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"Glaubensbüro" im Weißen Haus: Trumps Gottesanbeterin: Wie Paula White zur Predigerin des Präsidenten wurde



Donald Trump macht Religion zur Chefsache. Das neue "Glaubensbüro" soll "antichristliche Vorurteile" bekämpfen. An seiner Spitze: TV-Predigerin Paula White-Cain. Wer ist die Frau?

Paula White-Cain zeigt den Weg zur Erlösung ab 25 Dollar im Monat. Auf ihrer Website "verschenkt" die bekannte TV-Predigerin (gegen Spenden) alles, was ihre und Gottes Fans begehren: Ihr literarisches Starterpaket gibt es inklusive Hörbuch ab 140 Dollar aufwärts, die "Heilige Kommunion Box" mit ungesäuertem Brot und Traubensaft aus Israel samt zwei Abendmahlbechern aus Edelstahl schon ab 125 Dollar, und für nur 50 Dollar verschickt sie ihre vierteilige Serie "Die Kraft von Pfingsten" samt zwei Fläschchen Öl, über denen sie angeblich persönlich gebetet hat.

Millionen soll die 58-jährige Pastorin mit ihrer kruden Fusion aus Motivationscoaching und modernem Ablasshandel verdient haben. Damit gehört sie zu den erfolgreichsten Televangelisten des Landes, jenen meist erratischen Predigern, die Massenmedien zur Missionierung nutzen – und zum Gelderwerb.STERN PAID 08_25 IV Historiker Frankopan

Whites Herde dürfte bald noch um einiges größer werden. Am vergangenen Freitag verkündete US-Präsident Donald Trump per Exekutivanordnung die Schaffung eines "White House Faith Office", eines staatlichen Glaubensbüros – mit White an der Spitze.

Wer ist die Frau, auf deren spirituellen Rat der mächtigste Mann des Landes setzt?

Paula White, der Business-Engel mit dem Botox-Lächeln

White kam als Paula Michelle Furr in Mississippi zur Welt und wuchs in armen Verhältnissen auf. Ihr Vater nahm sich das Leben, als sie fünf war, ihre Mutter verfiel der Alkoholsucht. Eigenen Aussagen nach wurde sie im Alter von sechs bis 13 Jahren immer wieder missbraucht, litt später an Bulimie. Ihre Rettung fand sie schließlich im Glauben. 

1984, kurz nachdem sie mit ihrer Mutter zu deren neuem Mann nach Maryland gezogen war und dort ihren Schulabschluss gemacht hatte, konvertierte sie zur Church of God, einer erzkonservativen Freikirche. Im Jahr darauf heiratete sie und bekam einen Sohn. Die Ehe hielt allerdings nicht lange. Gemeinsam mit Ehemann Nummer zwei, dem Prediger Randy White, gründete sie Anfang der 90er-Jahre eine eigene Gemeinde in Tampa, Florida. 

2001 war dann das für sie entscheidende Jahr. Sie unterschrieb einen TV-Deal und nutzte ihre neue Popularität anschließend geschickt. Coachings, Bücher, all das brachte ihr Geld. Analyse Verfassungskrise USA 5.30

Kirchliche Institutionen müssen in den USA keine Steuern abführen, solange sie ihre Einnahmen für religiöse und wohltätige Zwecke verwenden. Zwischen 2007 und 2011 untersuchte der Finanzausschuss des US-Senats, ob sich White und fünf ihrer Kollegen auch wirklich daran hielten. Dabei kam heraus, dass sie und ihr Mann Spendengelder für einen Privatjet, üppige Gehaltszahlungen an Familienmitglieder und eine Villa am Meer ausgegeben hatten. In eine Glaubenskrise dürfte sie das aber wohl nicht gestürzt haben. Wie viele Pfingstler ist auch White Anhängerin des sogenannten Wohlstandsevangeliums, das materiellen Zugewinn als direkten Gunstbeweis des Himmels sieht: Gott gönnt Geld.

White überstand die Untersuchung, ihre Ehe tat es nicht. Den zweiten Teil ihres vollen Nachnamens White-Cain verdankt sie ihrem dritten Gatten, Jonathan Cain. Der liefert als Musiker nicht nur den Soundtrack zu ihren sonntäglichen Online-Andachten, sondern tourt seit mehr als 40 Jahren als Keyboarder der Rockband "Journey" durch die Welt. Deren bekanntester Song: "Don’t Stop Believin‘. Ende 2022 verklagte Gitarrist Neal Schon seinen Bandkollegen Cain auf Unterlassung, weil der den Welthit auf einem Trump-Event in Mar-a-Lago gespielt und damit politisiert habe.

Doch den vielleicht wichtigsten Mann in ihrem Leben, zumindest beruflich, lernte White bereits viel früher kennen.

Donald Trumps Chefketzerin

Es sei "bestimmt 23, 24 Jahre" her, da habe ein bekannter New Yorker Immobilienmogul sie aus heiterem Himmel angerufen, erinnert sich White in einem Interview mit dem US-Sender PBS. Donald Trump habe sich als Fan ihrer Fernsehpredigten geoutet, habe ihr den "X-Faktor" bescheinigt, das gewisse Etwas. Der Kontakt brach nie ab. Sie kaufte später eine Wohnung in einem seiner Wolkenkratzer in Manhattan und trat in Trumps TV-Show "The Apprentice" auf. Der wiederum soll mehrmals ihre Bibelkurse besucht haben und revanchierte sich mit Auftritten in ihrer Sendung.Trump White Show

Seitdem gilt White als die Frau, die Trump zu Gott gebracht hat. 2011 soll sie für ihn eine exklusive Gebetsrunde mit Dutzenden Geistlichen im Trump Tower organisiert haben. Im Anschluss habe er sie gefragt, was sie von einer möglichen Präsidentschaftskandidatur hielte. Sie habe ihm damals abgeraten.

Vier Jahre später war es so weit: Als Trump sich im Sommer 2015 für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewarb, galt er als seltsamer Außenseiter. Von seiner mangelnden (politischen) Reife einmal abgesehen: Wie sollte ein für seine zahlreichen Eskapaden bekannter Reality-TV-Star die konservative Basis, geschweige denn die unverzichtbaren Stimmen evangelikaler Christen hinter sich bringen? 

Auftritt White. Der gelang das Kunststück, den äußerst unchristlichen Lebenswandel Trumps in ihren flammenden Reden in ein christliches Narrativ zu packen und so konkurrierende christlichen Strömungen hinter Trump zu vereinen. Sie garantierte den Klerikern Einfluss – im Tausch für deren Loyalität. Im November 2016 stimmten acht von zehn weißen Evangelikalen für Trump.

White wird Trumps Sonderberaterin

Bei dessen Amtseinführung betete Whiten als erste Frau überhaupt vor einem Millionenpublikum für den Erfolg des aus ihrer – und seiner – Sicht von Gott auserkorenen Präsidenten. Später ging sie im Weißen Haus ein und aus, flog, wie sie der "Washington Post" sagte, mindestens einmal die Woche von Florida nach Washington. 2019 setzte Trump sie auf die offizielle Gehaltsliste, machte sie zur Sonderberaterin seiner "Glaubens- und Chancen-Initiative", im Prinzip eine staatlich geförderte Christen-Lobby. Um die Steuerbefreiung ihrer weiterhin lukrativen Kirchen nicht zu gefährden, übergab sie das Pastorat ihrer Megachurch in Florida damals an ihren Sohn und dessen Frau. 

Trump schielte zu dem Zeitpunkt auf eine zweite Amtszeit. Wie schon vier Jahre zuvor sollte White ihm die Stimmen der Evangelikalen sichern. Doch die von ihr geschaffene Verbindung von Gott und Geld, also das, was ihren Ansatz für Trump so attraktiv macht, ließ White auf andere Christen zusehends scheinheilig, gar ketzerisch wirken. 

Auftritte wie der nach Trumps Wahlniederlage im November 2020, bei dem sie "dämonische Konföderationen" bekämpfte, die Gottes auserwähltem Präsidenten die Wahl gestohlen hätten, verstörten nachhaltig.

Tweet White Wahlbetrug

Während Joe Biden nun im Weißen Haus residierte, arbeitete White unermüdlich an Trumps Comeback. Sie stieg unter anderem ins America First Policy Institute ein, einer ultrarechten Denkfabrik, die die ideologische und strategische Grundlage für Trumps zweite Amtszeit lieferte. Dort wurde sie Vorsitzende des "Zentrums für amerikanische Werte". Ihre Loyalität sollte sich auszahlen.

Rückkehr als Chefin des Glaubensbüros im Weißen Haus

Mit White als Leiterin des neu gegründeten "White House Faith Office", des Glaubensbüros des Weißen Hauses, ist nun also eine TV-Predigerin, die von vielen Christen als ungläubige Geldmacherin beschimpft wird, die mächtigste Gottesfrau des Landes. Die genauen Befugnisse des Glaubensbüros, das mehrere bestehende Behörden dieser Art zusammenfasst, sind schwammig formuliert. White wird klerikale Führer nach eigenem Ermessen zu Treffen einberufen und über die staatliche Förderung religiöser Gruppen entscheiden. Will ein Kirchenfürst Trumps Ohr, wird er künftig an ihr vorbeimüssen.

Gebet von Trump und Evangelikalen im Oval OfficeKein Mensch ist Donald Trump in spirituellen Fragen näher als Paula White-Cain – hier betet sie (ganz in weiß) Anfang Februar gemeinsam mit ihm und anderen Evangelikalen im Oval Office
© Weißes Haus

Zusätzlich wies Trump seine neue Justizministerin Pam Bondi zur Gründung einer Taskforce an, die "antichristliche Gewalt und Vandalismus in unserer Gesellschaft umfassend verfolgen" soll. White und Bondi kennen sich gut. Die Pastorin betete Mitte Januar mit der kurz darauf mächtigsten Juristin des Landes vor deren Senatsanhörung. Ein entsprechendes Dekret, das Trump am Freitag unterzeichnete, soll "die religiösen Freiheiten der Amerikaner schützen und die antichristliche Bewaffnung der Regierung beenden".

Tweet White Bondi

Bei einem Wahlkampfauftritt war Trump, der selbst Bibeln für 59,99 Dollar verkaufte, einmal gefragt worden, welche Textstellen er im Heiligen Buch denn besonders schätze.

Nennen konnte er keine.

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