Nach dem beispiellosen Gefangenenaustausch zwischen Russland und den USA sowie anderen westlichen Staaten äußeren sich erstmals die freigelassenen Kremlgegner. Und es gibt erstaunliche Einblicke.
Nach dem großen Gefangenenaustausch haben aus russischer Haft befreite Oppositionelle der Bundesregierung öffentlich gedankt. In Demokratien seien Entscheidungen nicht einfach, für die Bundesregierung sei das auch nicht einfach gewesen, aber das menschliche Leben habe für zivilisierte Gesellschaften den höchsten Wert, sagte der prominente Kremlgegner Wladimir Kara-Mursa vor Journalisten in Bonn. "Einfache Entscheidungen gibt es nur in Diktaturen."
Der Oppositionelle Ilja Jaschin sagte, dass er Kanzler Olaf Scholz persönlich gedankt habe für die schwierige Entscheidung, den verurteilten Mörder Wadim Krassikow zu übergeben, um Gegner von Kremlchef Wladimir Putin freizubekommen. Zugleich betonte er, dass er gegen seinen Willen ausgetauscht worden sei. Seine Forderung, ihn in seiner Heimat zu lassen, habe der Strafvollzug ignoriert. "Das ist ein Verstoß gegen das Gesetz." Es gebe andere, schwer kranke, die hätten ausgetauscht werden sollen, betonte er.
Auch Kara-Mursa erzählte, dass er sich geweigert habe, ein Gnadengesuch an Putin zu richten. Er habe Putin vielmehr noch einmal deutlich als Mörder und Kriegsverbrecher bezeichnet und sei dann nachts abgeführt worden. "Ich dachte, ich werde erschossen." Laut Gesetz habe er eigentlich gar nicht begnadigt werden dürfen. Er habe nicht einmal einen Reisepass gehabt. "Ich war sicher, dass ich in Putins Gefängnis sterben würde."
Freigelassene Russen fordern weiteren Gefangenenaustausch
Jaschin widersprach der Ansicht, dass Putin durch den Austausch ermuntert werde, neue Geiseln zu nehmen, um noch mehr im Westen inhaftierte Russen freizupressen. Putin sei ein Diktator und quäle die Menschen unabhängig von diesem Gefangenaustausch weiter. "Mein Ziel ist es, nach Russland zurückzukehren. Das ist meine Heimat." Er werde sich niemals mit der Rolle eines Emigranten abzufinden.
Kara-Mursa dankte auch den USA und Großbritannien für die Hilfe bei der Befreiung von Putins Gefangenen. Sein erstes Telefonat nach der Freilassung sei mit US-Präsident Joe Biden gewesen. Die Anstrengungen müssten fortgesetzt werden. Hunderte Menschen seien noch aufgrund ihrer politischen Ansichten im Gefängnis in Russland, sagte er. Der Oppositionelle Andrej Piwowarow bat ebenfalls darum, für jene zu kämpfen, die noch im Straflager sind in Russland.
Piwowarow und Kara-Mursa betonten, dass nicht alle Russen hinter Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine stünden. Viele hätten aber Angst, wegen ihrer Kritik hinter Gittern zu landen. Die Oppositionellen betonten, dass ihr Ziel sei, für ein freies und zivilisiertes Russland zu kämpfen, um dorthin eines Tages zurückzukehren.