Eine russische Propagandaeinheit mischt sich mit Deepfake-Videos in die US-Präsidentschaftswahl ein. Im Visier: Tim Walz, Vizekandidat der Demokratin Kamala Harris, der sich angeblich an Kindern vergeht. Nun warnen die Geheimdienste vor den kommenden Wochen.
Russland mischt sich in den US-Wahlkampf ein. Und wie: In einem Video bezichtigt ein angebliches Opfer Tim Walz, den Vizepräsidentschaftskandidaten der Demokratin Kamala Harris, ihn als Minderjährigen sexuell belästigt zu haben. Es wird millionenfach angesehen, die Emotionen kochen hoch. Doch die angebliche Aufnahme ist mit dem Computer generiert, ein länger als vierminütiges Deepfake-Video.
Bislang war unklar, woher das Video kam. Jetzt sagen die Geheimdienste der Vereinigten Staaten laut "Fox News": Russland ist verantwortlich, seine Akteure hätten es "erstellt und verbreitet". Es ist nur eines von vielen Inhalten in sozialen Medien, die Walz als Sexualverbrecher darstellen. Die sind Beleg dafür, dass Moskau versucht, die Präsidentschaftswahl beim geopolitischen Rivalen mithilfe der sozialen Medien zugunsten des Republikaners Donald Trump zu beeinflussen. Auch 2016 und 2020 mischte sich Russland auf unterschiedliche Weisen in die Wahlen ein.
Höchstwahrscheinlich habe dessen Propagandaeinheit "Storm-1516" das Video erstellt, schreibt das Technikmagazin "Wired". Demnach stecke die Gruppe hinter dem "koordinierten Versuch, wilde und haltlose Behauptungen zu verbreiten, dass Vizekandidat Tim Walz einen seiner ehemaligen Schüler sexuell belästigt habe". "Storm-1516" ist unter Experten bekannt. Seit Herbst 2023 habe die Gruppe mindestens 50-mal versucht, gefälschte Nachrichten in US-Medien zu verbreiten, wie "NBC News" angibt.
Auch Fake-Video über Harris
Die Gruppe postet der Analyse zufolge immer wieder gefälschte Whistleblower- und Deepfake-Videos, um russische Themen in der US-Medienlandschaft unterzubringen. Die Propagandaeinheit sei auch für ein Fake-Video über Kamala Harris aus dem September verantwortlich. Darin wird fälschlicherweise behauptet, die Präsidentschaftskandidatin habe 2011 in San Francisco nach einem Unfall Fahrerflucht begangen. Die Polizei sagt, der Unfall habe nie stattgefunden und der angebliche lokale Nachrichtensender, der darüber berichtet haben soll, existiert nicht.
Seit vergangener Woche machen die Vorwürfe gegen Walz die Runde. Das Nutzerkonto Black Insurrectionist ("Schwarzer Aufständischer") postete angebliche Screenshots eines Missbrauchsopfers, das als Minderjähriger eine Beziehung mit Walz geführt haben wollte und nun seine Geschichte erzählte. Später meldete sich eine andere Person per Video und behauptete, mit einem von Walz' Opfern telefoniert zu haben. Schließlich erschien das Deepfake-Video eines gewissen Matthew Metro von der High School, an der Walz unterrichtet hatte, welcher den Vizekandidaten beschuldigte. Es wurde mehr als 5 Millionen Mal angesehen, bevor es wieder verschwand.
Der Name ist nicht erfunden, Matthew Metro existiert, er ging vor vielen Jahren auch auf die Mankato West High School im Bundesstaat Minnesota. Doch das Gesicht sah völlig anders aus, die Stimme war falsch - dies fand die "Washington Post" heraus, nachdem die Zeitung den wahren Matthew Metro auf Hawaii ausfindig gemacht hatte. "Das bin offensichtlich nicht ich", wird der 45-Jährige zitiert. Walz habe er nie getroffen. Inzwischen existiert das Nutzerkonto des ursprünglichen Tweets nicht mehr.
QAnon bislang der Gipfel
Unter Verschwörungstheoretikern und manchen Trump-Anhängern sind Vorwürfe wegen angeblichen Kindesmissbrauchs gegen die Demokraten verbreitet. Im Wahlkampf 2020 gipfelten sie in den Behauptungen der QAnon-Anhänger: Demnach beten die Demokraten Satan an, betreiben einen Kindesmissbrauchsring und kontrollierten so Politik und die Medien. Sie würden Babys und Kinder kannibalisieren, um so ihr Leben zu verlängern. Generäle des Militärs hätten Donald Trump auserwählt, damit er die Kultmitglieder für ihre Taten zur Rechenschaft ziehe. Der Verschwörungstheorie zufolge gehören zu den Mitgliedern US-Präsident Joe Biden, Hillary Clinton, Ex-Präsident Barack Obama, George Soros sowie eine ganze Reihe von Prominenten, die auf Seite der Demokraten stehen.
Die US-Geheimdienste bezogen sich nicht nur auf den aktuellen Fall, mit dem Walz offenbar diffamiert werden sollte. Sie warnten auch davor, was nach der Präsidentschaftswahl am 5. November auf die sozialen Medien zukommen könnte. Falls Harris die Wahl gewinne, würden die russischen Akteure aller Voraussicht nach aggressiver dabei vorgehen, Unruhe zu stiften. Moskau zöge einen Wahlsieger Trump vor.