Extremereignisse wie Starkregen oder Hitzeperioden nehmen in Deutschland zu. Das verändert den Hausbau. Teurer muss es nicht unbedingt werden. Experten fordern allerdings ein Umdenken.
Die Daten sind eindeutig: Auch in Deutschland wird das Klima immer extremer. Laut dem Deutschen Wetterdienst hat sich die Anzahl der Starkregenereignisse, bei denen binnen weniger Stunden große Niederschlagsmengen fallen, in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Zugleich nehmen lange Trocken- und Hitzeperioden zu.
Gestiegene Anforderungen also auch an unseren Wohnraum. Doch gerade moderne architektonische Präferenzen stehen häufig im Kontrast dazu: Große Fensterfronten aus Glas beispielsweise lassen viel Licht ein, führen aber auch dazu, dass Räume sich im Sommer stark aufheizen können. Ebenerdige Zugänge ermöglichen Barrierefreiheit; sie sind aber auch ein direktes Einfalltor für Wasser bei Starkregen- oder Flutereignissen.
Steht moderne Architektur dem Hochwasserschutz entgegen?
"In meinen Augen wird der Flutschutz noch zu wenig gemacht", sagt Lothar Kirschbauer von der Hochschule Koblenz. Gerade Starkregen trete in dieser Extremität eher als neues Problem auf. Viele hätten deshalb noch immer die Einstellung: "Mir kann ja nichts passieren", weil sie in der Vergangenheit nicht damit konfrontiert waren.
"Da müssen wir vielleicht auch umdenken, dass wir zukünftig vielleicht Erdgeschoss-Mindesthöhen vorgeben, die dann einen gewissen Schutz gegen Sturzfluten bieten würden", so Kirschbauer. Allein wenn das Erdgeschoss 30 Zentimeter über dem Straßenniveau läge, würde das schon helfen. Diesen Aspekt sieht er momentan allerdings kaum berücksichtigt.
Auch bei Neubauten nicht: Die seien vielmehr häufig auf Barrierefreiheit ausgelegt. "Das muss aber kein Gegensatz sein." So wie es früher war bei alten Häusern der Regelfall gewesen sei, dass man zum Hauseingang zwei, drei Stufen hochgehen musste, könnte man heute eine Rampe einbauen. "Ich muss halt nur daran denken, dass ich das entsprechend einplane."
Alternative Lösungen müssen nicht teurer sein
Auch andere Maßnahmen würden nicht zwingend etwas kosten. So sollte zum Beispiel kritische Infrastruktur - beispielsweise Sicherungskästen oder Hausanschlüsse - nicht wie allgemein üblich im Keller untergebracht werden, sondern in den oberen Geschossen. Dann könnte der Keller im Ernstfall einfach geflutet werden - und die Räume müssten hinterher zwar gereinigt werden, die Integrität der Haustechnik wäre jedoch nicht in Gefahr.
Auch bei der Auswahl der Baustoffe gäbe es Möglichkeiten, sagt die Aachener Architektin Sylvia Schuster: Während ein klassischer Estrich sich mit Wasser vollsaugt und nach einem Hochwasser komplett entfernt und saniert werden muss, können urtümliche Materialien wie Holz und Lehm dem Wasser standhalten und wieder trocknen. Da könnte es dann schon reichen, danach den Anstrich zu erneuern. In einer Siedlung im Ahrtal habe sich außerdem gezeigt, dass sie dem Druck der Wassermassen besser standgehalten hätten - im Gegensatz zu starrem Beton verfügen diese Stoffe über eine natürliche Durchlässigkeit.
Hochwasserschutz insgesamt nicht stark nachgefragt
Auf Nachfrage von tagesschau.de bei einschlägigen Branchenverbänden wird deutlich: Man hat das Thema Hochwasserschutz zwar auf dem Schirm, in der Praxis bewegt es Mitglieder und Branche aber momentan noch wenig. Auch seitens der Bauherren werde das Thema gerade wenig nachgefragt, heißt es; andere Themen wie lange Lieferzeiten bei den Baustoffen und allgemein die hohen Preise beschäftige diese gerade mehr.
Dabei macht das Gesetz eigentlich deutliche Vorgaben beim Thema Hochwasserschutz:
Resilienz insgesamt ein Thema für die Kommunen
Wie viel Verantwortung aber tatsächlich bei einzelnen Hausbesitzern liegen sollte, darüber sind Experten uneins. So ist zum Beispiel Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, der Überzeugung, dass resiliente Infrastruktur kein Thema für den Einzelhausbau ist - und vielmehr die Kommunen gefragt seien, die Infrastruktur entsprechend auf Extremereignisse auszurichten.
Kanalisationen müssten in der Lage sein, größere Wassermassen auf einmal aufzunehmen, Frischluftschneisen und mehr Grün dafür sorgen, dass sich Städte im Sommer nicht so aufheizen. Dass dort der größere Hebel liege, darin sind sich alle einig. Die Koordination solcher Maßnahmen funktioniert aber bloß langfristig - und ist auf Initiative und Investitionen der Kommunen angewiesen.
Wer bei Starkregen gewappnet sein will, muss sich vorher kümmern
Es könne daher auch sinnvoll sein nachzurüsten. Gerade über Kellerlichtschächte gelänge häufig Wasser in das Untergeschoss, sagt Kirschbauer. Ratsam sei daher, wasserdichte Kellerfenster einzubauen. Gerade Starkregen-Ereignisse treten häufig so lokal auf, dass sie sich von Meteorologen schwer mit Vorlauf vorhersagen lassen. Wer dann nicht zu Hause sei, könne Probleme bekommen.
"Es gibt aber auch Fenster, die haben außen einen Schwimmer - das heißt wenn das Wasser steigt, dann wird das automatisch geschlossen", sagt Kirschbauer. An anderen Zugängen könne man Vorrichtungen für Schotten installieren, die vor einem Starkregen dann eingeschoben werden. Allerdings: Gänzlich sicher zu bauen, das werde nie möglich sein.
Gesetzliche Vorgaben zur Hitze-Prävention viel konkreter
Stärkere Reaktionen der Branche gibt es bereits auf steigende Temperaturen im Sommer und die Zunahme extremer Hitzeereignisse. Anders als Flut- und Starkregen haben diese zwar kaum direkte Auswirkungen auf die Bausubstanz, dafür umso mehr auf die Menschen, die in ihnen wohnen: Für den sogenannten "Jahrhundertsommer" 2003 wird geschätzt, dass allein in Deutschland etwa 7.000 Menschen an den Folgen der Hitze starben.
Aus normativer Sicht gibt es seitdem Vorgaben. Für Neubauten gilt seit 2007 die Pflicht, diese entsprechend an die sommerliche Überhitzung anzupassen - zunächst über die Energieeinsparverordnung, inzwischen durch das Gebäudeenergiegesetz. Dieses schreibt vor:
Maßnahmen gegen die Hitze
Damit sind sowohl bauliche Maßnahmen als auch passive Kühlsysteme gemeint. Einfache Maßnahmen, die Hausbesitzer umsetzen können, seien beispielsweise weiße oder helle Anstriche der Fassade, sagen Pia Krause und Holger Röseler von der Universität Stuttgart. Sie absorbierten weniger Hitze und könnten so der Überhitzung entgegenwirken.
Von architektonischer Seite häufig erwünscht, bezüglich der Wärmebildung aber ein Problem: große Fensterflächen. Wer das trotzdem möchte, kommt nicht um einen Sonnenschutz herum. Außenliegend erzielt er die besten Effekte.
Die Architektur des Hauses kann zum Sonnenschutz aber auch beigetragen. So kann beispielsweise der Dachüberhang vergrößert werden, sodass er mehr Schatten spendet und die Hauswände sich dementsprechend weniger aufheizen. In Deutschland ist das bislang nicht üblich, aber im Süden Europas ein häufig verwendetes Mittel.
Traditionelle Gebäude gut auf Hitze angepasst
Für bestehende Gebäude gibt es auch bei Sanierungen keine Pflicht, sie besser gegen sommerliches Aufheizen zu wappnen. Erst bei einer Erweiterung der Fläche um mehr als 50 Quadratmeter wäre das Pflicht. Aber: "Interessanterweise zeigen gerade traditionelle Gebäude hinsichtlich klimatischer Anpassung im Kontext der damaligen Zeit oft sehr gut funktionierende Lösungen", sagt Röseler. So sei das Risiko der sommerlichen Überhitzung bei traditionellen Gebäuden wie Fachwerkhäusern im Gegensatz zur modernen Bauweise erstaunlich gering.
Große Fensteröffnungen seien damals technisch schwer umsetzbar gewesen. "Aber auch die möglichen kleinen Fenster wurden nur bewusst eingesetzt, um für ausreichend Belichtung zu sorgen, ohne zu einer starken Überhitzung im Sommer zu führen."
Nachhaltigkeit muss mitgedacht werden
Insgesamt sollten einfache Maßnahmen bei der Klimaanpassung stets bevorzugt werden, merken die Forscher der Universität Stuttgart an. "Klimaanpassung und Klimaschutz müssen Hand in Hand gehen."
Weniger Fensterflächen verbunden mit einem guten Sonnenschutz seien einer aktiven Klimatisierung vorzuziehen, die wiederum selbst eine Umweltbelastung darstellen würde. "Mit Blick auf die prognostizierte Erwärmung bleibt jedoch abzuwarten, ob solche passiven Maßnahmen deutschlandweit ausreichend sind."