interview
In den USA tritt Trump sein Amt an, Deutschland wählt: Im neuen Jahr stehen große Veränderungen an. Der Chef des ifo Instituts, Fuest, sagt im Interview mit tagesschau24, wie in Deutschland ein wirtschaftlicher Kurswechsel gelingen kann.
tagesschau24: In diesem Jahr stehen einige Veränderungen an. Im Februar wird eine neue Bundesregierung gewählt und in wenigen Wochen tritt Donald Trump sein Amt als US-Präsident an. Sehen Sie darin Potenzial für die deutsche Wirtschaft?
Clemens Fuest: Ich denke, der Start einer neuen Regierung ist immer eine Chance. Wichtig ist allerdings, dass der neuen Bundesregierung ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel gelingt. Dann kann es auch sein, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland besser verläuft. Die große Frage ist aber, was Donald Trump macht. Kommt es zu einem Handelskrieg zwischen Europa und den USA? Für diesen Fall haben viele Prognostiker sehr pessimistische Prognosen, die teilweise sogar in den Minusbereich gehen. Denn das würde Deutschland in einer Phase treffen, in der die Wirtschaft ohnehin schwach ist. Insofern sind die Aussichten für dieses Jahr eher durchwachsen.
Zur Person
Clemens Fuest ist Präsident des ifo Instituts und Professor für Volkswirtschaft an der LMU München. Zuvor war er Professor für Unternehmensbesteuerung an der Universität Oxford und leitete das dortige Centre for Business Taxation. Seine Schwerpunkte sind Finanzwissenschaft und Arbeitsökonomik."Weniger ehrgeizige Ziele bei CO2-Reduktion"
tagesschau24: Wie kann der nächsten Bundesregierung ein Kurswechsel gelingen?
Fuest: Wenn wir mehr Wachstum wollen, können wir zum Beispiel weniger umverteilen. Wir geben derzeit einen großen Teil des Bundeshaushalts als Zuschuss in die Rentenversicherung. Wir werden in dieser Richtung weniger machen können oder sogar darauf verzichten müssen. Und auch auf andere Dinge wird man verzichten müssen. Das heißt zum Beispiel weniger ehrgeizige Ziele bei der CO2-Reduktion oder eben weniger Umverteilung. Ob das letztendlich so gemacht wird, entscheidet aber die Politik.
"Gründlichkeit vor Schnelligkeit"
tagesschau24: Ist es wichtig, dass die nächste Bundesregierung solche Maßnahmen schnell entscheidet?
Fuest: In dem Fall geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Wir brauchen keinen Aktivismus. Wir haben zu viele kurzatmige, sehr kurzfristig orientierte Vorschläge, wie beispielsweise die Senkung der Mehrwertsteuer oder Prämien für Elektroautos. Das sind Maßnahmen, die nur Strohfeuer entfachen und teilweise sogar Schaden anrichten, bevor sie überhaupt eingeführt werden. Denn sie führen bei den Menschen zu Warte-Effekten.
Deshalb brauchen wir jetzt eine stabile Regierung und ein überzeugendes Konzept, das dann auch umgesetzt und nicht zerredet wird, wie es in der Vergangenheit häufig der Fall war.
tagesschau24: Viele Unternehmen haben im vergangenen Jahr angekündigt, Stellen abzubauen. Das ist vor allem für die Mitarbeiter mit großen Unsicherheiten verbunden. Wird es 2025 weitere Stellenstreichungen geben?
Fuest: Ja, das muss man befürchten. Es ist leider so, dass insbesondere die Autobranche, Chemieindustrie und Teile der Metallindustrie unter Druck stehen. Da muss man befürchten, dass es nochmal zu Ankündigungen von Personalabbau kommt. Gleichzeitig - und das ist die gute Nachricht - gibt es in anderen Bereichen eher Personalaufbau, etwa im Gesundheitswesen. Das kann einen gewissen Ausgleich bieten.
"Kein sprunghafter Anstieg bei Arbeitslosigkeit"
tagesschau24: Rechnen Sie dennoch mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote in Deutschland?
Fuest: Wenn Leute arbeitslos werden, hat das auch Auswirkungen auf die Arbeitslosenquote. Vor allem regional, wenn größere Arbeitgeber Leute entlassen, kann es zu Problemen im Arbeitsmarkt kommen. Dennoch erwarte ich jetzt keinen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosenquote. Denn durch den demografischen Wandel gehen gleichzeitig sehr viele Menschen in Rente, sodass Arbeitskräfte in vielen Bereichen der Wirtschaft knapp sind.
tagesschau24: Für die Arbeitnehmer steht viel auf dem Spiel. Ein Jobverlust ist mit finanziellen Unsicherheiten verbunden. Die Menschen halten sich beim Konsum zurück. Zieht das die deutsche Wirtschaft nicht zusätzlich nach unten?
Fuest: Wir sehen, dass sich die Menschen Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft machen und dementsprechend weniger Geld ausgeben. Nichtsdestotrotz gehören Entlassungen und die Verlagerung von Arbeitskräften inzwischen in einigen Branchen leider zum normalen wirtschaftlichen Strukturwandel. Insofern sollte man jetzt auch keine Panik machen. Man muss sich das im Einzelfall ansehen. Wenn es Entlassungen gibt, die regional sehr große Folgen haben, dann hat die Politik durchaus Instrumente, um etwas zu tun.
Und viele Unternehmen, die Menschen entlassen müssen, kooperieren auch mit anderen Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen. Wir sehen in der Wirtschaft viel Engagement dafür, dass die Menschen auch neue Arbeitsplätze finden. Ich glaube nicht, dass diese Entlassungen in Teilen der Industrie die Wirtschaft jetzt insgesamt herunterziehen werden.
"Brauchen mehr Vertrauen"
tagesschau24: Viele Branchen - wie der Einzelhandel oder die Bauindustrie - betonen immer wieder, wie wichtig es ist, dass die Menschen Vertrauen haben in die eigene Zukunft und ihre Einkommenssituation. Gibt es denn auch etwas, was die Menschen in diesem Jahr zuversichtlich stimmen kann?
Fuest: Ja, wir haben schon im letzten Jahr erhebliche Reallohnsteigerungen von knapp drei Prozent gehabt. Und die werden wir voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder haben. Wir erwarten Lohnsteigerungen zwischen durchschnittlich vier und fünf Prozent. Im Dienstleistungsbereich dürften sie sogar etwas höher sein. Das sollte dazu führen, dass auch die Konsumnachfrage stark ist.
Aber hier kommt jetzt die Vertrauensfrage hinzu. Wenn die Menschen glauben, dass sie auch künftig gut verdienen und ihren Arbeitsplatz behalten, dann werden sie Geld ausgeben. Wenn nicht, werden sie eher sparen. Insofern brauchen wir wirklich mehr Vertrauen. Und das geht nur mit einer konsistenten wirtschaftspolitischen Strategie für mehr Wachstum.
Die Fragen stellte Anne-Catherine Beck, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redaktionell bearbeitet.