Gigafabrik Grünheide: Müssen Verbraucher in Brandenburg 233.000 Euro für Tesla zahlen?

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Monatelang hat Tesla mit seinem Wasserversorger über einen neuen Vertrag verhandelt. Dieser soll eine Vorzugsbehandlung für den US-Autobauer vorsehen – auf Kosten anderer Kunden.

Nach langem Streit hatte sich der regionale Wasserversorger vor zwei Wochen auf einen neuen Wasservertrag für den E-Autobauer Tesla in Brandenburg geeinigt. Bis tief in die Nacht verhandelten am 4. Dezember die 16 Bürgermeister der Region bei der Versammlung des kommunalen Wasserverbands Strausberg-Erkner (WSE). Dann verkündete der Versammlungsvorsitzende Thomas Krieger stolz: Ein Vertragsangebot sei mehrheitlich beschlossen worden. Tesla müsse nur noch zustimmen.

Auf was sich die Bürgermeister mit dem größten Industrieunternehmen der Region geeinigt hatten, das allerdings verriet Krieger den Bürgern nicht. Stattdessen sagte er: "Ich denke, Tesla sollte mit dem Vertrag gut leben können." Recherchen von stern und RTL kommen zu einem ähnlichen Schluss.

Tesla überschritt Grenzwerte im Abwasser

Denn wie es aussieht, bevorzugt der Vertragsentwurf Tesla gleich in mehrerlei Hinsicht. Da sind zunächst die zulässigen Grenzwerte für wassergefährdende Stoffe im Abwasser, die der Autobauer in seiner Fabrik in der Vergangenheit zeitweise erheblich überschritten hatte. Recherchen von stern und RTL hatten die zu hohe Belastung mit Phospor und Stickstoff erstmals im Februar 2024 öffentlich gemacht. Doch statt Tesla mit Schadenersatzforderungen zu niedrigeren Grenzwerten zu zwingen, entschied sich die Wasserverbandsversammlung laut Recherchen zu einem anderen Schritt: Der Vertragsentwurf soll unter anderem höhere Grenzwerte für Stickstoff festschreiben.

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Offenbar soll der Entwurf aber auch finanzielle Sonderkonditionen für Tesla beinhalten. stern und RTL liegt ein alarmierender Brief vor, den der Wasserverbandsvorsteher André Bähler am 13. Dezember an die Bürgermeister der Region geschrieben hatte. Darin warnt er, dass der von ihnen verabschiedete Vertragsentwurf zu einem Defizit im Wirtschaftsplan des Wasserversorgers WSE führen werde. Diese Einnahmenlücke müsse laut seiner Einschätzung "letzten Endes von allen Kunden des WSE getragen werden". Der angebliche Grund: In dem Vertragsentwurf sollen die Gebühren für Trink- und Abwasser auf den Stand der Jahre 2022 beziehungsweise 2023 eingefroren sein. Hat Bähler Recht mit seiner Warnung, so wäre Tesla durch den Vertrag künftig ausgenommen von Gebührenanpassungen.

Verbandschef bestätigt Finanzierungslücke

Allein für das kommende Jahr könnte den Recherchen zufolge eine Finanzlücke von schätzungsweise rund 233.000 Euro entstehen. Da der kommunale Wasserverband keinen Verlust machen sollte, dürfte die Summe wohl zwangsläufig durch steigende Gebühren für die Verbraucher ausgeglichen werden. WSE-Chef Bähler bestätigte die Summe auf Nachfrage. 

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stern und RTL konfrontierten die 16 Bürgermeister als stimmberechtigte Mitglieder der Wasserverbandsversammlung mit den Recherchen. Der Vorsitzende der Verbandsversammlung und Bürgermeister der Gemeinde Fredersdorf-Vogelsdorf, Thomas Krieger, antwortete stellvertretend. Die angebliche Finanzlücke von 233.000 Euro kommentierte er nicht. Auf die Frage, ob Tesla eine Sonderregelung eingeräumt würde und die neuen Trinkwassergebühren für Tesla demnach nicht gelten würden, antwortete Krieger: "Tesla hat die Geltung der Preisfestsetzung ausdrücklich noch vor der Verbandsversammlung bekräftigt." Inwiefern diese Bekräftigungen aber auch in den nun vorgelegten Vertragsentwurf eingeflossen seien, das erklärte Krieger jedoch nicht. Von den anderen Bürgermeistern antwortete nur Ralf Steinbrück aus der Gemeinde Schöneiche. Er verneinte die Sonderbehandlung für Tesla nicht explizit. Stattdessen sagte er, die E-Autofabrik sei im Gewerbe- und Industriegebiet Freienbrink angesiedelt. "Die für alle Kunden dort geltenden Preise hat die Verbandsversammlung beschlossen.“ Tesla ließ eine Anfrage der Redaktion unbeantwortet.

Strafanzeige wegen "Vorteilsnahme im Amt"

Unter den Tesla-kritischen Bürgerinitiativen und Umweltverbänden der Region regt sich derweil Unmut über den Vertragsentwurf. Der Verein für Natur und Landschaft Brandenburg stellte sogar Strafanzeige gegen einen angeblich am Vertragsentwurf beteiligten Bürgermeister. Der Vorwurf: "Verdacht auf Vorteilsnahme im Amt", da der Vertragsentwurf Nachteile für Kunden bringe. Der Beschuldigte wies die Vorwürfe zurück. 

stern und RTL fragten die 16 Bürgermeister ebenfalls, ob sie in der Verbandsversammlung je kontrolliert hätten, inwiefern einer unter ihnen Tesla-Aktien besitze. Schöneiches Bürgermeister Steinbrück antwortete: "Es gab bisher keinen Anlass, das zu prüfen." Und der Verbandsversammlungsvorsitzende Krieger schrieb, die Verbandsmitglieder müssten sich nicht gegenseitig auf die Einhaltung geltender Gesetze überprüfen und hätten dazu auch "keinerlei Kompetenzen".