Tierbilder, die mit Künstlicher Intelligenz erzeugt wurden, überfluten das Internet und die sozialen Medien. Das schadet dem Artenschutz und verkauft Menschen für dumm.
KI-generierte Bilder überschwemmen aktuell das Internet und die gängigen sogenannten Fotostock-Datenbanken ("Stockfotos" sind auf Vorrat produzierte Bilder, der Begriff kommt aus dem Englischen: " to have in stock" – "auf Lager haben"). Beim Marktführer Adobe Stock etwa machen KI-erzeugte Inhalte, kaum zwei Jahre nach ihrer Einführung, bereits 36,9 Prozent aller dort verfügbaren Stockmedien aus: 234,7 Millionen von insgesamt 636,5 Millionen Bildern.
Bei Tier- und Wildlife-Fotos ist die Entwicklung sogar noch extremer. Adobe Stock bietet aktuell rund 44,1 Millionen Tierbilder an – davon sind fast die Hälfte KI-generiert. Die Verlockung, solche Bilder zu verwenden, ist in allen Bereichen groß. Selbst die seltensten und ausgefallensten Tierarten lassen sich per KI aus allen wünschenswerten Winkeln in passender Pose und Szenerie abbilden.
Bei der Roten Röhrenspinne scheitert die Künstliche Intelligenz an der richtigen Farbverteilung. Das Männchen hat tatsächlich einen roten Hinterleib mit vier schwarzen Punkten und weiße Streifen an den Beinen (links). Die KI schuf eine Spinne mit rotem Vorderkörper und schwarzem Hinterleib mit weißem Streifen (rechts). Die Augen sind zu groß und entsprechen eher denen einer Springspinne
© Matthias Neumann / schaum.cc
Spektakuläre Tieraufnahmen, für die Wildtierfotografen mit (kosten-) aufwendiger Technik oft wochenlang auf der Lauer liegen, können jetzt in wenigen Minuten am Computer erstellt werden – so zumindest der Anschein.
Künstliche Intelligenz: Tierbilder sehen täuschend echt aus, sind aber total fake
Das Problem: Generative KIs sind häufig noch gar nicht in der Lage, Arten realistisch darzustellen. Wichtige arttypische Merkmale gehen verloren, oder die Darstellungen geraten völlig an der Realität vorbei. Bereits vor zwei Jahren ging das Foto eines bunten Pfauenkükens auf Twitter viral, das durch KI generiert worden war. Die meisten Nutzer hielten das bunte Küken für echt. Tatsächlich sind junge Pfaue zur Tarnung jedoch braun gefärbt, erst die erwachsenen Männchen entwickeln die für die Art typischen, bunt schillernden Federn mit Pfauenaugen.
"Es ist wichtig, solche Bilder auch eindeutig zu kennzeichnen", plädiert Hannes Petrischak, Artenexperte bei der Heinz Sielmann Stiftung und selbst Tierfotograf. Denn viele KI-Bilder sehen täuschend echt aus und sind von Laien nicht mehr als Fake zu identifizieren, obwohl die Fehler oft eklatant sind.
Experten der Heinz Sielmann Stiftung warnen vor unkritischer Nutzung
Zur Anschauung des Problems hat die Stiftung testweise Bilder gut identifizierbarer Tierarten durch eine führende KI-Bildsoftware (Midjourney) generieren lassen und sie echten, professionellen Tierfotos gegenübergestellt. Die KI erzeugte perfekte Bilder, die aber mit der Realität wenig oder nichts gemein haben.
Zu schön, um wahr zu seinen: Die Künstliche Intelligenz neigt zur Gefälligkeit. Die originale Gelbbauchunke (Bild links) ist mit Schlammspritzern bedeckt, auf dem KI-Bild (rechts) erscheint sie unnatürlich sauber – wie mit Wasser abgewaschen. Aus der herzförmigen Unken-Pupille wurde eine ovale Pupille, wie sie viele Frösche besitzen, auch sonst wirkt die KI-Unke eher wie ein Frosch. Die typische gelbe Warnfärbung findet sich im Original nur auf der Bauchunterseite, im KI-Bild auch auf den Fingern
© Matthias Neumann / schaum.cc
"Eine Gelbbauchunke sieht nicht sauber aus, wie mit einer Dusche abgebraust, sondern sie ist nun mal auch mit Schlamm bedeckt, weil sie am Rand von kleinen Gewässern lebt", sagt Petrischak. Auch das Schuppenkleid einer Eidechse oder das Fell eines Wildpferdes präsentiert die Künstliche Intelligenz in absoluter Perfektion. Das nimmt den Bildern nicht nur ihre Natürlichkeit und den einzelnen Tieren einen Teil ihrer Identität – gerade solche vermeintlichen Makel sagen ganz viel über die realen Umweltbedingungen und die Lebensweise der Arten aus. "Ein Foto aus der Natur hat einen ganz großen ökologischen oder verhaltensbiologischen Wert. Es zeigt ein Tier in einer ganz bestimmten Situation mit seinem typischen Verhalten und erzählt eine Geschichte", sagt Petrischak.
Manchmal schönt die KI nicht nur, sondern produziert falsche Details, wie etwa überzählige Beine oder zu lange Fühler bei Insekten. "Dass eine Libelle kurze Fühler hat, weiß die KI nicht. Stattdessen nimmt sie die Fühler von anderen Insekten mit durchschnittlich längeren Fühlern als Maßstab", sagt der Biologe Petrischak. Oder: Die Pupillen der einheimischen Gelbbauchunke sehen plötzlich im KI-Bild nicht mehr herzförmig aus, wie es korrekt wäre, sondern rund, wie bei vielen anderen Amphibienarten.
Beim Wiedehopf wiederum, einem Vogel mit auffälligem Federkamm auf dem Kopf, produziert die KI einen zu kurzen Schnabel und verteilt die Farben auf den Federn falsch. Würden solche Bilder in der Werbung verwendet, sei gar nichts dagegen einzuwenden, sagt Petrischak, aber in einem Artikel, der auch fachliche Inhalte vermittelt, hätten sie nichts zu suchen.
Der Warzenbeißer, eine fleischfressende Schreckenart, hat einen gebogenen Rücken und einen stachelförmigen Fortsatz am Hinterleib (Bild links). Die KI machte den Rücken gerade und entfernte den "Stachel", zudem fügte sie ein siebtes Bein ein, das scheinbar am Kopf entspringt (Bild rechts)
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"Das hat dann nichts mehr mit der Realität zu tun, sondern ist gewissermaßen Kunst, wie wenn ein Maler ein Tier nach seinen Vorstellungen malt", sagt Petrischak. Gerade bei Tierarten, von denen es nicht viele reale Aufnahmen gibt, produziert die KI oft Fehler, denn ihr fehlen die Vergleichsdaten. Trotz Künstlicher Intelligenz bleibe die Aufgabe von Naturfotografen also wichtig, vor allem, wenn es um bislang selten fotografierte Tierarten gehe.
Gerade in Zeiten, in denen viele Arten für immer zu verschwinden drohen, sei es wichtig, ein reales Abbild der Natur zu geben, sagt Petrischak: "Wenn aber etwa auf einem KI-generierten Bild mit Sommerflieder ganze viele Tagpfauenaugen sitzen, dann denken die Leute: Ist doch alles in Ordnung mit den Schmetterlingen." Wenn wir nur noch in digitalen Welten unterwegs seien, verlören wir den Bezug zur realen Welt. "Es lohnt sich, draußen genau hinzuschauen."