatala im Sommer 2002: Auf einem der Fernseher in der aserbaidschanischen Kleinstadt läuft die Fußball-Weltmeisterschaft. Elnura Emreli sitzt gebannt vor dem Fernseher und verfolgt ein Spiel der türkischen Nationalmannschaft. Ihr Sohn, Mahir Emreli, ist damals fünf Jahre alt und sitzt ebenfalls im Raum: „Ich habe an ihrer Reaktion gesehen, wie sehr sie bei dem Spiel mitfieberte. Das hat bei mir als kleiner Junge etwas ausgelöst und so bin ich zum Fußball gekommen“, lautet die Geschichte hinter Mahirs Anfängen. Über das Nachwuchsleistungszentrum von FK Baku kam er zum wohl bekanntesten Verein in Aserbaidschan, Qarabag FK. Mit 22 Jahren war er bereits Torschützenkönig der „Premyer Liqa“ und zum vierten Mal aserbaidschanischer Meister. Hinzu kommen Teilnahmen am internationalen Wettbewerb und die erste Spielzeit in der Champions League in der Vereinsgeschichte von Qarabag: „Da bleibt mir natürlich das erste Champions-League Spiel mit Qarabag an der Stamford Bridge in London in Erinnerung. Wir waren chancenlos, dennoch war es für uns eine geschichtsträchtige Partie. Müsste ich jetzt drei Stadien benennen, die mir aufgrund ihrer Stimmung auf den internationalen Reisen im Gedächtnis geblieben sind, würde ich Dortmund, PAOK Saloniki und AS Roma sagen.“ Raus aus der Komfort-Zone Der Offensivspieler war bereits früh ein Star in seiner Heimat. Doch er wollte sich nicht darauf ausruhen und so wechselte er nach Polen zu Legia Warschau: „Als ich mich für meinen Weg entschieden habe, habe ich das auch für mein Land getan. Es gibt noch nicht viele Spieler aus Aserbaidschan, die den Weg nach Deutschland, Kroatien oder Polen eingeschlagen haben. Ich will für die Jugend in Aserbaidschan ein Vorbild sein, dass sie den Mut haben sollen, diesen Schritt auch zu gehen.“ Von Polen ging es nach Kroatien, von Dinamo Zagreb wird er zunächst zum türkischen Erstligisten Konyaspor ausgeliehen. Nach einem Jahr in Zagreb dann der Wechsel nach Deutschland zum 1. FC Nürnberg. Viele Nationen, viele Kulturen, die er innerhalb von drei Jahren kennenlernen durfte: „Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch und mag es, neue und verschiedene Kulturen kennenzulernen.“ Klingt zunächst wie eine gewöhnliche Beschreibung. Doch erzählt die Nummer 30 des Club über sein Heimatland, merkt man, dass mehr dahinter steckt. „Wir sind ein sehr tolerantes Land“ „Wir sind ein sehr tolerantes und muslimisches Land, aber wir versuchen, alle Religionen und Kulturen zu vereinen. Es gibt Moscheen, jüdische Synagogen oder christliche Kirchen. Bei uns leben beispielsweise auch Personen russischer Abstammung mit Menschen aus der Ukraine zusammen. Wir wachsen mit anderen Kulturen auf und lernen, mit ihnen in Einklang zu leben. Das ist auch der Grund, wieso es für mich nie schwer war, mich an verschiedene Kulturen anzupassen. Zurzeit gibt es viel Hass auf dieser Welt. Ich will den Leuten zeigen, dass es auch anders geht“, erzählt der 27-Jährige und zeigt das auch regelmäßig auf seinen sozialen Netzwerken. Zum einen will er damit sein Land repräsentieren, zum anderen aber auch aufzeigen, welche Traditionen das Land, in dem er sich gerade befindet, zu bieten hat: „Wenn beispielsweise hier in Deutschland ein Feiertag ist, werde ich das ebenfalls posten. Auch für meine Fans in Aserbaidschan ist es interessant zu sehen, wie die Kultur hierzulande gelebt wird.“ Und welche Dinge würde er gerne ebenfalls in sein Heimatland transportieren, wo mit Judo, Ringen und Boxen eher individueller Kampfsport angesagt ist? „Hier in Deutschland habe ich noch einmal deutlicher gelernt, was es heißt, loyal zu seinem Verein zu sein. Technische Fehler werden verziehen, wenn du auf dem Platz alles für dein Team gibst.“
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