Präsident Kais Saied ist seit 2019 in Tunesien an der Macht. Unter seiner Regierung schwindet die Demokratie in dem nordafrikanischen Land. Jetzt bewirbt sich Saied für eine zweite Amtszeit. Diese ist ihm so gut wie sicher. Echte Konkurrenz hat der 66-Jährige nicht.
Bei den Präsidentschaftswahlen im spannungsgeladenen Tunesien bewirbt sich der umstrittene Amtsinhaber Kais Saied um die Wiederwahl. Der 66-Jährige tritt gegen zwei Gegenkandidaten an - seinen ehemaligen Verbündeten und nun Kritiker, den Führer der Chaab-Partei Zouhair Maghzaoui, und Ayachi Zammel. Diesem wurden Chancen als Herausforderer Saieds eingeräumt, bis er vergangenen Monat verhaftet und inzwischen zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Er soll Unterschriften für seine Wahl gefälscht haben.
Sein Wahlkampf-Team weist das zurück und beschuldigt die Behörden, Zammels Kandidatur verhindern zu wollen. Die Wahllokale haben bis 18 Uhr Ortszeit (19 Uhr MESZ) geöffnet. Ergebnisse werden in den kommenden zwei Tagen erwartet. Die Lage in dem nordafrikanischen Land ist angespannt, seit eine von Saied eingesetzte Wahlkommission unter Protesten der Opposition drei weitere Präsidentschaftskandidaten nicht zur Wahl zugelassen hat.
Das Land galt lange als das einzige, das aus der Auflehnung der Bevölkerung gegen autoritäre Regime in der Region, dem sogenannten Arabischen Frühling von 2011, als Demokratie hervorging. Saied ist seit 2019 an der Macht und hat diese seitdem eingeschränkt. 2021 löste er das Parlament auf, was die Opposition als Staatsstreich bezeichnete. Danach ließ er die Verfassung ändern, die ihm nun mehr Macht zuschreibt. Saied weist die Kritik zurück und sagt, er kämpfe gegen eine korrupte Elite.
"Die Situation ist beschämend"
Vergangene Woche verabschiedeten Saied-treue Abgeordnete ein Gesetz, das dem Verwaltungsgericht die Befugnis über Wahlstreitigkeiten entzieht. Dieses Gericht gilt als letzte unabhängige juristische Instanz des Landes, nachdem der Präsident 2022 den Obersten Justizrat auflöste und Dutzende Richter entließ.
Bei den Parlamentswahlen 2023 lag die Wahlbeteiligung bei nur noch elf Prozent. "Die Situation ist beschämend", sagt der Bankangestellte Wael, der nur seinen Vornamen nennen wollte. "Journalisten und Gegner im Gefängnis, einschließlich eines Präsidentschaftskandidaten. Aber ich werde für Veränderung stimmen."
Doch der Amtsinhaber genießt auch Unterstützung: "Saied ist der erste Präsident, der korrupte Politiker und einflussreiche Geschäftsleute bekämpft hat", sagt Obstverkäufer Salem Lahmar. "Also werden wir ihn wählen." Tunesiens Wirtschaft ist angeschlagen, obwohl die Tourismuseinnahmen steigen und es finanzielle Hilfe von europäischen Ländern gibt, die die Migration eindämmen wollen. Immer wieder gibt es Engpässe bei Lebensmitteln und Ausfälle bei der Strom- und Wasserversorgung.