Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist in vielen Städten angespannt. Gleichzeitig stehen viele Gewerbe- und Bürogebäude leer. Könnten Umwidmung und Umbau den Markt entlasten?
Architekt Klaus Wehrle steht mitten im Staub. Neben ihm reißen Arbeiter alte Bretter von der Decke. Ein Berg ausgedienter Kabel reiht sich ein in das Bild der Zerstörung in dem ehemaligen Volksbankgebäude mitten in Waldkirch. Noch lässt sich nur mit viel Fantasie erahnen, dass hier bald Menschen wohnen sollen. Doch Wehrle, ein Mann der Zuversicht, versprüht Optimismus. Er geht ein Stockwerk nach oben. "Das hier war früher der Partyraum der Bank. Hier kann man das Thema Loftwohnung umsetzen. Eigentlich ein schöner Raum."
Wie im gesamten Gebäude muss auch in der künftigen Loftwohnung noch viel gemacht werden. Alter, blauer Teppichboden, schlecht gedämmte Fenster und vieles mehr lassen den Raum nur für das geübte Architektenauge als potenziellen Wohnraum erscheinen. Klaus Wehrle hat ein solches Auge. Er hat sich als Architekt darauf spezialisiert, ehemaligen Büro- und Gewerbegebäude ein zweites Leben einzuhauchen und sie zu Wohnraum umzuwidmen.
Millionen Quadratmeter Leerstand
Eine Spezialisierung mit Potenzial. Eine Studie des ifo Instituts vom September 2024 hält Büro-Umwandlungen wie diese auf 2,3 Millionen Quadratmeter Bürofläche deutschlandweit für möglich. Allein in den sieben größten Städten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf seien so derzeit 60.000 Wohnungen möglich - Tendenz steigend. Die Studie rechnet mit weiteren 3,5 Millionen Quadratmetern Leerstand in den kommenden Jahren, vor allem bedingt durch den steigenden Trend zum Homeoffice.
Ökologische und finanzielle Vorteile
Neben dem Schaffen von Wohnraum gäbe es dabei viele weitere Vorteile, so Architekt Wehrle in Waldkirch. Vor allem aus ökologischer und finanzieller Sicht ergebe das in seinen Augen Sinn, "weil sie damit das, was hier […] an Energie durch Bausubstanz in das Gebäude eingetragen wurde, sichern." Damit meint er unter anderem Baustoffe, Arbeitszeit, maschineller Aufwand und die Planerische Leistung.
Von "grauer Energie" spricht in diesem Kontext Theresa Keilhacker, die Präsidentin der Architektenkammer Berlin. 60 Prozent dieser Energie sei im Rohbau solcher Immobilien gebunden und würde im Vergleich zu einem Neubau gespart werden. Weitere Vorteile für einen Umbau sind laut Keilhacker, dass "Bürogebäude und Gewerbeflächen in der Regel bereits an eine verkehrliche Infrastruktur angebunden sind und man hier keine mehr neu bauen und bezahlen muss".
Architekt Wehrle fallen noch weitere Argumente ein. Eine Innenstadt wie die von Waldkirch könnte durch einen solchen Umbau neu belebt werden. Der Leerstand in Städten werde größer, viele Geschäfte müssten aufgeben. Wehrle sieht da eine große Chance, die angespannte Wohnsituation durch solche Umwandlungen zu entspannen. Außerdem könnte der anhaltende Flächenfraß durch Neubaugebiete reduziert und Ressourcen gespart werden.
Viele Hürden auf dem Weg zum Wohnraum
Trotz aller Vorteile: Die Umwidmung ist kein leichtes Unterfangen. Die Vorgaben für Wohnraum sind streng. Brandschutz, Barrierefreiheit, Erdbebenschutz sind nur einige bürokratische Hürden, die Wehrle überspringen und einplanen muss. Der Hauptgrund: Die meisten Immobilien, die umwandelt werden, sind in einer Zeit entstanden, in der die Vorgaben nicht so streng waren, außerdem gelten in Wohnungen teilweise andere Regeln als in Büroräumen.
Hinzukommt, dass Bürogebäude, wie die alte Volksbank in Waldkirch von der Raumaufteilung nicht auf Wohnraum ausgelegt sind. Bäder, Fenster, Heizung: Alles muss von Grund auf geändert und neu aufgebaut werden. Insgesamt 28 Wohnungen sollen hier in Waldkirch in dem dreistöckigen Bau entstehen, vom Einzimmerappartement bis zur Fünfzimmerwohnung. Viel Arbeit, viele Vorschriften, viel Verwaltungsstress.
Starre Verordnungen bremsen
In den Verwaltungsapparaten vieler Kommunen werde Wohnraum und Gewerbe immer noch kategorisch voneinander getrennt, kritisieren viele Experten, wie der Stadtplaner und Architekt Franz Pesch aus Dortmund. Kommunen müssten sich offener zeigen und Verfahren beschleunigen, denn Wohnen und Gewerbe schließe sich nicht mehr aus und könne gut nebeneinander passieren. Was dafür allerdings gebraucht werde, seien die planungsrechtlichen Voraussetzungen. "Die werden von den Kommunen noch nicht offensiv genug genutzt." Flächennutzungspläne sollten angepasst und offener gestaltet werden.
Kommunen haben die Möglichkeiten, Verfahren zu beschleunigen und Umwidmungen vorzunehmen, so Architekt Wehrle. Er verweist auf sein derzeitiges Großprojekt in Waldkirch. Allerdings würden sie nicht überall genutzt und motiviert angegangen. Die zuständige Verwaltung in Waldkirch sei dem Umbau offen gegenübergetreten und habe schnell alle nötigen Genehmigungen erteilt.
Seine Erfahrung zeige, dass es im Rahmen des Erlaubten auch an den jeweiligen Mitarbeitern der Behörde liege, ob und wie schnell etwas möglich gemacht werden könne. In Waldkirch hat Wehrle Glück gehabt, und schon 2026 sollen so die ersten Bewohner in das ehemalige Volksbank Gebäude einziehen.
Umwidmung nicht immer wirtschaftlich
Theresa Keilhacker von der Architektenkammer Berlin sieht bei der Umwidmung von reinen Industrie- und Gewerbegebieten zu Wohnraum rechtliche Hürden. "Im Mischgebiet oder 'Urbanen Gebiet' wäre Wohnen zulässig." Hier käme es auf den ordnungspolitischen Rahmen der Landesbauordnung an, ob und wie eine solche Umwidmung möglich gemacht werden könne.
Sie sieht eine große Hürde vor allem auch in den höheren Einnahmen, die beim Vermieten von Büroimmobilien erzielt werden könnten. Durch Wohnraum und niedrigeren Mieten könnte die Immobilie abgewertet werden. "Deshalb ist so ein Umbau nicht immer wirtschaftlich." Von der neuen Bundesregierung fordert sie die Umsetzung des Förderprogramm "Umbau von Gewerbeimmobilien zu Wohneinheiten". Dieses wurde von der vergangenen Ampelregierung zwar angekündigt, aber nicht mehr realisiert.