Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA erreicht die heiße Phase: Am 5. November entscheiden die Amerikaner, wer die Nachfolge von Joe Biden antritt und im Weißen Haus die Macht übernimmt. Wie steht Donald Trump kurz vor dem Wahltermin in den Umfragen da? Kann Kamala Harris ihren frühen Vorsprung halten?
Der Wahlkampf um das Präsidentenamt in den USA läuft auf vollen Touren. Bei dem landesweiten Votum am 5. November geht es nach dem Verzicht von Amtsinhaber Joe Biden auf eine erneute Kandidatur nicht nur um die Frage, wer für die kommenden vier Jahre ins Weiße Haus einziehen wird, sondern um die Ausrichtung der US-Demokratie insgesamt: Wer kann sich die meisten Stimmen im "Electoral College" sichern - die derzeitige Vizepräsidentin Kamala Harris von den Demokraten oder der Republikaner und Ex-Präsident Donald Trump? Zugleich wird in den politisch tief gespaltenen Vereinigten Staaten auch über die Zukunft der weltweit einflussreichsten Demokratie insgesamt abgestimmt.
Wie schneiden Harris und Trump wenige Tage vor dem Wahltermin ab? Kann die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris - ihren Vorsprung in der öffentlichen Meinung ausbauen? Deutliche Bewegungen zeichneten sich bereits in den Tagen nach dem viel beachteten TV-Duell vom 10. September. Ein Blick auf die ntv.de Infografik der gemittelten nationalen Umfragewerte zeigt die tagesaktuelle Entwicklung:
Hinweis: Die ntv.de Infografiken zur US-Wahl 2024 werden laufend aktualisiert.
Die Ergebnisse der zahlreichen US-Umfragen - hier in der Sammelauswertung des Analysehauses RealClearPolitics - sind der wichtigste Gradmesser für die politische Stimmung im Land. Täglich veröffentlichen Meinungsforscher in den USA neue Zwischenstände, basierend auf unterschiedlichen Befragungsmethoden, eigenen Fragestellungen oder eingegrenzten Zeiträumen.
Alle großen TV-Sender und Medienhäuser veröffentlichen eigene nationale Daten. Im Hintergrund nehmen dazu Dutzende Demoskopie-Institute laufend alle Strömungen und Ausschläge in der öffentlichen Meinung genau unter die Lupe. Welche Aussagen kommen bei den Wählern in welchem Lager gut oder schlecht an?
Analysiert werden zudem auch Zustimmungswerte in den verschiedenen sozialen Schichten, allen relevanten Altersgruppen, nach Geschlecht sowie nach ethnischen Zugehörigkeiten. Die erhobenen Daten erlauben auch Einblicke in die Strömungen in der öffentlichen Meinung in der Bevölkerung auf dem Land und in den Städten. Neben den Wahlkampfstrategen in den Kampagnen-Zentralen beider Parteien schauen auch internationale Beobachter genau auf jede neue Entwicklung.
Hinweis: Alle Entwicklungen zur US-Wahl hier bei ntv.de
Wie lässt sich in der Fülle der Umfragen ein belastbarer Trend erkennen? Aus europäischer Sicht reicht der Blick auf die Auswertung der gesammelten Umfrageergebnisse aus. Der unabhängige US-Spezialanbieter RealClearPolitics zum Beispiel analysiert in einer Art "Poll of Polls"-Ansatz mehr als 70 Erhebungen zur Lage im US-Wahlkampf und führt sie in einer einzelnen Linie zusammen. Daraus ergibt sich grobes, aber brauchbares Bild zur landesweiten Stimmung - so wie sie von den führenden Umfrageinstituten tagesaktuell ermittelt wird.
Enthalten sind darin nicht nur die Daten renommierter Umfrage-Institute wie Ipsos, Harvard Caps oder Rasmussen, sondern auch die Einschätzungen verschiedener Medienhäuser aus dem gesamten politischen Spektrum von CNN oder NBS bis Forbes oder Fox News, von der "New York Times" bis zur "Washington Post". Die Idee: Etwaige bewusste oder unbewusste Verzerrungen durch politische Standpunkte der Auftraggeber werden durch die breite Auswahl ausgeglichen.
Gewichtet nach Kriterien wie Methodik, Befragungszeitraum und nicht zuletzt auch der Teilnehmerzahl ergeben sich daraus unterschiedliche Momentaufnahmen, die in der Sammelauswertung zusammengeführt werden. Entscheidend dürfte die Stimmung vor allem in den sogenannten Swing States werden, also jenen Bundesstaaten, in denen weder Republikaner noch Demokraten bisher über eine klare Mehrheit verfügen. Weil sich die Bemühungen der Wahlkampfstrategen auf diese offenen, unentschiedenen Bundesstaaten konzentrieren, werden sie auch "Battleground States" genannt.
Stimmen im "Electoral College" auf Umfrage-Basis
Die Entwicklung der nationalen Umfragewerte liefert Hinweise zur politischen Stimmung im Land. Ein klarer Vorsprung in den Polls bedeutet jedoch noch lange keinen sicheren Wahlsieg. Verantwortlich dafür sind die Besonderheiten des US-Wahlsystems. Die US-Wähler stimmen nur indirekt darüber ab, ob Trump oder Harris das Präsidentenamt übernehmen wird.
Das US-Wahlrecht sieht für den Weg ins Weiße Haus ein gestaffeltes Votum vor: Die abgegebenen Stimmen entscheiden lediglich über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums ("Electoral College"), das anschließend den Präsidenten wählt. In 48 der 50 Bundesstaaten funktioniert das per festem Mandat: Der Kandidat, der sich die Mehrheit sichern kann, bekommt alle Wahlmänner-Stimmen des jeweiligen Bundesstaats zugesprochen.
Der Blick auf die Umfragewerte erlaubt - allem Aufwand zum Trotz - daher noch keine sichere Prognose. Entscheidend bleibt das Stimmverhalten der Wähler am Tag des Urnengangs - und bis dahin kann noch viel passieren.
Das Wahlkollegium besteht traditionell aus 538 Mitgliedern. Die Schwelle zur Mehrheit liegt bei 270 Stimmen. Die Anzahl der Wahlleute je Bundesstaat entspricht der Anzahl der Abgeordneten im US-Kongress, der sich wiederum aus Repräsentantenhaus und Senat zusammensetzt. Entscheidend sind aktuellen Einwohnerzahlen aus der Bevölkerungsstatistik, für die Wahl 2024 ist das der US-Census 2020.
Der zweistufige Wahlablauf über das Wahlkollegium kann erhebliche Unwuchten erzeugen. Ein Beispiel: Gewinnt ein Kandidat oder eine Kandidatin in Florida mit 50,1 Prozent der Stimmen, bekommt er die Stimmen aller 30 Wahlleute des Bundesstaats, die Mitbewerber gehen komplett leer aus - egal wie viele Menschen dort für sie gestimmt haben.
Politikwissenschaftler sprechen vom Prinzip "the winner takes all". Einzig in den beiden kleineren Bundesstaaten Nebraska und Maine werden die Stimmen der Wahlleute anteilig auf Basis kleinerer Wahldistrikte vergeben.
Dieses Wahlsystem kann dazu führen, dass ein Kandidat zwar deutlich weniger Stimmen ("Popular Vote") bekommt als die Mitbewerberin, aber dennoch die Mehrheit der Wahlleute ("Electoral Vote") gewinnt - und damit auch das Rennen um die Präsidentschaft. 2016 erhielt die demokratische Bewerberin Hillary Clinton insgesamt knapp 2,9 Millionen Stimmen mehr als Donald Trump - der dennoch Präsident wurde.
Um Präsident oder Präsidentin zu werden, muss ein Kandidat beziehungsweise eine Kandidatin landesweit die Stimmen von mindestens 270 Wahlleuten gewinnen. Die Anzahl der Wahlleute eines Bundesstaats entspricht der von dort entsandten Zahl der Senatoren und Kongressabgeordneten und richtet sich ungefähr nach der jeweiligen Einwohnerzahl.
Die meisten Stimmen im Wahlkollegium entfallen auf Kalifornien: Der mit Abstand bevölkerungsreichste Bundesstaat entsendet 54 der 538 Wahlpersonen. Das eher konservative Texas kommt auf 40 Stimmen, Florida auf 30. Das ländlich geprägte Wyoming und das ebenfalls dünn besiedelte Vermont stehen für jeweils 3 Stimmen im Wahlgremium.
Faktisch haben die Stimmen aus den kleineren Bundesstaaten - bezogen auf ihre Einwohnerzahlen - ein deutlich höheres Gewicht: In Wyoming kam ein Wahlmann bei der Wahl vor vier Jahren auf 135.000 Wählerinnen und Wähler, in Kalifornien waren es 411.000.
In der Mehrheit der Bundesstaaten lässt sich das Stimmverhalten der Bevölkerung recht gut vorhersagen. Dadurch kann die Wahlkarte der USA mit einiger Berechtigung schon im Vorfeld in voraussichtlich sichere Bundestaaten für Harris oder Trump einfärben. In dicht besiedelten Ballungsräumen wie Kalifornien oder New York zum Beispiel haben die Demokraten einen komfortablen Vorsprung.
Wirtschaftlich schwächere Bundesstaaten wie West-Virginia, Kentucky, Oklahoma oder Idaho dagegen gelten als Hochburgen der Republikaner. Entscheidend für die Wahl dürften daher jene Bundesstaaten sein, in denen die Wählerinnen und Wähler noch unentschlossen sind und in denen der Trend noch in die eine oder andere Richtung ausschlagen kann.
Auf diese auch "Battleground States" genannten Regionen konzentrieren sich die Wahlkampfstrategien beider Lager: Im Norden der USA sind das zum Beispiel Michigan mit 15 Wahlmännerstimmen und Wisconsin mit 10. Das ebenfalls noch offene Pennsylvania im Nordosten stellt sogar 19 Stimmen im Kollegium zur Wahl des US-Präsidenten. Nevada und Arizona im Westen kommen zusammen auf immerhin 17 Stimmen. In Virginia und North Carolina an der mittleren Atlantikküste sind zusammen 29 "Votes" zu holen.
Wie geht es nach dem Wahltag am 5. November weiter? Die Wahlleute stimmen formell 41 Tage nach der Präsidentenwahl ab, vor vier Jahren fiel dieser Termin auf den 14. Dezember. Das offizielle Ergebnis wird formell Anfang Januar im Kongress bekannt gegeben. Zu diesem Anlass kam es nach der Wahl 2020 zum Sturm gewaltbereiter Trump-Anhänger auf das Kapitol - das Zentrum der US-amerikanischen Gesetzgebung. Die Amtseinführung des künftigen Präsidenten oder der künftigen Präsidentin ist für den 20. Januar 2025 angesetzt.