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Kampf um Direktmandate: Auf diese Wahlkreise sollten Sie achten



Bundesweit gibt es 299 Wahlkreise bei dieser Bundestagswahl. Das heißt, es gibt 299 Direktmandate zu vergeben - auch wenn nach neuem Wahlrecht nicht alle Wahlkreisgewinner in den Bundestag einziehen werden. Doch einige Wahlkreise erregen besondere Aufmerksamkeit. Etwa, weil sich dort Parteichefs oder Kanzler- und Spitzenkandidaten bewerben. Oder weil das eine oder andere prominente Gesicht in den Bundestag einziehen will. Auf diese Kämpfe ums Direktmandat sollten Sie achten.

Die Kanzler- und Spitzenkandidaten

Fangen wir ganz im Norden an. Nicht nur, weil dort Wahlkreis 1 (Flensburg - Schleswig) liegt, sondern weil es hier eine Schlappe für den Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck geben könnte. Bei der Bundestagswahl 2021 holte Habeck hier das Direktmandat mit 28,1 Prozent der Stimmen - und etwa fünf Prozentpunkten vor Petra Nicolaisen von der CDU. Für diese spricht diesmal die politische Stimmung. Habeck dürfte dann als Zweiter auf der Landesliste Schleswig-Holstein in den Bundestag einziehen.

Sicherer ist der Sieg für Bundeskanzler Olaf Scholz. Der SPD-Kanzlerkandidat tritt im Wahlkreis Potsdam - Potsdam-Mittelmark II - Teltow-Fläming II an und hat hier 2021 seinen Sitz geholt. Das dürfte ihm erneut gelingen, auch wenn er unter anderem gegen die grüne Außenministerin Annalena Baerbock und die ehemalige FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg antritt.

Eine sichere Sache dürfte auch das Direktmandat für CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sein. Er tritt im Hochsauerlandkreis an, gewann das Duell 2021 gegen Dirk Wiese von der SPD mit etwa acht Punkten Vorsprung. Alexander Dobrindt, der die Landesliste der CSU in Bayern anführt, dürfte ebenso sicher im Wahlkreis Weilheim gewählt werden.

Die Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel, tritt erneut im Bodenseekreis an. 2021 holte sie hier mit knapp unter 10 Prozent den fünften Platz. Auch diesmal dürfte es nicht für das Direktmandat reichen - aber vielleicht erhöht sie ihren Stimmenanteil. Sie zieht ohnehin sicher über die Landesliste in den Bundestag ein.

Unklar ist, ob die FDP ganz aus dem Bundestag fliegt. Laut Umfragen liegt die Partei derzeit unter der Fünf-Prozent-Hürde. Auch auf ein Direktmandat darf Parteichef und Spitzenkandidat Christian Lindner nicht hoffen: Schon 2021 holte er im Rheinisch-Bergischen Kreis nur den vierten Platz. Seine einzige Chance ist die Landesliste.

Für die Linke treten Heidi Reichinnek und Jan van Aken als Spitzenkandidaten an. Reichinnek, die zuletzt in sozialen Medien gefeiert wurde, ist Direktkandidatin im Wahlkreis Stadt Osnabrück - aber wohl ohne Chance. Sie dürfte über den Spitzenplatz der Landesliste Niedersachsen in den Bundestag einziehen, wenn die Linke die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Van Aken führt die Liste in Hamburg an, er bewirbt sich nicht um ein Direktmandat. BSW-Gründerin und Kanzlerkandidatin Sahra Wagenknecht tritt ebenfalls nicht als Direktkandidatin an. Falls ihre Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringen sollte, könnte sie als Spitzenkandidatin über die Landesliste Nordrhein-Westfalen wieder in den Bundestag einziehen.

Polit- und andere Prominente

Der SPD-Politiker Wolfgang Schmidt ist Kanzleramtsminister und einer der engsten Vertrauten von Kanzler Scholz. Erstmals will er nun in den Bundestag einziehen - in Hamburg-Eimsbüttel. Das ist alles andere als sicher, denn Till Steffen von den Grünen hält das Direktmandat. Auch ob Schmidt über die Landesliste einziehen kann, ist unsicher, auch wenn er auf Platz eins steht. Ein Neuling im Bundestag wäre auch Verteidigungsminister Boris Pistorius. Er hat gute Chancen im Wahlkreis Stadt Hannover II. In der Landesliste steht er auf dem dritten Platz.

Erstmals in den Bundestag einziehen will der ehemalige Chef des Bundesverfassungsschutzes, Thomas Haldenwang. Er tritt für die CDU im Wahlkreis Wuppertal I an. Laut Wahlkreisprognose ist sein Wahlsieg gegen SPD-Kandidat Helge Lindh aber unwahrscheinlich. Über eine gewisse Prominenz verfügt auch der Virologe Hendrik Streeck, dank seiner Auftritte während der Corona-Pandemie. Nun will er für die CDU im Wahlkreis Bonn ins Parlament. Das wird hart. Jahrelang war der Sitz in den Händen der SPD, 2021 gewann ihn mit 0,1 Punkten Vorsprung die Grüne Katrin Uhlig. Laut Wahlkreisprognose hat Streeck aber gute Chancen auf den Wahlsieg.

Aus dem Bundestag fliegen könnte Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Michael Müller. Der muss seinen Berliner Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf gewinnen, weil er nicht über die Landesliste abgesichert ist. 2021 holte er das Direktmandat denkbar knapp. Diesmal wird es nicht leichter. Seine prominenteste Konkurrentin: Familienministerin Lisa Paus von den Grünen.

Zwei Fraktionschefs treten im Wahlkreis Köln III an: Katharina Dröge von den Grünen gegen Rolf Mützenich von der SPD. Die Wahlkreisprognose sagt der Grünen die besseren Chancen zu. Am Ende könnten aber beide an CDU-Kandidatin Gisela Manderla scheitern. Einen weiteren bekannten Namen finden Wähler im bayerischen Fürstenfeldbruck auf den Wahlzetteln: Susanne Seehofer ist die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten. Allerdings tritt sie für die FDP an und dürfte gegen CSU-Kandidatin Katrin Staffler keine Chance haben.

Alte Hasen

Die Linke will wie schon 2021 über drei gewonnene Direktmandate als Fraktion oder Gruppe in den Bundestag einziehen. Dazu schicken sie drei bekannte Politiker ins Rennen - als "Silberlocken". Seinen Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick gewinnen dürfte Gregor Gysi. Deutlich weniger sicher ist ein Sieg von Dietmar Bartsch in Rostock - Landkreis Rostock II. Hier müsste er sich gegen SPD und AfD durchsetzen.

Der Dritte im Bunde ist der ehemalige Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow im Wahlkreis Erfurt - Weimar - Weimarer Land II. Er müsste gleich mehrere Promis schlagen: den Ostbeauftragten Carsten Schneider von der SPD, die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sowie Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich von der FDP. Am Ende könnte auch Alexander Claus von der AfD gewinnen. Alle drei "Silberlocken" stehen auch auf dem ersten Platz ihrer Landesliste. Als Joker hat die Linke noch Sören Pellmann, der zwar noch keine grauen Haare, aber in Leipzig II gute Chancen auf ein Direktmandat hat.

Ähnlich wie die Linke wollen auch die Freien Wähler über drei Direktmandate in den Bundestag einziehen. Im Wahlkreis Rottal-Inn tritt zum Beispiel Parteichef und Minister Hubert Aiwanger gegen den CSUler Günter Baumgartner an. Doch die Chancen für ihn und die anderen Kandidaten der Freien Wähler auf ein Direktmandat sind sehr gering.

Und sonst?

Spannend wird auch der Wahlkreis Berlin-Pankow. Bisher hat Stefan Gelbhaar von den Grünen den Sitz inne. Doch die Affäre um Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs und die Debatte um eine mögliche Intrige gegen ihn haben seine erneute Kandidatur und einen Platz auf der Landesliste verhindert. Wird Julia Schneider nun den direkten Sitz halten können - oder strafen die Wähler die Partei ab?

Zum zweiten Mal in den Bundestag einziehen könnte Stefan Seidler. Er tritt für den Südschleswigschen Wählerverband an, der als Vertretung der dänischen Minderheit nicht an die Fünf-Prozent-Hürde gebunden ist. Das Direktmandat in Flensburg - Schleswig wird Seidler nicht gewinnen. Um über die Landesliste einzuziehen, muss seine Partei mindestens so viele Stimmen erringen, wie bei der Sitzverteilung im Bundestag für die Zuteilung des letzten Mandates notwendig sind. Die Partei schätzt, dass sie dafür 40.000 Zweitstimmen holen muss - und 110.000 für zwei Sitze.

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