
Die Gesundheitskosten steigen, die gesetzlichen Krankenkassen steuern auf eine Finanzkrise zu. Für 2025 erwarten Experten eine Lücke von fast 14 Milliarden Euro, die Beiträge zur Krankenversicherung dürften steigen. Was treibt die Kosten in die Höhe?
Lebensmittel, Strom, Miete - das tägliche Leben ist in den letzten Jahren deutlich teurer geworden. Doch auch vor den Krankenhaustüren machen die steigenden Kosten keinen Halt. Für die Krankenkassen in Deutschland hat das enorme Folgen: Das Defizit der gesetzlichen Krankenversicherungen ist stark gewachsen, die finanziellen Rücklagen bereits nahezu aufgebraucht.
Die 75 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland müssen sich auf steigende Beiträge einstellen: Eine massive Finanzierungslücke von 14 Milliarden Euro gilt es zu decken. Deutschlands größte Krankenkasse ist die Techniker Krankenkasse (TK) mit 11,7 Millionen Versicherten. TK-Chef Jens Baas warnte zuletzt bereits vor einem "Beitragsschock" für Versicherte.
Die Barmer GEK ist mit knapp 8,5 Millionen Versicherten die zweitgrößte gesetzliche Krankenkasse. Die DAK Gesundheit folgt mit 5,5 Millionen Versicherten. Die Aussichten sind überall ähnlich, die steigenden Kosten treffen große und kleinere Anbieter gleichermaßen: Nahezu alle gesetzlichen Kassen, heißt es, werden ihre Beiträge kräftig anheben müssen.
Was geht bei den Kassen am meisten ins Geld? Den mit Abstand größten Kostenpunkt bilden die Behandlungen im Krankenhaus, wie aus öffentlich verfügbaren Daten hervorgeht. Am Beispiel des Kassenschwergewichts TK sehen die drei größten Posten auf der Rechnung so aus: Im vergangenen Jahr mussten dort für jeden TK-Versicherten im Schnitt insgesamt 978,12 Euro für Krankenhausbehandlungen aufgewendet werden. 630,17 Euro kosteten die einfachen ärztlichen Behandlungen im Schnitt pro Jahr. Und 587,15 Euro zahlt die Kasse durchschnittlich für die Medikamente eines Versicherten.
Beim Blick auf die Trends zum Vorjahr stechen zwei Ausgabeblöcke besonders ins Auge: Die Aufwendungen für Arzneimittel und Klinik-Aufenthalte sind zuletzt deutlich stärker angestiegen als in den Vorjahren. Die Entwicklung alarmiert längst auch das Bundesministerium für Gesundheit: Im ersten Halbjahr 2024 hätten die Kosten für Krankenhausbehandlungen bundesweit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,9 Prozent angezogen, heißt es aus Berlin. Maßgeblicher Treiber seien zunehmende Patientenzahlen und wachsende Personalausgaben.
Für Arzneimittel gaben die Krankenkassen demnach 2,5 Milliarden Euro mehr aus als im Vorjahr – ein Anstieg von 10 Prozent, auch bedingt durch den Wegfall eines Sonderrabattes. Als besonders kostspielig erwiesen sich Medikamente für spezielle Behandlungen, deren Kosten im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent wuchsen.
Der anschwellenden Kostenlasten zeichnen sich schon seit Jahren ab. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 lagen die Gesamtausgaben der Kassen für die Gesundheit in Deutschland noch bei 3785 Euro pro Person. Zehn Jahre später sind es bereits 5939 Euro. Das entspricht einem Anstieg der Gesundheitskosten um 56,9 Prozent.
Interne und externe Experten halten die Finanzlage im Gesundheitssektor genau im Blick: Die Gesamtausgaben der deutschen Krankenkassen prognostiziert der dafür eingesetzte Schätzerkreis für das kommende Jahr auf 341,4 Milliarden Euro, während Einnahmen von 294,7 Milliarden Euro erwartet werden. Daraus ergibt sich zur Kostendeckung eine nötige Anhebung des Zusatzbeitrags um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent.
Unbegrenzt anheben lassen sich die Beitragssätze nicht. Schon jetzt weht den Befürwortern kalter Wind entgegen: Die Finanzierungslücke der GEKs einfach mit höheren Beiträgen für Versicherte zu kompensieren, sieht nicht nur der Sozialverband VdK kritisch. Präsidentin Verena Bentele beschreibt die Pläne als ein "Desaster". Die Mehrheit der Menschen in Deutschland werde unverhältnismäßig stark belastet, die Finanzierungsprobleme der Kassen würden auf die Versicherten abgewälzt.
Wer übernimmt die Beiträge für sozial Schwache?
Gleichzeitig beklagen gesetzliche Krankenkassen, dass sich der Staat aus der Verantwortung zieht. AOK-Vorstandschefin Carola Reimann sprach von einem "sozialpolitischen Skandal, dass der Lückenschluss allein den Beitragszahlenden aufgehalst wird und gleichzeitig die Finanzierungsverantwortung des Bundes bei der Refinanzierung der Gesundheitskosten von Bürgergeld-Beziehern ignoriert wird".
Konkret geht es darum, dass die Beiträge, die der Staat für Bürgergeldempfänger an die gesetzlichen Krankenversicherungen zahlt, nicht erhöht wurden. Aktuell decken diese staatlichen Zahlungen laut TK nur etwa ein Drittel der tatsächlichen Gesundheitskosten in dieser Versichertengruppe - die verbleibenden Kosten müssen die Krankenkassen aus anderen Mitteln finanzieren. Die TK spricht diesbezüglich von einem Versäumnis der Ampelregierung, wichtige Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag nicht umgesetzt zu haben, um die Kassen finanziell zu entlasten.
Die Techniker Krankenkasse will noch im Dezember entscheiden, wie hoch die Zusatzbeiträge im kommenden Jahr angepasst werden müssen. Ziel sei es, so erklärte es TK-Chef Baas im Gespräch mit der "Rheinischen Post", auf jeden Fall unter dem Durchschnitt zu bleiben und in Deutschland zu den günstigeren Kassen zu zählen.