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Ein Zukunftsfonds und Gehaltsverzicht: IG Metall und Betriebsrat haben ihr Zukunftskonzept für Volkswagen vorgelegt. Experten sehen das als wichtigen Schritt. Doch der Weg zu einer Einigung ist noch lang.
1,5 Milliarden an Gehaltseinsparungen. Ein entsprechendes Angebot hat der Volkswagen Konzernbetriebsrat und die IG Metall dem in der Krise steckenden Wolfsburger Autobauer am Mittwoch gemacht. Doch reicht das Angebot aus?
Die 1,5 Milliarden Euro an Einsparungen sollen laut dem Plan der Arbeitnehmerseite durch eine Aussetzung der kommenden Tariferhöhung zustande kommen. Voraussetzung wäre, dass die Sozialpartner in der laufenden Tarifrunde um den VW-Haustarif den jüngsten Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie übernehmen, der eine Erhöhung um insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen vorsieht. Das Geld soll dann in einen Zukunftsfonds fließen.
Zukunftsfonds soll Standortschließungen verhindern
Aus dem Zukunftsfonds sollen nach dem Willen von IG Metall und Betriebsrat dann Arbeitszeitverkürzungen an nicht ausgelasteten Standorten finanziert werden, um dort Stellenabbau zu vermeiden. Anders als in der Krise 1993, als VW eine Vier-Tage-Woche einführte, gehe es aber nicht darum, die Arbeitszeit generell an allen Standorten abzusenken. Vorgeschlagen werde vielmehr ein solidarischer Fonds, der flexibel eingesetzt werden könne, um Entlassungen an bedrohten Standorten zu verhindern.
Auch dadurch könnte Volkswagen erheblich Geld sparen, sagte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger, da man sich Abfindungen und Kosten für Werksschließungen spare. Zudem sollen auch die Manager auf ihre Boni verzichten und diese in den Fonds einzahlen. Im Gegenzug soll Volkswagen auf Werksschließungen verzichten. Laut Konzernbetriebsrat stehen aktuell mindestens drei Werke in Deutschland auf der Kippe.
Karte: Deutschland mit VW-Werk-Standorten und Beschäftigtenzahlen
Expertin: IG-Metall-Angebot "bedeutender Schritt"
Volkswagen selbst hat die nötigen Einsparungen bereits im vergangenen Jahr auf zehn Milliarden Euro bis 2026 beziffert - und will deshab, dass alle Beschäftigten pauschal auf zehn Prozent ihres Lohns verzichten. Am Mittwoch reagierte Volkswagen-Personalvorstand Gunnar Kilian verhalten auf den Vorstoß der Arbeitnehmerseite: "Zunächst begrüßen wir es, dass die Mitbestimmung Offenheit für Maßnahmen bei Arbeitskosten und Kapazitätsanpassungen signalisiert", sagte er laut einer Mitteilung. "Jeder Vorschlag hilft, der einen Beitrag zur Zielerreichung leistet." Die konkreten Vorschläge müsse man nun aber zunächst finanziell bewerten. Bei der Tarifrunde am Donnerstag wolle man dazu "in einen detaillierteren Austausch gehen". Werksschließungen wollte er weiter nicht ausschließen.
Von Expertenseite kommt am Mittwoch dennoch überwiegend Lob für das Angebot von Gewerkschaft und Betriebsrat. Helena Wisbert, Direktorin des Center Automotive Research (CAR), nennt das Angebot im Gespräch mit tagesschau.de einen "bedeutenden Schritt, um eine Konsensfindung hinzubekommen". Jetzt sei die Konzernseite gefragt, darauf zu reagieren. Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) sagte dem NDR: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung." Die Gewerkschaften hätten erkannt, "dass man sparen und die Kosten senken müsse und dass auch die Beschäftigten einen Teil dazu beitragen müssen".
Rettung aller Werke unklar
Bratzel findet auch die Idee der Manager-Beteiligung an dem Fonds gut: "Es müssen alle ihren Beitrag leisten. Auch die Vorstandsebene, die Verwaltung, die Entwicklung. Die Beteiligung der Vorstandsebene ist ein wichtiges Signal in Richtung Belegschaft und Gewerkschaft."
Ob sich die IG Metall in diesen Gesprächen mit ihrer Forderung nach Standorterhalt durchsetzen kann? Immerhin ist das ihre Kernforderung im Gegenzug für den Lohnverzicht. CAR-Direktorin Helena Wisbert ist skeptisch: "Es sind Überkapazitäten da, da ist nicht dran zu rütteln. Wir haben vier Werke in Deutschland, die mit einem ganz anderen Absatzniveau geplant wurden." Gerade bei den Werken, in denen Verbrennern hergestellt werden, sei die Perspektive noch einmal unklarer: "Wenn der E-Autoabsatz anzieht, können sich die Standorte, an denen die Elektroautos hergestellt werden, wieder positiv entwickeln. Bei Verbrennerwerken ist das eine andere Lage."
Es braucht Geld für massive Investitionen
Bratzel und Wisbert sehen aber auch den Konzern in der Pflicht, strategisch nachzubessern. "Ich würde den Gewerkschaften recht geben, dass man einen Zukunftsplan braucht und sich überlegen muss, mit welchen Produkten man künftig erfolgreich sein will. Ich denke, man muss ein realistisches Zielbild bis 2035 entwerfen", sagt Automobilexperte Bratzel. Um das zu schaffen, müsse der Konzern sehr viel Geld investieren - und flexibel bleiben.
Auch Wisbert sagt: "Bei VW geht es um die Sicherstellung des operativen Geschäfts. Deswegen müssen Milliarden für Digitalisierung und Elektrifizierung investiert werden." Zwar sei auf Konzernebene noch immer ein Milliardengewinn da, aber auf Markenebene nicht mehr. Der angedachte Zukunftsfonds könnte da wichtige Mittel bereitstellen, je nachdem wie er ausgestaltet werde.
Hintergrund ist, dass die Gewerkschaft und der Betriebsrat nicht nur Zugeständnisse in Sachen Lohn angeboten, sondern auch ein eigenes Zukunftskonzept entwickelt haben - den "Masterplan 2025 - 2030 - 2035". Darin findet sich neben der Forderung, dass Volkswagen wieder Technologieführer werden müsse, auch die nach günstigeren E-Auto-Modellen. Zudem soll es durch bessere Zusammenarbeit der Marken auch mehr Synergien und damit Kostenersparnisse geben.
Verhandlungen werden noch hart
Die Forderungen der Gewerkschaft treffen im Konzern durchaus auf offenen Ohren: "Tatsächlich ist Volkswagen den Forderungen der Gewerkschaft hier in einem Teil schon entgegen gekommen - und hat den Preis des ID3, des kleinen Elektroautos, mit einer 'Umweltprämie' auf unter 30.000 Euro gesenkt", sagt Autoexpertin Wisbert.
Doch allen Beobachtern ist klar: Das Angebot ist noch nicht der Durchbruch, sondern nur ein Schritt im Ringen um den künftigen Kurs von Volkswagen. Zu hart sind die Fronten derzeit, zu weit liegt man noch auseinander. Frank Schwope, Lehrbeauftragter Automotive Management an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Hannover, sieht gar noch "Marathonverhandlungen" auf Gewerkschafts- und Konzernseite zukommen. "Bis wir eine Einigung haben, werden sicher noch Wochen, wenn nicht gar Monate vergehen", sagt er dem NDR. Der Grund liege auf der Hand: Niemand gehe bereits so früh mit einem Maximalangebot in eine Verhandlung.