Die Fed senkt die Zinsen um 0,5 Prozentpunkte und läutet damit eine Zinssenkungsphase ein. Der Dax springt daraufhin zum ersten Mal über 19.000 Punkte. Doch es gibt auch Verlierer.
Trump oder Harris?
Der Zinsschritt dürfte eher Kamala Harris nutzen als ihrem republikanischen Kontrahenten. Donald Trump witterte denn auch gleich eine Verschwörung und unterstellte der Fed "ein politisches Spiel" zu spielen. Er hatte schon früher die Unabhängigkeit der Notenbank infrage gestellt. Dabei ist Fed-Präsident Jerome Powell Republikaner.
Trump hat aber auch noch eine andere Erklärung für die Zinssenkung: Sie sei ein Zeichen dafür, wie schlecht es um die US-Wirtschaft bestellt sei. Eine schwache Wirtschaft, so das Kalkül, würde seine Wahlchancen erhöhen. Schließlich wird dem Republikaner in der Wirtschaftspolitik mehr zugetraut als der Demokratin.
Klar ist, die niedrigeren Zinsen dürften der Konjunktur zugutekommen. Wenn die US-Wirtschaft nicht in eine Rezession abrutscht, ist das gut für Vizepräsidentin Harris und die Demokraten. Auf die Wirtschaft kommt es an, wusste schon der frühere Präsident Bill Clinton. Geht es den Leuten gut, zahlt das auf das Konto der Regierung ein. Harris begrüßte den Zinsschritt und versprach, dass sie sich als Präsidentin nicht in die Belange der Notenbank einmischen werde. Zugleich kündigte sie an, als Präsidentin die Inflation zu bekämpfen: "Ich weiß, dass die Preise für viele Mittelschicht- und Arbeiterfamilien immer noch zu hoch sind."
Trotzdem stellt sich die Frage, wie groß der Einfluss der Zinssenkung auf den Wahlkampf sein wird. Die USA sind tief gespalten. Glühende Trump-Anhänger werden ihre Wahlentscheidung kaum vom Auf und Ab der Konjunktur abhängig machen.
Wie entwickelt sich die Konjunktur?
Die Sorgen um die US-Konjunktur sind zuletzt größer geworden. Sogar Rezessionsängste gingen um, was die Neigung der Notenbank zu einer deutlichen Zinssenkung verstärkt haben dürfte. Entscheidend sei aber vor allem die Lage am Arbeitsmarkt gewesen, meint Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. Die Rezessionsängste hält er aber für übertrieben. "Zwar zeigen die Arbeitsmarktdaten eine deutliche Abkühlung mit geringerem Beschäftigungswachstum und weniger offenen Stellen, doch eine Rezession ist nicht in Aussicht."
Ähnlich äußerte sich Thomas Altmann, Portfoliomanager von QC Partners: "Ihre Jahresendprognose für die US-Arbeitslosenrate hat die Fed von 4,0 Prozent im Juni auf jetzt 4,4 Prozent erhöht. Das dürfte der entscheidende Beweggrund für den heutigen großen Zinsschritt gewesen sein." Geht die Rechnung auf, springt die Konjunktur an und die Unternehmen stellen wieder mehr Menschen ein.
Ein Fragezeichen steht hinter der Inflation. "Die Notenbank wird die Inflation genau im Auge behalten, die zuletzt aufgrund der Energiepreisentwicklung deutlich gesunken ist, im großen Dienstleistungssektor der US-Wirtschaft aber keinesfalls auf dem Zielniveau der Notenbank liegt", sagte Heise.
Kredite für Verbraucher und Firmen werden billiger
Für Unternehmen bedeutet die Zinssenkung eine Entlastung: Die Zinskosten für kürzerfristige Kredite würden sinken, sagte Heise. Davon profitieren Unternehmen, die in neue Maschinen investieren oder eine neue Software anschaffen, weil sich die Kredite verbilligen. Auf Verbraucherseite gilt das für den Kauf eines Hauses oder eines Autos. Auch hier könnte es nach der Zinssenkung günstigere Konditionen geben.
ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sieht auch positive Effekte für deutsche Unternehmen. "Das starke Eingreifen der Fed erhöht die Chance, dass die US-Wirtschaft eine sanfte Landung hinlegen wird", sagte der Ökonom der Nachrichtenagentur Reuters. "Das wäre auch für die deutsche Wirtschaft eine gute Nachricht, denn knapp zehn Prozent unserer Exporte gehen in die USA." Niedrigere Zinsen und eine nur leichte Konjunkturdelle sollten die Nachfrage nach deutschen Autos und anderen Konsumgütern stärken.
Wie reagieren Dax, Wall Street und Anleger?
Der Ausschlag an den Börsen in den USA nach der Zinssenkung fiel zunächst gering aus. In Deutschland stieg der Dax jedoch zum ersten Mal über die Marke von 19.000 Punkten. Rohstoffe wie Öl und Kupfer verteuerten sich. Der Grund: Zieht die Konjunktur an, wächst auch die Nachfrage nach diesen Rohstoffen. Auch der Goldkurs zog weiter an, Gold ist damit mehr wert. Das Edelmetall selbst schafft keine Erträge, sein Preis steigt aber normalerweise bei sinkenden Zinsen.
Anleihen und Aktien
Ansonsten hilft ein Blick in die Vergangenheit. Kapitalmarktanalyst Pascal Kielkopf von HQ Trust hat 17 Zinssenkungsphasen der US-Notenbank Fed seit dem Jahr 1973 untersucht. Bei Anleihen sei das Bild eindeutig: Im Schnitt hätten sie ein Plus von 10,8 Prozent verzeichnet. Anders sieht es bei Aktien aus, die im Schnitt nur um 0,4 Prozent zulegten. "Die Spannen fielen aber teilweise extrem aus: Während die Aktien in der Finanzkrise fast 40 Prozent verloren, konnten sie Anfang der 1990er-Jahre um 45 Prozent zulegen", so Kielkopf.
Im Durchschnitt konnten Anleger also mit Anleihen in Zinssenkungsphasen mehr verdienen als mit Aktien. "Legten die Aktien aber zu, gewannen Investoren mit ihnen in sechs von sieben Fällen mehr als mit Anleihen", hat der Experte herausgefunden.
Am besten schnitten in Phasen sinkender Zinsen defensive Branchen ab, also Aktien von Nahrungsmittelherstellern oder Körperpflegeprodukten. Das hat eine andere Analyse von HQ Trust ergeben. Techaktien gehörten in der Vergangenheit dagegen nicht zu den Überperformern in solchen Phasen.