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Der Kurs der Rheinmetall-Aktie geht weiter aufwärts. Da möchten viele mitverdienen. Sind solche Waffen-Investitionen vertretbar oder gar wünschenswert?
"Nach der Invasion der russischen Armee sind Investoren und Spekulanten massiv in die Rüstungskonzerne eingestiegen", sagt Rainer Laborenz. Der Geschäftsführer einer großen Vermögensverwaltung erklärt, dass auch die Rheinmetall-Aktie von den Erwartungen der Anleger profitiere. "Seit Kriegsbeginn ist die Rheinmetall-Aktie um sagenhafte 1.600 Prozent gestiegen." Viele Kundinnen und Kunden würden Interesse zeigen an der Rüstungsindustrie.
"Es ist allzu menschlich, das Gefühl zu haben, an der Börse einen bestimmten Trend zu verpassen, und gerade in solchen Phasen laufen Anleger Gefahr, in börsenpsychologische Fallen zu tappen." Als Vermögensverwalter sei es hier die vorrangige Aufgabe, Kunden vor kostspieligen Fehlentscheidungen zu schützen. Rüstung werde zunehmend als etwas Notwendiges gesehen - zur Verteidigung und auch Abschreckung. "Letztlich ist die Frage der moralischen Zulässigkeit einer Aktieninvestition aber immer höchst persönlich zu beantworten."
Renditechancen in Kriegszeiten
Deutschland und Europa hatten angekündigt, viele Milliarden Euro in die Verteidigung zu investieren. Das lässt die Aktienkurse von Rüstungsunternehmen in die Höhe schießen. Viele Anleger sehen darin offenbar große Renditechancen und investieren in entsprechende Aktien, Fonds und ETF.
Das wäre vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen, sagt Finanzethiker Bernd Villhauer vom Weltethos-Institut in Tübingen. "Jetzt, angesichts des Kriegs in der Ukraine oder der Sachen, die Trump erzählt, dass Europa sich selbst verteidigen solle, haben viele ihre Einstellung geändert. Die Leute blicken jetzt anders auf Rüstungsinvestments als früher", sagt Villhauer. Militär werde nun als "notwendiges Übel" gerade hinsichtlich der Verteidigung gesehen. "Deswegen ist die Bereitschaft, das auch selbst im Anlageverhalten abzubilden, viel größer geworden", sagt der Finanzethiker. "Doch mit jeder Investition in die Rüstungsindustrie sind sie mitbeteiligt, wenn Waffen hergestellt werden, die Menschen töten", sagt der Finanzethiker.
"In den letzten Jahren gibt es immer mehr Produkte, bei denen sie eine gute Rendite haben, aber auch einen sozialen oder ökologischen Impact - dass man durch das Investment Dinge verbessern, verändern oder transformieren kann. Da ist ein Riesenmarkt entstanden." Es gebe viele Studien, die zeigen, dass man eine sehr gute Performance erreichen kann, auch mit ökologisch und moralisch korrekten Investments.
Verluste durch Trends?
Thomas Kehl betreibt den erfolgreichen Finanzpodcast "Finanzfluß". Der Finanzexperte sieht in seiner Community auch eine große Nachfrage nach Aktien aus der Rüstungsindustrie. "Mittlerweile sehen die Menschen das Thema weniger kritisch. Rüstung bedeutet jetzt für viele eher ein Sich-Verteidigen. Da wollen Leute das vermehrt im Portfolio haben", sagt Kehl.
Regelmäßig streamt er im Internet live und beantwortet Fragen aus der Zuschauerschaft. "Was wichtig ist beim Anlegen in Trends wie dem Rüstungssektor, dass viele hier einfach zu spät sind." Das habe man auch in anderen Bereichen beobachten können wie Nvidia, dem Tech-Sektor und dem Thema Künstliche Intelligenz.
"Auch heute investieren noch Leute in diese Aktien und erleiden teilweise erhebliche Verluste dadurch. Also: Achtung! Man sollte nicht einfach jedem Trend hinterherlaufen", sagt Kehl. Einsteiger hätten den Kurssprung verpasst, was sich am Kursverlauf der Aktie von Rheinmetall zeigt: Im Mai 2023 lag die Aktie bei 262 Euro, mittlerweile bei fast 1.600 Euro. Wer jetzt erst einsteigt, hat natürlich schon einen großen Kurssprung verpasst.
Ehrlich zu sich selbst sein
Vermögensverwalter Laborenz sagt zur Rüstungsindustrie: "Ein hohes Risiko eines Kurseinbruchs ergibt sich aus den sich anbahnenden Friedensgesprächen zwischen den Konfliktparteien. Würden sich im Falle eines Friedensvertrags und der Aufhebung der Sanktionen die europäisch-russischen Beziehungen wieder normalisieren, dann dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit der Kurs kollabieren."
Aber ist es ein moralisches Problem, Kapital zu schlagen aus dem Leid eines Krieges? Etwas zu unterstützen, das zum Tod von Menschen führt? In einem Interview sprach der Rapper Bushido öffentlich über seine Gewinne mit Rüstungsaktien - nur um das kurz danach zu bereuen und sich zu entschuldigen.
"Ich finde, man sollte nur ehrlich zu sich selbst sein", sagt Bernd Villhauer vom Weltethos-Institut in Tübingen. "Man sollte sich nicht vormachen, dass solche Investitionen ganz unproblematisch sind. Sondern man sollte auch die Schwierigkeiten sehen. Und dann kann man für sich entscheiden." Letztlich müsse jeder für sich selbst wissen, inwieweit man finanziell von Kriegsgefahren und Bedrohungen profitieren möchte.