Die EZB senkt zum dritten Mal dieses Jahr die Leitzinsen. Der Leitzins fällt auf nun 3,25 Prozent. Für Sparer sind das schlechte Nachrichten.
Überraschung ausgeblieben: Die Europäische Zentralbank senkt die relevanten Zinssätze um 25 Basispunkte – so wie es nahezu alle Analysten zuvor prognostiziert hatten. Der für Banken wichtige Einlagezinssatz liegt damit künftig bei 3,25 Prozent und bereits 75 Basispunkte unter seinem Höchststand von vier Prozent, der bis Anfang Juni galt. Der eigentliche Leitzins, der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz, den Banken zahlen, wenn sie sich Geld bei der EZB leihen, fällt von 3,65 auf 3,40 Prozent. Dieser ist auch für Kreditnehmer letztlich wichtiger als der Einlagenzins.
EZB-Chefin Christine Lagarde reagiert damit auf jüngste Daten zur Inflation und Konjunktur. Der Anstieg des harmonisierten Verbraucherpreisindex in Europa, an dem sich die EZB orientiert, hat sich im September auf Jahressicht auf 1,8 Prozent verlangsamt. Somit ist die Inflationsrate auf den tiefsten Stand seit Sommer 2021 gefallen. Damit liegt sie unter dem Inflationsziel der Zentralbank von 2,0 Prozent – wäre da nicht die sogenannte Kerninflation. Diese, um volatile Energie- und Lebensmittelpreise bereinigte Rate, liegt mit 2,7 Prozent noch immer über der Zielmarke, weshalb die EZB weiter auf der Bremse steht.
Lagarde erklärte in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, dass man sich „auf Kurs befindet bei der Inflationsbekämpfung“. Die aktuelle Inflation und deren Dynamik gebe Anlass zur Hoffnung, was zeige, dass die Geldpolitik gewirkt habe. Lagarde verwies aber auch darauf, dass die Inflation zum Jahresende noch einmal anziehen werde. Grund dafür seien Basiseffekte.
Auch die schwache Konjunktur im Euroraum nahm Lagarde in den Fokus. Sie sei ein weiterer Grund für die Zinssenkungen gewesen. Vor allem die deutsche Wirtschaft kommt nicht in Schwung, die lange Zeit das Zugpferd in der Eurozone war. Der Einkaufsmanagerindex der deutschen Industrie fiel im vergangenen Monat erneut, und steht bei 40,6 Punkten nun so tief wie seit September 2023 nicht mehr – in einer Zeit, die nicht durch externe Krisen überlagert wird. Doch auch europaweit ist das Wachstum schwach: Es lag im zweiten Quartal durchschnittlich nur bei 0,2 Prozent.
Analysten kaum überrascht von EZB
„Die schnelle dritte Zinssenkung seit Juni steht im Einklang mit den Rahmendaten. Die Euro-Inflationsrate ist unter zwei Prozent abgesackt und die Wachstumsprognosen gefallen. Der Rückgang der Inflation würde bei konstanten Zinsen die Realzinsen steigen lassen. Das wäre konjunkturpolitisch falsch. Daher ist diese Zinssenkung geldpolitisch gut begründet“, erklärte ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann.
„Die EZB drückt leicht aufs Tempo bei den Zinssenkungen. Sie zollt damit der enttäuschenden Konjunkturentwicklung im Euroraum und in Deutschland Tribut. Es handelt sich aber eher um einen vorsorglichen Schritt als um eine dringende Notwendigkeit“, sagte Ulrich Kater, Chefökonom der Deka.
Wie ist der Ausblick?
Die entscheidende Frage für viele Analysten war aber vielmehr, welchen Ausblick EZB-Chefin Christine Lagarde für die Zinsen geben würde. Der breite Markt erwartete im Vorfeld weitere Zinssenkungen in einem Korridor zwischen 2,0 und 2,5 Prozent in den nächsten zwölf Monaten. Das wären wohl mindestens drei Zinsschritte, wovon einer noch in diesem Jahr stattfinden könnte.
Lagarde bremste die Erwartungen in dieser Hinsicht. Sie werde keinen Zinspfad zeichnen, erklärte Lagarde. „Wir werden so lange restriktiv bleiben wie nötig, um unser Inflationsziel zu erreichen.“ Letztlich wiederholte die EZB-Präsidentin aber nur das, was sie seit vielen Monaten gebetsmühlenartig erklärt: dass die EZB „datenabhängig“ entscheiden werde, und zwar von Sitzung zu Sitzung.
So hatten es auch zahlreiche Analysten zuvor prognostiziert, unter anderem von Pimco und Vanguard. Diese lesen aus den Daten und Aussagen daher vor allem, dass der weitere Zinspfad vorhersehbarer wird. „Das Gesamtbild zu Inflation und Konjunktur bleibt bestehen und damit auch der weitere Zinspfad, der ab Dezember eher quartalsweise Lockerungen vorsieht. Kreditkonditionen, etwa bei Hypothekenkrediten werden kaum noch sinken, da sie die Entwicklung bei den Leitzinsen bereits Monate im Voraus vorweggenommen haben“, meint etwa Deka-Ökonom Ulrich Kater.
Banken und Versicherer wollen Zinssenkungspause
Je nachdem, in welche Ecke man schaut, sind die Erwartungen an die EZB unterschiedlich. Der Bankenverband BDB etwa, plädiert für eine Pause bei den Zinssenkungen – wohl auch, weil Banken von höheren Zinsen profitieren. Ähnliches hört man vom Versicherungsverband GDV, dessen Geschäftsführer Jörg Asmussen vor einer möglichen Eskalation im Nahen Osten sowie hohen Dienstleistungspreisen warnt.
Auf der anderen Seite weist Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen IMK-Institut auf den hohen Investitionsbedarf hin, den die EZB durch die weiterhin restriktive Geldpolitik unterdrücke. „Damit verhindert die Geldpolitik dringend erforderliche Investitionen in die Dekarbonisierung sowie Produkt- und Prozessinnovationen, die die Unternehmen benötigen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.“
Märkte kaum interessiert
Die Aktienmärkte reagierten zunächst kaum bis leicht positiv auf die Zinssenkung – wohl auch, weil sie diese überwiegend eingepreist hatten. Der Dax kletterte nach der Bekanntgabe um 0,2 Prozent nach oben, der französische CAC 40 um 0,18 Prozent.