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Im kommenden Jahr könnten viele Produkte noch teurer werden. Schuld ist ein drohender Handelskrieg, den Donald Trump befeuert. Wohlstand und Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel - doch es gibt noch Hoffnung.
Wenn Donald Trump Anfang kommenden Jahres zum zweiten Mal sein Amt als Präsident der größten Wirtschaftsmacht der Welt antritt, wird sich zeigen, ob die Idee des globalen Freihandels für lange Zeit einen herben Rückschlag erleidet - mit hohen Kosten für die Konsumenten, aber auch die Wirtschaft als Ganzes.
"Wir sehen schon über zehn Jahre einen Anstieg bei Zöllen und anderen Handelsbarrieren. Aber das nimmt weiter zu. Ich erwarte, dass wir im nächsten Jahr einen massiven Handelskonflikt erleben werden", sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Freihandel war gestern
Waren viele Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg in erster Linie vom Abbau globaler Handelshemmnisse geprägt, hielten Handelszölle 2017 mit der ersten US-Präsidentschaft Donald Trumps wieder auf größerer Bühne Einzug. Dieses Jahr schließlich hatten Handelszölle ein regelrechtes Comeback.
Zum einen hat die EU-Zölle gegen E-Auto-Importe aus China verhängt. Sie sollen als Ausgleich dienen, dass chinesische Elektrowagen mithilfe massiver staatlicher Subventionen zu Dumpingpreisen auf den EU-Markt gebracht werden - zum Nachteil der europäischen Autobauer. Die Chinesen reagierten prompt mit Importzöllen auf europäische Weinbrände. Das viel schärfere Schwert jedoch - Importzölle auf große Verbrenner-Autos aus der EU - blieb vorerst eine Drohung.
Experten warnen: Handelskrieg steht vor der Tür
Massives Eskalationspotenzial hat die wahre Salve an Importzöllen, die der designierte US-Präsident Donald Trump in den vergangenen Wochen angekündigt hat. Wenn Trump ab dem 20. Januar wieder Präsident ist, könnte etwa ein Universalzoll von zehn bis 20 Prozent auf alle Waren aus dem Ausland kommen. Das würde auch die Importe aus Europa und Deutschland betreffen.
Außerdem stehen 25 Prozent Aufschlag auf Produkte der Nachbarländer Mexiko und Kanada in der Diskussion, mindestens 60 Prozent Zölle auf Einfuhren aus China, bis zu 100 Prozent auf Importe aus den BRICS-Staaten.
"Da stehen eine Menge Drohungen im Raum", sagt Handelsexperte Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. "Sollten die US-Importzölle umgesetzt werden, würden die Handelspartner vermutlich mit Vergeltungsmaßnahmen antworten. Und dann hätten wir tatsächlich das Szenario eines Handelskriegs."
Steigende Preise belasten Verbraucher
Ein Krieg, der die Preise nach oben treibt, weiß Dorothee Hillrichs, die beim Münchner ifo-Institut zu internationalem Handel forscht: "Unternehmen haben die Handelszölle in der jüngeren Vergangenheit meist an die Konsumenten weitergeben. Das heißt, die Preise für die Verbraucher sind gestiegen."
Oft würden die Kosten für Zölle sogar 1:1 an die Verbraucher weitergegeben, beobachten Ökonomen. Für aus China nach Deutschland importierte Elektroautos würde das beispielsweise bedeuten: Je nach Modell könnten die Wagen für die deutschen Konsumenten zwischen 17 und 35 Prozent teurer sein als zuvor - sofern die chinesischen Unternehmen die Zölle im Kampf um Marktanteile nicht teilweise auf die eigene Kappe nähmen.
Importzölle belasten (ganz grundsätzlich) auf vielen Ebenen: Wird es für die Verbraucher teurer, steigt nicht nur die Inflation, sondern es wird auch weniger gekauft, die Nachfrage sinkt. Geben die Unternehmen die gestiegenen Preise nicht an die Konsumenten weiter, schmelzen dafür der Unternehmensgewinne. Beides kann Wachstum und Arbeitsplätze kosten.
Deutschland droht erneute Rezession
Was vonseiten der USA im kommenden Jahr an Zöllen kommen könnte, besorgt die Ökonomen. Für Mexiko, China und Kanada und die EU ist die größte Volkswirtschaft der Welt der wichtigste Absatzmarkt. US-Importzölle könnten sich für sie verheerend auswirken.
Ein so stark exportorientiertes Land wie Deutschland sei im kommenden Jahr gefährdet wie kein zweites Land, sagt DIW-Chef Marcel Fratzscher: "Eine Eskalation von Handelskonflikten würde bedeuten, dass die deutschen Exporte stark einbrechen würden. Das könnte dazu führen, dass Unternehmen Beschäftigte entlassen müssten. Die Arbeitslosigkeit könnte zunehmen. Die deutsche Wirtschaft könnte erneut in die Rezession rutschen. Obwohl wir eigentlich optimistisch waren, dass nächstes Jahr endlich ein vorsichtiger Aufschwung kommt."
Das IW Köln hat errechnet, dass ein US-Importzoll von zehn bis 20 Prozent die deutsche Wirtschaft in den kommenden vier Jahren zwischen 127 bis 180 Milliarden Euro kosten könnte.
Handelskrieg könnte noch abgewendet werden
"Donald Trump verwendet Zölle als Sanktion, um Regierungen zum Handeln zu bewegen", erklärt Dorothee Hillrichs vom Ifo-Institut. Die Beispiele der Volkswirte: Kanada und Mexiko täten zu wenig gegen illegale Migration und Drogenhandel an der US-Grenze, meine Trump.
Die BRICS-Staaten, darunter China, Brasilien und Russland wollten den Dollar als Welt-Reservewährung schwächen. Und die EU unterbinde den Verkauf von US-Autos und zahle zu wenig für Rüstung. Zur Strafe droht Trump mit Zöllen. Nicht die feine Art.
Aber nach Ansicht vieler Ökonomen gibt es eine Chance, einen Handelskrieg noch abzuwenden: wenn die Staaten sich bewegen. Jürgen Matthes vom IW Köln meint mit Blick auf die EU: "Wenn die Europäische Union beispielsweise ankündigen würde, mehr Flüssiggas aus den USA zu importieren und zur Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit mehr US-Rüstungsgüter einzukaufen, könnte sich Trump damit beruhigen lassen."
EU muss klare Kante zeigen
Gleichzeitig müsse vor allem die EU aber klare Kante zeigen und betonen, dass die USA mit das größte Interesse haben müssten, einen Handelskrieg zu vermeiden. So könnten sich - ganz abgesehen von möglichen Gegenmaßnahmen - die Vielzahl der angedrohten US-Importzölle als Bumerang für das eigene Land erweisen, sagt Julian Hinz, der am Institut für Weltwirtschaft Kiel und an der Uni Bielefeld den internationalen Handel erforscht: "Nicht nur die Verbraucherpreise würden mit diesen Zöllen stark ansteigen, sondern auch die Produktionskosten der US-Unternehmen. Weil viele Vorprodukte aus dem Ausland eingeführt werden." Das würde auch die US-Volkswirtschaft sehr teuer zu stehen kommen.