Im sächsischen Landtag gibt es in der ersten Sitzung kein so großes Hickhack wie in Thüringen. Aber auch dort ist nicht alles Routine. Der Landtagspräsident und zwei Vize werden zwar direkt gewählt. Die Kandidaten von BSW und SPD müssen jedoch in weitere Wahlgänge.
Nachdem der Präsident des neuen sächsischen Landtags, Alexander Dierks, mit deutlicher Mehrheit direkt in sein Amt gewählt wurde, hat es bei seinen Stellvertretern einige Anläufe gebraucht. Nachdem CDU-Politikerin Ines Saborowski (95 von 120 Stimmen) und der AfD-Abgeordnete André Wendt (84 Stimmen) die Wahl zur Ersten Vizepräsidentin beziehungsweise zum Zweiten Vizepräsidenten souverän im ersten Anlauf schafften, fielen die Kandidaten vom Bündnis Sahra Wagenknecht und der SPD zunächst durch.
Jörg Scheibe vom BSW kam im ersten Wahlgang auf 59 Stimmen, 50 Parlamentarier stimmten gegen ihn, 9 enthielten sich. Eine Stimme war ungültig. Benötigt hätte er 61 Stimmen. SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas bekam zunächst sogar nur 48 Stimmen. 60 votierten gegen ihn, 10 enthielten sich.
Während Scheibe erst im zweiten Wahlgang die nötige Mehrheit erreichte, musste Pallas sogar in einen dritten gehen. Im zweiten Wahlgang hatte er 59 Stimmen erreicht, im dritten reichten ihm dann 60, weil dann die einfache Mehrheit zählt.
Misstrauen möglicher Koalitionspartner
Die Wahl von stellvertretenden Parlamentsvorsitzenden ist üblicherweise eher Routine, die Hintergründe des Abstimmungsverhaltens waren zunächst unklar. Überraschend ist das Zwischenergebnis schon deshalb, weil die möglichen Koalitionäre einer neuen Regierung in Sachsen - CDU, BSW und SPD - im Parlament zusammen über 66 Stimmen verfügen.
Zuvor hatte der Landtag mit großer Mehrheit eine neue Geschäftsordnung mit mehreren Änderungen beschlossen. Den Antrag dazu hatten CDU, BSW und SPD gemeinsam gestellt. Zuvor hatte es fraktionsübergreifende Gespräche mit allen Parteien gegeben. Eine der Neuerungen betraf die Anhebung der Zahl der Vize-Landtagspräsidenten von bisher drei auf vier. Dies hatte die SPD gefordert und damit reichlich Kritik aus anderen Fraktionen geerntet. Die spiegelte sich dann im Abstimmungsergebnis zu Pallas offenbar wider.
Dierks, der 97 Stimmen der 119 anwesenden Parlamentarier erhielt, rief die Abgeordneten nach seiner Wahl zum verantwortungsbewussten Umgang mit ihren Mandaten auf. Parlamente könnten den Beweis dafür erbringen, dass Demokratien die aktuellen gesellschaftlichen Konflikte durch Kompromisse lösen könnten, sagte er in seiner Antrittsrede. Demokratie sei mehr als nur ein "mathematisches Zählverfahren zur Feststellung der Mehrheit".
Im insgesamt 120 Abgeordnete zählenden neuen sächsischen Landtag sind sechs Parteien in Fraktionsstärke vertreten. Neben der CDU sind dies die AfD, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die SPD, die Grünen und die Linke. Dazu kommt noch ein Abgeordneter der Freien Wähler, der ein Direktmandat gewann.