Dass Alice Weidel sich am neuen US-Präsidenten bedient, ist wenig verwunderlich. Nun imitiert auch Friedrich Merz Donald Trump – und kommt damit gar nicht so schlecht an.
Wer hätte gedacht, dass der neue amerikanische Präsident Donald Trump in so kurzer Zeit so stilprägend für die deutsche Politik sein würde? Klar, es gab schon Nachahmer wie Markus Söder (wer sonst?), der sich nach Trumps Vorbild bei McDonald’s dabei fotografieren ließ, wie er volksnah Pommes in Papiertüten schippte. Auch bei Alice Weidel erscheint es wenig überraschend, dass sie Trumps "I love you all" nun auf den Parteitagsbühnen ihrer AfD kopiert, selbstverständlich in der deutschen Übersetzung: "Ich liebe euch alle."
Nun aber imitiert auch Friedrich Merz den Mann im Weißen Haus. Offenbar beeindruckt von den präsidentiellen Anordnungen, die Trump unmittelbar nach seiner Vereidigung gleich stapelweise unterzeichnete, kündigte der Unions-Kanzlerkandidat nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg an, er werde, so er gewählt wird, am ersten Tag im Kanzleramt Kontrollen an allen deutschen Grenzen und ein Einreiseverbot für Ausländer ohne gültige Papiere erlassen.
Es ist bemerkenswert, dass Merz damit gar nicht so schlecht anzukommen scheint. Der Sauerländer profitiert davon, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung laut Umfragen einen rigideren Kurs in der Migrationspolitik befürwortet. Ironie der Geschichte: Wenn Merz das Versprechen von Zurückweisungen an der Grenze, die Angela Merkel immer ablehnte, zum Wahlsieg tragen sollte, hätte ihm ausgerechnet der größtmögliche Bruch mit ihrer Politik an die Macht geholfen.
Umfragen Kanzlerfrage Stimmverteilung Grafiken 22.20
Es steckt noch mehr Trump in Friedrich Merz
Merz’ Auftritt lebt aber auch vom Kontrast zum Amtsinhaber Olaf Scholz, der sich zwar am Abend der Tat in Aschaffenburg mit finsterer Miene und den Chefs der Sicherheitsbehörden fotografieren ließ, aber außer Schuldzuweisungen an die bayerischen Behörden nicht viel anzubieten hatte. Der deutsche Wahlkampf ähnelt mithin dem amerikanischen, als Joe Biden noch Kandidat war, und zwar insofern, als der von drei Jahren Ampel gemarterte Scholz zwar nicht nach Jahren und Konstitution, aber doch politisch kraftloser erscheint als sein Herausforderer.Infobox Hauptstadt NL
Doch es steckt noch mehr Trump in Merz. Im Streit um eine mögliche Zustimmung der AfD zu den Anträgen der Union im Bundestag hieß sein Schlüsselwort tagelang: egal. Er tue, was er für richtig halte, und wer mitmachen wolle, solle mitmachen, und wer nicht mitmachen wolle, solle es bleiben lassen. Das aber ist die eigentliche Kopie des amerikanischen Präsidenten: Merz bricht so nicht nur mit eigenen Vorsätzen, wie er sie selbst einmal für den Umgang mit der AfD postuliert hatte. Er macht sich auch nicht mehr viel aus politischen Stilnoten in der öffentlichen Debatte. Vielmehr pumpt er das trotzige "Mir doch egal" zu einem persönlichen Markenzeichen auf. Und das war immer eines von Trumps Erfolgsgeheimnissen: Erwartungen zu ignorieren.
Kann das in Deutschland gut gehen?
Was Merz am Tag nach der Wahl sehr wahrscheinlich nicht aufheben kann, ist der Zwang zu einer Koalition. Und da stößt die deutsche Variante des Trumpismus dann doch an ihre Grenzen. Wenn Merz’ Wahlkampf die CDU nicht zur AfD hinführt, was er noch immer verspricht, führt er doch immer weiter weg von den möglichen Regierungspartnern – auch weil Merz Kompromisse ausgeschlossen hat.
In Washington, wo der amtierende Präsident von Polarisierung lebt, geht das. In Berlin, wo das Parlament den Kanzler wählt, ist ein Konsens in der Mitte konstitutiv – und eines sicher nicht: egal.