Wie bitter: Ex-Weltmeisterin Haug gibt auf. Der Grund ist ein Defekt ein paar Meter nach dem Umstieg aufs Rad. 25 Minuten wartet sie auf einen Mechaniker, dann packt sie ihre Sachen.
Anne Haug versuchte vor den mitleidenden Zuschauern am Straßenrand in Nizza noch mit dem Mund, Luft in den Silikonschlauch zu bekommen. "Ich habe keine Pumpe mehr, nichts", sagt sie völlig verzweifelt. "Ich bin irgendwo drüber gefahren, der Reifen ist total hin." Alle Versuche, den Defekt am Hinterrad zu beheben, blieben vergeblich.
Für die Weltmeisterin von 2019 und Mitfavoritin bei der Ironman-Premiere der Frauen in Nizza war die WM nach insgesamt nur rund vier von 226 Kilometern vorbei. "Man bereitet sich auf dieses eine Rennen im Jahr vor und dann klappt es nicht. Das ist natürlich tragisch", sagte die 41 Jahre alte Profi-Triathletin im Livestream des ZDF: "Es war nicht reparabel."
Haug nahm ihr Rad, reichte es über den Zaun, kletterte über die Absperrung und verabschiedete sich unter dem respektvollen Applaus, schon bevor es überhaupt ernst wurde im Rennen. "Nicht abzuliefern, ist schon hart", betonte sie.
"Das ist natürlich niederschmetternd. Dieser Sport kann manchmal einfach grausam sein", sagte Lucy Charles-Barclay, die ihrerseits auch nur als Zuschauerin am Sonntag dabei war. Nicht einmal 24 Stunden vor dem Rennstart hatte die 31 Jahre alte Britin, die im vergangenen Jahr in Hawaii triumphiert hatte, wegen Muskelbeschwerden ihre Teilnahme abgesagt.
Bei Haug platzten nach wenigen hundert Metern auf der Radstrecke alle Träume, den zweiten WM-Titel über 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen zu gewinnen. Zudem endete für die Bayreutherin eine Serie: Seit ihrem dritten Platz 2018 stand sie immer mit auf dem WM-Podium. "Ich hatte fünf Jahre Glück bei der WM, dieses Mal einfach nicht."
Zusammen mit Philipp noch aufs Rad
Dabei lief es bis zunächst absolut nach Plan. Nach dem Startverzicht von Charles-Barclay galten Haug und ihre deutsche Konkurrentin Laura Philipp als Topanwärterin auf den Titel - vor einem Jahr in Hawaii waren sie Zweite (Haug) und Dritte (Philipp) hinter Charles-Barclay geworden.
Das Schwimmen im doch nur noch rund 21 Grad warmen Mittelmeer - Neoprenanzüge waren auch bei den Profi-Triathletinnen erlaubt - hätte kaum besser für das deutsche Duo sein können. Sie kamen im welligen Mittelmeer und keinen leichten Bedingungen in der Verfolgergruppe mit rund vier Minuten Rückstand aus dem Wasser und stiegen praktisch parallel aufs Rad. Nur, dass Haug schnell wieder absteigen musste.
"Wir sind halt einfach Selbstversorger"
"Ich war dabei, meine Schuhe anzuziehen, habe auf der Straße aber auch gar nichts gesehen, es war eine super schön gefegte Straße und auf einmal hat es peng gemacht. Dann ist der Reifen explodiert", schilderte sie. Ein Zentimeter lang sei der Schnitt etwa gewesen. Zu viel, um mit dem beschädigten Mantel wieder auf die Strecke zu fahren. "Nach 25 Minuten kam dann auch kein Mechaniker. Da blieb mir nichts andere übrig. Wir sind halt einfach Selbstversorger auf der Strecke. Man hat aber keinen neuen Mantel dabei."
Es war der moralische Tiefpunkt einer ohnehin nicht leichten Saison. Oftmals hatte Haug mit dem Training aussetzen müssen, weil sie krank gewesen war. Dann aber lieferte sie bei der Challenge Roth Anfang Juli eine famose Weltbestzeit ab. In Nizza stoppte sie nun ein Plattfuß.