Bei der Landtagswahl in Brandenburg zeichnet sich ein klarer Wahlsieg ab: In den Hochrechnungen vom Wahlabend liegen die Sozialdemokraten knapp vorn. Die AfD landet - anders als in den Umfragen erwartet - auf Platz zwei. Die CDU fällt hinter das BSW zurück. Die Grünen könnten die entscheidende Schwelle verpassen.
Die SPD hat die Landtagswahl in Brandenburg laut Hochrechnungen vom Wahlabend knapp gewonnen. Die Sozialdemokraten können demnach mit 30,7 bis 31,3 Prozent der Stimmen rechnen. Die AfD erreicht demnach trotz kräftiger Zuwächse nur 29,5 bis 29,6 Prozent und steigt damit in Brandenburg - anders als von vielen Beobachtern im Vorfeld erwartet - nicht zur neuen stärksten Kraft auf.
Die Auszählung der Stimmen wird sich bis tief in die Nacht ziehen. Im Lauf des Abends sind weitere, aussagekräftigere Hochrechnungen zu erwarten. Brandenburgs amtierender Ministerpräsident Dietmar Woidke reagierte am Wahlabend vorsichtig optimistisch. Es sei von Anfang an Ziel der SPD gewesen, "zu verhindern, dass unser Land einen großen braunen Stempel kriegt", sagte er am Abend mit Blick auf Prognosen, in denen die SPD knapp vor der AfD lag. "Nach Stand jetzt bin ich froh, dass es so sein könnte."
Hinweis: Die Infografiken zur Landtagswahl werden mit den eintreffenden ersten Prognosen laufend aktualisiert.
Auf den Plätzen hinter SPD und AfD folgen laut Hochrechnungen das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 12,4 bis 13,1 Prozent und die CDU mit 11,9 bis 12,1 Prozent. CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann reagierte am Wahlabend enttäuscht auf die Zahlen. "Es ist ein bitterer Abend für uns als CDU, weil wir nach den ersten Prognosen weit hinter unseren Erwartungen lieben", sagte er. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach sogar von einer "bitteren Niederlage".
Die Grünen liegen laut Hochrechnung bei 4,6 Prozent: Der Wiedereinzug in den Landtag ist damit noch offen. Grünen-Spitzenkandidatin Antje Töpfer äußerte sich jedoch zuversichtlich, dass ihre Partei im Landtag vertreten sein werde. "Es wird sicher ein langer Abend, wir werden lange hier verharren und bangen, aber wir werden es schaffen", sagte sie. "Wir werden in den Landtag einziehen. Und wir werden das Direktmandat holen." Im aus Sicht der Grünen aussichtsreichsten Wahlkreis Potsdam I lag am Wahlabend zunächst allerdings die SPD-Kandidatin Manja Schüle vorn.
Die Linkspartei kam in den Hochrechnungen auf 2,9 bis 3,5 Prozent. Die Bundesvorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, bezeichnete das Scheitern ihrer Partei bei der Landtagswahl in Brandenburg als "Zäsur". Dass die Linke den Wiedereinzug in den Landtag verpasst habe, sei "sehr bitter", sagte Wissler. Sie zeigte sich zugleich insgesamt überzeugt, "dass die Linke zu retten ist".
Die Freien Wähler kommen laut Hochrechnung in Brandenburg diesmal nur auf 2,5 bis 2,7 Prozent. Die FDP spielt in Brandenburg keine größere Rolle und wird daher nicht gesondert ausgewiesen. Die Umfragewerte vor dem Wahltermin hatten kräftige Gewinne für die AfD und das erst vergangenen Herbst gegründete BSW angedeutet. Die Sozialdemokraten wurden in den Umfragen zuletzt nur bei 27 Prozent gesehen. Die herben Verluste für die Linke hatte sich nach der BSW-Abspaltung bereits abgezeichnet.
Vieles in Brandenburg hängt nun davon ab, wie viele Parteien es überhaupt in den Landtag schaffen. Die im brandenburgischen Wahlrecht verankerte Grundmandatsklausel könnte kleineren Parteien den Weg ins Landesparlament ebnen: Ein Direktmandat in einem einzelnen Wahlkreis reicht aus, um die Fünf-Prozent-Hürde zu umgehen. Für den Wiedereinzug der Grünen bestanden Wahlforschern zufolge Chancen, in einem der städtisch geprägten Wahlkreise in der Landeshauptstadt Potsdam ein solches Direktmandat zu erringen.
Die Linke sowie die Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegung (BVB) und die Freien Wähler (FW) - bisher gemeinsam als Gruppe BVB/FW unterhalb der Fraktionsschwelle im Potsdamer Landtag aktiv - dürften es mit Direktmandaten dagegen schwerer haben als die Grünen. Die FDP spielt in Brandenburg nach Ansicht der Meinungsforscher bei dieser Wahl keine größere Rolle.
Im Wahlkampf hatten sich Brandenburgs Ministerpräsident Woidke und Bundeskanzler Olaf Scholz zuversichtlich gezeigt, dass die Sozialdemokraten die Landtagswahl am 22. September gewinnen könnten. Woidke erinnerte daran, dass es auch 2019 in Umfragen einen Vorsprung der AfD gab, die SPD aber dennoch am Ende stärkste Kraft wurde. SPD-Spitzenpolitiker Scholz unterstützte seinen Parteifreund im Landtagswahlkampf aus der Ferne. Auf gemeinsame Auftritte mit dem Kanzler verzichtete der Landespolitiker.
Aus Berlin kam dennoch großer Rückhalt: "Ich bin sicher, die Brandenburgerinnen und Brandenburger werden ihm ein neues Mandat geben und die SPD zur stärksten Partei wählen", sagte Scholz mit Blick auf Woidke und die Landtagswahlen. Scholz' Bundestagswahlkreis liegt ebenfalls in Brandenburg.
Wie die neuen Mehrheitsverhältnisse im Potsdamer Landtag aussehen werden, entscheidet sich jedoch nach Auszählung der Stimmen. Mit einem vorläufigen amtlichen Ergebnis ist noch in der Wahlnacht zu rechnen.
Großen Einfluss auf das Wahlergebnis dürfte wie immer auch die Wahlbeteiligung haben. Bei der zurückliegenden Landtagswahl vor fünf Jahren hatten immerhin 61,3 Prozent der Wahlberechtigten mit abgestimmt.
Das waren deutlich mehr als beim bisherigen Tiefpunkt von 47,9 Prozent im Jahr 2014 und insgesamt die dritthöchste Beteiligungsquote bei allen bisherigen Landtagswahlen in Brandenburg seit 1990. Im Potsdamer Landtag führte Woidke bisher eine rot-schwarz-grüne Regierungskoalition mit CDU und Grünen. Der SPD-Politiker ist erst der dritte Ministerpräsident in Brandenburg seit der Wiedervereinigung.
Für den Fall eines Wahlsiegs der AfD hatte Woidke bereits im Vorfeld seinen Rücktritt angekündigt - und diese Ankündigung wiederholt bekräftigt. "Wenn die AfD auf Platz eins landet, kann ich als Ministerpräsident nicht weitermachen", sagte Woidke zum Beispiel im "Tagesspiegel"-Interview.
"Natürlich ziehe ich dann die Konsequenzen." Sein klares Wahlziel sei, die AfD bei der Wahl am 22. September zu schlagen.
Koalitionsverhandlungen mit dem BSW hatte Woidke ebenfalls bereits im Vorfeld aus geschlossen - sofern BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht direkt beteiligt wäre. "Das BSW ist eine Blackbox", sagte Woidke. "Da muss man abwarten, ob es überhaupt zu Gesprächen bereit ist, ob eine Zusammenarbeit möglich wäre oder nicht."
Für ihn sei "unvorstellbar", so Woidke, dass es "in Brandenburg so läuft, wie es jetzt in Sachsen und in Thüringen diskutiert wird, dass Frau Wagenknecht als Ich-AG vom Saarland aus die Geschicke im Lande mit lenken will."
Maßgeblich für die Stärke der Fraktionen im Landtag sind die Anteile an den gültigen Zweitstimmen. "Die personelle Zusammensetzung wird zunächst durch die gewonnenen Direktmandate und dann durch die Reihenfolge der jeweiligen Landeslisten bestimmt", heißt es dazu beim Landeswahlleiter. Aufgrund von Ausgleichs- und Überhangmandaten kann sich die Anzahl der Abgeordneten theoretisch auf maximal 110 Abgeordnete erhöhen.
Blick auf den Wahlkreis Nr. 21, "Potsdam I"
Der Potsdamer Landtag umfasst regulär 88 Sitze. Die Hälfte der Mandate wird laut Brandenburgischem Landeswahlgesetz per Direktmandat (Erststimme) durch personalisierte Mehrheitswahl in den 44 Wahlkreisen vergeben. Die übrigen 44 Mandate füllen sich aus den Landeslisten der Parteien anhand der Ergebnisse aus der Verhältniswahl (Zweitstimme).
Auf dem Wahlzettel tauchten neben den Namen der Wahlkreiskandidaten insgesamt 14 Landeslisten der zur Wahl zugelassenen Parteien, politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen auf. Bei der Landtagswahl kann jede Wählerin und jeder Wähler insgesamt zwei Kreuze machen. Die Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht ist bekannt: Es werden durch das Ankreuzen zwei Stimmen vergeben, eine Erststimme für die Wahl eines Kandidaten im Wahlkreis (Direktmandat) und eine Zweitstimme zur Wahl einer Liste einer Partei oder politischen Vereinigung (Listenmandat).
Wahlberechtigt sind alle Einwohner des Landes mit deutscher Staatsangehörigkeit und mit ständigem Wohnsitz in Brandenburg ab 16 Jahren. Die Zahl der Erstwähler liegt bei der Landtagswahl bei rund 100.000.
Im scheidenden Landtag saß die SPD als stärkste Fraktion mit 25 Abgeordneten, die AfD mit 23 und die CDU mit 15. Bündnis90/Die Grünen und die Linke waren mit jeweils 10 Abgeordneten vertreten. Die brandenburgische Gruppe "BVB / Freie Wähler" stellte fünf Mandatsträger. Insgesamt setzte sich der Landtag damit bisher aus sechs Fraktionen zusammen.