14 hours ago

"Geht an Realität vorbei": Trumps Abschiebe-Pläne machen US-Behörde skeptisch



Der designierte US-Präsident Donald Trump will Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis konsequent ausweisen. Bei der US-Migrationsbehörde stößt das Vorhaben auf Irritationen. Denn schon jetzt fehlt es an Ressourcen.

Früher Morgen in New York. Es ist noch dunkel. Seit zwei Stunden sitzen Mitarbeiter einer Migrationsbehörde vor einem zweistöckigen Gebäude in ihrem Fahrzeug. In der Nähe donnert ein Vorortzug über die Gleise. Dann knistert eine Stimme aus dem Funkgerät. Das müsse die Zielperson sein, sagt ein Kollege. "Kapuzenpullover. Rucksack. Läuft schnell." Kurz darauf haben die Männer einem 23-jährigen Ecuadorianer Handschellen angelegt.

Die Vorstellung, dass Sicherheitskräfte einfach in ein Viertel kommen könnten, um Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis reihenweise festzunehmen und in ihre Heimatländer zurückzuschicken, gehe an der Realität vorbei, sagt Kenneth Genalo, Vollstreckungsbeamter der Einwanderungs- und Zollbehörde ICE in New York. In den meisten Fällen würden seine Leute ganz gezielt nach einzelnen Migranten suchen, die wegen eines Verbrechens verurteilt worden seien. Und damit hätten sie schon mehr als genug zu tun.

Donald Trump, der im Januar erneut ins Weiße Haus einziehen wird, hat einen harten Kurs im Kampf gegen illegale Einwanderung angekündigt. Im Wahlkampf hat er immer wieder auch von Massenabschiebungen gesprochen. Viele Experten fragen sich allerdings, wie der Republikaner seine Pläne umsetzen will. Das Beispiel der Festnahme des 23-jährigen Ecuadorianers in New York zeigt deutlich, dass die vorhandenen Ressourcen dafür nicht ansatzweise ausreichen würden.

Homan künftiger "Grenz-Zar"

Die Regierung von Präsident Joe Biden hatte bei Abschiebungen den Fokus auf Personen gelegt, die als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit eingestuft wurden sowie auf Migranten, die gerade erst über die Grenze gekommen waren. Tom Homan, den Trump als künftigen "Grenz-Zar" vorgestellt hat, will laut eigenen Angaben zwar ebenfalls zunächst diejenigen ins Visier nehmen, von denen eine Gefahr ausgehen könnte. Doch dabei will er es nicht belassen. "Wenn du illegal im Land bist, hast du ein Problem", sagte er kürzlich dem Sender Dr. Phil's Merit TV.

Derzeit gibt es in den USA gegen etwa 1,4 Millionen Menschen Abschiebungsanordnungen. Etwa 660.000 stehen unter Beobachtung der Behörden, weil sie wegen Straftaten verurteilt worden sind oder weil Anklagen gegen sie vorliegen. Die zuständige Grenzschutzbehörde ICE (United States Immigration and Customs Enforcement) hat aber nur 6000 Mitarbeiter, die dafür zuständig sind, die sich im Land aufhaltenden ausländischen Staatsbürger zu überwachen - und sie gegebenenfalls zu finden und abzuschieben.

Einsätze oft aufwendig

Wie aufwendig das sein kann, veranschaulicht der jüngste Einsatz in New York, bei dem die Nachrichtenagentur AP die Beamten begleiten durfte. Etwa ein Dutzend Männer hatten sich vor fünf Uhr morgens auf einem Parkplatz im Stadtteil Bronx versammelt, Geräte überprüft und Schutzausrüstung angezogen. In der Regel hätten seine Leute keine Befugnis, eine Wohnung zu betreten und müssten deswegen warten, bis ihre Zielpersonen nach draußen kämen, sagt Genalo.

Die Beamten hatten zuvor in Erfahrung gebracht, dass der 23-jährige Ecuadorianer, der die Vergewaltigung eines 14-jährigen Mädchens gestanden hat, oft zwischen 7.00 Uhr und 7.30 Uhr aus der Wohnung ging. Von ihren Fahrzeugen aus beobachteten sie, wie in dem Haus Lichter angemacht wurden und zunächst andere Personen aus der Tür kamen. Als sie den Ecuadorianer festgenommen hatten, setzten sie ihn auf die Rückbank eines der Fahrzeuge und verließen schnell das Viertel.

Die 22-jährige Frau des Ecuadorianers erfuhr erst von den Geschehnissen, als ihr Mann sie später aus dem Gewahrsam heraus anrief. Im Gespräch mit der AP sagt sie, sie habe ihren Mann bereits in Ecuador kennengelernt. Sie hätten eine gemeinsame dreijährige Tochter und nun sei sie mit dem zweiten Kind schwanger. Ihr Mann arbeite in der Bauwirtschaft, sie selbst als Handpflegerin. Sie habe gewusst, dass ihr Mann abgeschoben werden könnte. Trotzdem sei sie schockiert.

Nicht alle Städte kooperieren

Insgesamt hat die US-Behörde ICE laut eigenen Angaben zuletzt innerhalb von zwölf Monaten mehr als 270.000 Menschen abgeschoben - so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr. Einige Städte und Bundesstaaten kooperieren mit der nationalen Behörde und überstellen ihr etwa in Gewahrsam befindliche Personen, die keine US-Bürger sind. Viele demokratisch geprägte Städte und Staaten verweigern eine solche Zusammenarbeit aber. In New York etwa hatte die ICE lange ein eigenes Büro im Gefängnis, bis 2014 der damalige Bürgermeister Bill de Blasio die Kooperation einschränken ließ.

Sein Nachfolger Eric Adams hat sich offen dafür gezeigt, einige der damaligen Neuregelungen wieder rückgängig zu machen. Vor Kurzem traf sich der Bürgermeister mit Homan. Vor Journalisten sagte er anschließend, er und Homan hätten sich darauf geeinigt, Menschen, die Gewaltverbrechen begingen, zu verfolgen. Viele Befürworter einer gemäßigten Einwanderungspolitik sehen die Vorgehensweisen der ICE kritisch und blicken der zweiten Amtseinführung von Trump im Januar mit großer Sorge entgegen. Während der ersten Amtszeit von Trump habe es oft "Kollateral-Festnahmen" gegeben, also Fälle, bei denen neben eigentlichen Zielpersonen gleich weitere Migranten mitgenommen worden seien, sagt Jehan Laner von der Organisation Immigrant Legal Resource Center.

Genalo sagt, er könne die politischen Pläne der künftigen Regierung nicht kommentieren. Er betont aber, dass er eine Liste mit etwa 58.000 Personen habe, die bereits wegen einer Straftat verurteilt worden seien oder gegen die ein Verfahren laufe. Er sei sich daher ziemlich sicher, dass er und seine Mitarbeiter "noch eine Weile ganz damit beschäftigt sein" würden, sich diejenigen Migranten vorzunehmen, die einen kriminellen Hintergrund hätten.

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen

© Varient 2024. All rights are reserved