
hintergrund
Lange Zeit war jungen Menschen Zufriedenheit in ihrem Job am wichtigsten. Doch im Moment steht bei vielen finanzielle Sicherheit an erster Stelle. Das hat vor allem mit der wirtschaftlichen Lage zu tun.
Wirtschaftlich sind gerade unsichere Zeiten. Viele junge Menschen sind trotzdem bereit, ihren Job aufzugeben und einen neuen zu suchen. Innerhalb der Generation Z, also den Menschen, die heute zwischen zwölf und 28 Jahre alt und berufstätig sind, ist es sogar die Hälfte. Rund zehn Prozent von ihnen haben bereits konkrete Pläne für einen Wechsel. Das hat eine Forsa-Studie im Auftrag des Berufsnetzwerks Xing ergeben.
In der gesamten Bevölkerung ist die Zahl dagegen niedriger. Bei den jungen Menschen hat sich vor allem geändert, weshalb sie wechseln wollen. Lange Zeit waren sie auf der Suche nach mehr Zufriedenheit, einer gewissen Selbstverwirklichung. Heute geht es vielen darum, dass sie mit ihrem Gehalt unzufrieden sind.
Mit Corona nahm alles seinen Lauf
Jugendforscher Simon Schnetzer erklärt, dass dies mit den Krisen der vergangenen fünf Jahre zusammenhänge. Als Leiter der Trendstudie "Jugend in Deutschland" beschäftigt er sich schon seit 2012 damit, wie junge Menschen auf Arbeit und Zukunft blicken. Jahrelang sei es in der Tat so gewesen, dass Spaß an der eigenen Tätigkeit beziehungsweise eine gewisse Erfüllung durch den Beruf an erster Stelle stand.
"Aber genährt zunächst durch die Corona-Pandemie, später dann auch durch die starke Inflation ab 2022, haben junge Menschen immer stärker das Gefühl, es reicht nicht", so Schnetzer. Und wenn sich finanzielle Unsicherheit so stark im eigenen Leben manifestieren würde, dann spiegele sich das auch in den beruflichen Prioritäten junger Menschen wider. Seit 2020 kann er daher beobachten, wie sich Geld als Motivationsfaktor im Ranking an die erste Stelle geschoben habe.
Es gehe dabei gar nicht darum, dass junge Menschen jetzt auf einmal reicher werden wollten als früher, sagt Schnetzer. Eine ähnliche Entwicklung habe es auch ab 2008 gegeben, ausgelöst durch die Finanzkrise. Durch den wirtschaftlichen Einbruch sahen viele ihre Zukunft in Gefahr, bezeichneten sich sogar als "Krisen-Kinder", erinnert sich Schnetzer. Damals wie heute habe sich gezeigt: "Wenn es nicht reicht, dann ist Geld zunächst das Wichtigste, um Sicherheit zu haben." Andere Bedürfnisse treten dann zurück.
Ungebundenheit macht wechselfreudig
Grundsätzlich ist es aber so, dass junge Menschen schon immer wechselwilliger waren als ihre älteren Berufskollegen, sagt auch Ronja Ebeling, die sich als Buchautorin mit der Gen Z beschäftigt hat. "Das liegt natürlich daran, dass sie gerade noch generell in einer Phase in ihrem Leben sind, in der sie suchen und gerne finden möchten. Das heißt, da spielt einfach noch ein bisschen mehr Leichtigkeit mit, wenn man das mit anderen Generationen vergleichen möchte."
Dass das Finanzielle nun im Vordergrund stehe, sei jedoch auch verständlich, sagt Ebeling. Trotz der hohen Inflation seien die Einstiegsgehälter in den letzten Jahren nicht gravierend gestiegen. "Das heißt, junge Menschen haben schon auch ein Interesse daran, schnell und zügig mehr zu verdienen, um eben auch in Sachen Inflation, in Sachen Wirtschaftskrise selber möglichst stabil dazustehen", so die Autorin.
Perspektive auf dem Arbeitsmarkt
Dass junge Menschen so bereit seien, den Job zu wechseln, hänge aber auch damit zusammen, dass sie ganz anders sozialisiert wurden, sagt Rüdiger Maas vom Institut für Generationenforschung. Nicht nur seien sie in einer Zeit relativen Wohlstandes groß geworden; sie hätten auch immer suggeriert bekommen, dass ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt hoch seien. "Momentan kommt auch noch jeder unter", sagt er.
Ein Grund dafür sei, dass gerade viele aus der Generation der Babyboomer in Rente gehen, während weniger Junge nachrücken: Auf etwa 3.000 Menschen, die jeden Tag die 65 erreichen, kämen nur etwa 1.800, die 18 Jahre alt werden, sagt Maas. Für Fachkräfte aus dem Ausland sei Deutschland dagegen oft unattraktiv.
Auch an anderen Stellen macht sich diese Sozialisierung bemerkbar: Junge Menschen wechseln heute nicht zwingend aus einer Notwendigkeit heraus, sondern generell, um ihre berufliche Situation zu verbessern. Dazu gehöre das Gehalt genauso wie die sonstige Zufriedenheit im Job, so Maas.
Trotz Unsicherheit: Positiver Blick in die Zukunft
Insgesamt macht sich die Mehrheit der Deutschen keine Sorgen um ihre berufliche Sicherheit. In der Xing-Studie gaben mehr als 90 Prozent an, dass sie nicht mit einer Kündigung im kommenden Jahr rechnen würden. Im Vorjahr war der Wert zwar noch etwas höher, doch das Vertrauen in die eigene Jobsicherheit bleibt hoch.
Gerade für junge Menschen spielt die Zukunftsperspektive aber auch eine Rolle dabei, ob sie über einen Wechsel nachdenken. Dabei schauen sie nicht nur auf den eigenen Arbeitsplatz, sondern auch darauf, wie das ganze Unternehmen aufgestellt ist.
Wenn Arbeitgeber darauf keine Antwort geben könnten oder auf die gleiche Strategie vertrauen würden wie schon die vergangen 25 Jahre, dann würden junge Menschen stutzig werden, sagt Ebeling. "Das deckt dann auch nicht ihr Sicherheitsbedürfnis, dass sie bei einem Arbeitgeber arbeiten, der eine ganz genaue Vision hat, wie es in Zukunft weitergehen soll."
Sicherheit in unsicheren Zeiten - denn dass mit Klimakrise, Kriege und die politische Unsicherheit gerade vieles auf einmal ansteht, das beschäftigt junge Menschen. Der Job soll da dann Sicherheit versprechen - auch finanziell.