1 month ago

Gesetz könnte Strompreise senken: SPD: Merz will Job-Sorgen von Millionen "einfach aussitzen"



Die rot-grüne Minderheitsregierung will die Energiepreise durch einen Bundeszuschuss an die Netzübertragungskosten senken. Das soll Verbraucher entlasten und der Wirtschaft aus der Krise helfen. Dass die Union dem nicht zustimmen will, sorgt bei der SPD für Empörung.

Die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen will noch vor der Bundestagswahl die Strompreise für Unternehmen und Verbraucher senken und fordert dafür die Zustimmung von CDU und CSU. "Hunderttausende bangen um ihre Jobs, doch Friedrich Merz will das einfach aussitzen", sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zu ntv.de. "Besonders die hohen Energiekosten setzen unsere Unternehmen massiv unter Druck. Eine Deckelung der Netzentgelte könnte sofort helfen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern." Unionsfraktionschef Merz aber blockiere den am Mittwoch beschlossenen Gesetzesvorschlag, anstatt der Bundesregierung zu einer Mehrheit zu verhelfen.

Miersch hat nach eigenen Angaben für die Haltung des gemeinsamen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU kein Verständnis: "Es geht um die Zukunft von über 84 Millionen Menschen. Merz verdonnert sie zu einem halben Jahr Stillstand", sagte Miersch unter Verweis auf die erst in zweieinhalb Monaten stattfindende Bundestagswahl und die sich daran anschließenden Koalitionsverhandlungen. "Es ist unverantwortlich, den Schaden für die deutsche Wirtschaft bewusst in Kauf zu nehmen. Warum Zeit verlieren, wenn wir jetzt Entlastungen, Planungssicherheit und Unterstützung für die Unternehmen auf den Weg bringen können?"

Merz solle erklären, wie er die Wirtschaft schon vor der Wahl unterstützen wolle und "endlich seine Blockadehaltung aufgeben", sagte Miersch. Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck machen sich vor dem Hintergrund entsprechender Forderungen aus der Wirtschaft seit Längerem dafür stark, die Netzentgelte zu senken. Sie sind ein Bestandteil des Strompreises und steigen wegen der hohen Kosten für den Stromnetzausbau. Grünen-Kanzlerkandidat Habeck und SPD-Kanzlerkandidat Scholz gehen zudem beide mit dem Versprechen dauerhaft sinkender Strompreise in den Wahlkampf.

Union lehnt "hektische Flickschusterei" ab

Die Union hatte den Vorstoß der rot-grünen Bundesregierung noch am Mittwoch zurückgewiesen. "Dieser Vorschlag ist unzureichend, unausgegoren und ungedeckt", sagte Unionsfraktionsvize Andreas Jung dem "Handelsblatt". Schon die Finanzierung der vorgesehenen 1,3 Milliarden Euro bleibe völlig offen. Jung bezweifelte zudem die rasche Umsetzbarkeit eines zum Jahresende gefassten Beschlusses. "Wir brauchen einen großen Wurf mit Verlässlichkeit statt hektische Schaufenster-Politik."

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jens Spahn ergänzte: "Robert Habeck betreibt hektische Flickschusterei. Drei Jahre lang hat er die deutsche Industrie in die Krise gefahren, jetzt kommt er mit halbgaren Mini-Lösungen um die Ecke." Dieses Gesetz werde die Zustimmung der Union nicht finden.

Blockierter Bundestag

Die Regierungsfraktion von SPD und Grünen einerseits und CDU, CSU und FDP andererseits sind heftig zerstritten über Gesetzesvorhaben, die noch vor der Wahl den Bundestag passieren könnten. Die Union will weder haushaltsrelevante Entscheidungen noch einen Gruppenantrag zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten drei Monaten mittragen. Selbst die sonst unspektakuläre Festlegung der Tagesordnung des Bundestags hatte bis zum Dienstagabend gedauert, weil die Ansichten über das weitere Vorgehen bis zum 23. Februar derart auseinandergehen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte, die Netzentgelte sollten kurzfristig schon für das Jahr 2025 gedämpft werden. "Jetzt hat das Parlament die Grundlage, die Entlastung schnell zu beschließen. Ich werbe dafür, dass wir hier schnell eine Einigung finden - im Sinne der Wirtschaft und der Verbraucher." Die Tagesordnung des Bundestages sieht vor, den Gesetzentwurf am kommenden Freitag in erster Lesung im Plenum zu behandeln.

Netzentgelte auf Rekordniveau

Habecks von der SPD unterstützter Vorschlag sieht vor, dass der Bund im kommenden Jahr aus dem eigenen Haushalt 1,32 Milliarden Euro zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten zuschießt. Denkbar ist, dass zur Finanzierung ein Teil von eigentlich vorgesehenen Intel-Fördermitteln genutzt wird. Die Gelder werden durch die Verschiebung beim Intel-Chipwerk in Magdeburg frei.

Die Wirtschaft beklagt seit Langem im internationalen Vergleich hohe Stromkosten. Eigentlich war für dieses Jahr ein Bundeszuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro geplant. Als Folge eines Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts hatte die Bundesregierung diesen Zuschuss aber aus Spargründen gestrichen. Der fehlende Zuschuss belastet vor allem die energieintensive Industrie.

Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox hatte der Wegfall des Milliarden-Bundeszuschusses für die Übertragungsnetzentgelte auch für Verbraucher deutliche Auswirkungen. Die Netzentgelte seien im vergangenen Jahr so stark wie noch nie um 23,4 Prozent auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Mit 30 Prozent sei der Anteil der Netzentgelte am Strompreis aktuell deutlich höher als in den vergangenen Jahren.

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