
CDU und CSU, das sind Schwestern, aber das macht die Vorsitzenden Merz und Söder nicht zu Brüdern. Bei der Vorstellung einer Biografie über den Kanzlerkandidaten gibt der Bayer Einblicke in seine "Fernbeziehung" mit Merz.
Der Wahlkampf läuft gut für die Union - CDU und CSU liegen klar in Führung, entsprechend tiefenentspannt zeigte sich Kanzlerkandidat Friedrich Merz am Donnerstagabend bei RTL. In den wichtigen Themen Wirtschaft und Zuwanderung genießt er breites Vertrauen. Und alles wäre großartig, wenn da nicht stets der bange Blick nach München wäre.
Dort sitzt Markus Söder in Lauerstellung und wirft immer wieder mal eine Botschaft ins Wasser, die dann ihre Kreise zieht. Zum Beispiel die, dass es auf keinen Fall eine schwarz-grüne Koalition geben werde. Merz dagegen hatte das nie so klar ausgeschlossen. Im Gegenteil, er hatte sich die Option ausdrücklich offengehalten, schon aus taktischen Gründen. Im ZDF sagte er sogar, Robert Habeck sei auch künftig als Wirtschaftsminister nicht ausgeschlossen. Dabei ist der Grünen-Kandidat mittlerweile Söders Hauptzielscheibe in der Koalition. Söder mache das, um Merz zu schaden, ätzte Habeck seinerseits. Der ist zwar nicht der objektivste Beobachter, aber ist da etwas dran?
An diesem Freitag gibt Söder einige Einblicke in seine Fernbeziehung zu Friedrich Merz. In der Bundespressekonferenz stellt "Cicero"-Journalist Volker Resing sein Buch über den Kanzlerkandidaten der Union vor: "Friedrich Merz. Sein Weg zur Macht". Mit dabei: der bayerische Ministerpräsident. Als er für Fotografen mit dem Buch posiert, hat er Merz gewissermaßen in der Hand. Okay, vielleicht ist das jetzt überinterpretiert. Klar ist aber, Söder wäre auch gern selbst Kanzlerkandidat geworden. Bis er zugunsten von Merz verzichtete und sagte, er sei "fein damit".
Söder: Merz kein Mann der Sticheleien
Kaum jemand glaubt das. Der Grund für das Misstrauen liegt drei Jahre zurück. 2021 wurde der damalige CDU-Chef Armin Laschet Kanzlerkandidat, nach langem Hin und Her. Söder hielt sich für den besseren Kandidaten. Mit ständigen Bemerkungen, Querschüssen und Sticheleien machte er Laschet das Leben schwer. Insofern hat es eine feine Ironie, was er jetzt bei der Buchpräsentation über Merz sagt. "Er ist kein Politiker der klassischen Sticheleien, des Durchstechens, dieses ganzen Hintenrums, er hat eine klare Meinung."
Söder sagt wie meistens nichts Negatives über Merz. Im Gegenteil, er lobt ihn dafür, dass er die CDU wieder konservativer gemacht habe, in der Frage der Zuwanderung vor allem. "Ein Affentheater" sei es ja gewesen, wenn CDU und CSU in vergangenen Jahren gemeinsame Beschlüsse finden wollten. "Das war ja wie Ehen vor Gericht", meint Söder mit Blick auf die damalige Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Innenminister Horst Seehofer. "Merz hat das komplett geändert", freut sich Söder. Das Modell CDU/CSU sei ein totales Erfolgsmodell. Sehr viele Menschen in Deutschland wählten die CDU, weil es auch die CSU gebe. Und umgekehrt gelte das auch.
Auffallend häufig argumentiert Söder historisch. Bayern habe nie zum Deutschen Reich gehören wollen. "Ludwig II. wollte ja nicht", so Söder. Aber Bismarck habe ihm Angebote gemacht, nicht nur finanziell, sondern auch Sonderrechte. "Das hat dazu geführt, dass die Bayern immer gern dabei sind, aber nicht völlig. Dieses Modell ist von CDU und CSU übernommen worden."
Was will uns Söder damit sagen? Das die CSU nicht so völlig zur Union gehört? Dazu passt, dass er die Buchvorstellung nutzt, um Ministerposten für seine Partei zu fordern, was mitten im Wahlkampf eher unüblich ist. Insbesondere das Landwirtschaftsministerium beansprucht die Partei. Bayern sei eine Mischung aus Monarchie und Anarchie, philosophiert Söder. Das müsse man in der Spitze gemeinsam verkörpern. Söder, der Monarch in Bayern. Anarchie, die Abwesenheit von Herrschaft und Hierarchie, dürfte wohl der Fingerzeig ins restliche Deutschland sein, allen voran ins Sauerland.
Schlawienerhaft-Sympathisch gegen "sehr straight"
Söder bemüht noch einen historischen Vergleich: Die Wittelsbacher, das bayerische Adelsgeschlecht, seien früh genug für Napoleon gewesen, um Königreich zu werden, und früh genug gegen ihn, um es zu bleiben. Bei Söder klingt das fast schlawinerhaft-sympathisch. Über Merz sagt er: "Anders als früher habe ich das Gefühl, dass man ganz anders mit ihm reden kann, früher war er schon sehr straight, das fanden wir Jungen aber gut." Ist das Kritik oder ein Kompliment?
Von Merz habe er 1994 zum ersten Mal gehört, als er einen Rede-Wettbewerb gewonnen habe. Er, Söder, sei damals jüngster Landtagsabgeordneter in Bayern gewesen, Merz saß im Europaparlament. Europaabgeordneter zu sein, das habe damals nicht die Bedeutung gehabt. Heute sei das ganz anders. Als er nach Unterschieden zwischen sich und Merz gefragt wird, sagt er: Er, Söder, habe ein deutlich besseres Abitur gemacht. Er sei eher Beatles- als Stones-Fan. Und im Fußball sei Bayern erfolgreicher als Dortmund. Das seien drei fundamentale Unterschiede. Womit bewiesen ist, dass nicht nur Olaf Scholz sich cooler findet als Merz.
Ausführlich redet Söder darüber, wie Merz 2002 von Angela Merkel Merz als Fraktionsvorsitzenden abgesägt wurde. Wie das "Merz sehr weh getan" habe. "Ich weiß, wie Friedrich Merz über Angela Merkel gedacht hat. Natürlich sind jetzt alle Freunde." Dann beginnt er, Merkel zu loben. Wie sie die Kanzlerkandidatur des damaligen CSU-Chefs Edmund Stoiber nicht hintertrieben habe. Dass sie ihn 2018 im Landtagswahlkampf unterstützt habe. Wie gut sie während der Corona-Pandemie zusammengearbeitet hätten. Dass sie sich erst an Weihnachten SMS geschrieben hätten und sie ihm ihre Autobiographie ("Freiheit") geschickt habe.
Die Botschaft soll wohl sein: Ich unterstütze Merz, aber dafür gibt es Bedingungen. Bayern ordnet sich nicht unter. "Warum sollte Markus Söder mich ärgern?", fragte Merz im RTL-Kandidatencheck. Die Antwort muss wohl lauten: Weil es ihm Spaß macht.