Für meinen Mathematik-Unterricht sind LaTeX und Xournal++ die zwei wichtigsten Tools. Bei beiden handelt es sich um freie Software-Tools, die plattformübergreifend auf Linux, Windows und MacOS eingesetzt werden können. Mit LaTeX schreibe ich meine Unterrichtsunterlagen in der Vorbereitung, mit Xournal++ präsentiere und annotiere ich sie während dem Unterricht.
LaTeX in der Unterrichtsvorbereitung
Wer Mathematik oder ein Mathematik-nahes Fach unterrichtet, ist bestimmt bereits im Studium mit LaTeX in Berührung gekommen. Anderen Leser:innen mag LaTeX unbekannt sein, weshalb hier kurz erklärt sei, worum es sich dabei handelt. LaTeX ist ein Textverarbeitungssystem, welches Texte verschiedenster Art und Länge mit professionellem Layout darstellen kann. Dabei wird die Formatierung über verschiedene Befehle gesteuert, welche zusammen mit dem eigentlichen Text in eine Textdatei (im .tex-Format) geschrieben werden. Das Programm pdflatex erzeugt dann (auf Knopfdruck) aus dieser Textdatei ein Dokument im PDF-Format, welches den fertig formatierten Text enthält.
Im Bild ist ein Beispiel enthalten, bei welchem zuerst die Dokumentklasse und die verwendete Sprache festgelegt sind, danach Titel und Autor definiert werden und nach dem eigentlichen Dokumentbeginn (mittels \begin{document}) ein Abschnitt mit Überschrift "Einleitung" verfasst ist.
Dank der unkomplizierten Eingabe von mathematischen Formeln ist LaTeX in der Mathematik der absolute Standard zum Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten, Vorlesungsskripten, Arbeitsblättern, Projektanträgen, Präsentationen und gar von Büchern. Wer schon mal versucht hat, komplizierte mathematische Formeln mit dem Microsoft Word Formel-Editor einzugeben, weiss, dass man mit WYSIWYG-Tools schnell an seine Grenzen stösst, wenn es um Formeln geht. Mit LaTeX lassen sich auch geometrische Skizzen erstellen, Funktionsgraphen erzeugen, Berechnungen automatisieren etc. Dies ist alles sehr praktisch und macht das Anpassen von LaTeX-Dokumenten sehr flexibel. Wenn etwas geändert werden soll (etwa an einer geometrischen Skizze oder einem Funktionsgraphen), so müssen nur die entsprechenden Befehle angepasst werden. Der Umweg über ein oder mehrere externe Tools und der Wiederimport bleiben einem erspart. Hier ein paar Beispiele aus dem Trigonometrie-Unterricht in der zweigeteilten Ansicht:
1. Funktionsgraphen
2. Geometrische Skizzen
3. Eine Zeichnung mit wiederholtem Element (die Gondel)
In den obigen Beispielen wird das TikZ-Paket eingesetzt, um Graphiken zu erzeugen. In LaTeX gibt es eine riesige Sammlung an Paketen, mit denen sich extrem vieles realisieren lässt. Dies ist in keiner Art und Weise auf Mathematik beschränkt. Wer etwa chemische Formeln oder Musiknoten, Programmier-Quellcode, Schachdiagramme, chinesische Schriftzeichen oder anderes in ein Dokument einbinden möchte, kommt mit Hilfe anderer Pakete genau so auf die Kosten. LaTeX-Pakete sind genau so frei wie LaTeX selber. Sie lassen sich flexibel installieren. Der LaTeX-Poweruser:in unter Linux würde ich allerdings die Installation des texlive-full Pakets empfehlen. Da ist alles mit dabei und man muss keine Pakete nachinstallieren. Die paar Gigabytes an Speicherplatz auf der Festplatte lassen sich heutzutage meist gut verschmerzen.
Natürlich ist das Erlernen von LaTeX mit all den für die eigenen Zwecke nützlichen Elementen eine längerfristige Beschäftigung. Da gilt: Starte klein und lerne stetig hinzu. Doch der investierte Zeitaufwand lohnt sich durchaus. Das LaTeX-Dokumentformat ist äusserst stabil. Ich habe es in meiner Unterrichtstätigkeit erst einmal erlebt, dass ein früher erstelltes Dokument Jahre später nicht wieder auf Knopfdruck dasselbe PDF lieferte wie zuvor. Da hatte sich die Syntax für die Erstellung von Kreisen im TikZ-Paket geändert, was leicht zu beheben war.
Wem LaTeX dennoch zu kompliziert oder sperrig erscheint, der möge mit dem potentiellen LaTeX-Nachfolger Typst experimentieren. Darüber hat Ralph Hersel in einem anderen Artikel geschrieben. Typst hat vorläufig allerdings weder die selbe Stabilität wie LaTeX, noch hat es einen derart reichen Schatz an Paketen wie LaTeX. Auch andere PDF-generierende Software-Tools könnten in Kombination mit der Präsentation in Xournal++ verwendet werden, worüber der Rest dieses Kolumnen-Beitrags handelt.
Xournal++ für Präsentation und Annotation
Xournal++ ist eine Anwendung für handschriftliche digitale Notizen und PDF-Annotierung. Langjährige gnulinux.ch-Leser:innen werden sich an kurze Vorstellungen dieser Anwendung in zwei früheren Artikeln erinnern: eins und zwei.
Wie bereits eingangs erwähnt entsteht bei mir das Getippte (in der Vorbereitung) in LaTeX, das von Hand geschriebene (im Unterricht) in Xournal++. Beides wird am Beamer eingeblendet und ersetzt die Wandtafel. Auch Schüler:innen sind während dem Unterricht handschriftlich unterwegs (digital oder analog), wie es im Mathematik-Unterricht absolut üblich ist. Wer eine Notiz-App sucht, bei welcher das Getippte im Zentrum steht, ist bei Xournal++ an der falschen Adresse und wird besser im Beitrag von Markus Vollstedt zu Joplin und QOwnNotes fündig. Wie Joplin und QOwnNotes kann Xournal++ als freie Alternative zu Microsoft OneNote verstanden werden, wenn es eben um den handschriftlichen Aspekt geht. Da ich selber Xournal++ mitentwickle, weiss ich vieles über diese Anwendung, kann aber nicht garantieren, immer 100% objektiv zu sein, was den Vergleich mit Alternativen betrifft.
Das Beispiel von oben zu geometrischen Formen (Berechnung von Dreiecksflächeninhalten) sieht in Xournal++ wie folgt aus:
Handschriftlich sind hier Lösungen zu einer Aufgabe eintragen, die sich in der Besprechung mit den Schüler:innen ergeben haben. Die Annotation wird bei Xournal++ dabei in einer separaten Datei abgespeichert. Im Vergleich mit OneNote, bei welchem das PDF ins OneNote Dokument ausgedruckt wird, bringt das einige Vorteile mit sich:
- Es gibt keinen Qualitätsverlust durch Rasterisierung.
- Sind in dem PDF irgendwelche kleineren Fehler enthalten, die (im LaTeX-Editor) nachträglich korrigiert werden, so muss das PDF nicht neu importiert/ausgedruckt werden.
- Es ist speichereffizienter, da das PDF nicht (automatisch) dupliziert wird.
In meinen Unterrichts-Skripten (wie hier zur Trigonometrie) sind jeweils Theorie und Aufgaben enthalten. Letztere können in der Regel direkt im Skript gelöst werden. Das kann digital geschehen oder auch auf einer analogen Kopie. Die Theorie enthält meist Lücken, die bei der Besprechung im Unterricht gefüllt werden. So müssen die Schüler:innen keine längeren theoretischen Überlegungen mitschreiben, bleiben aber aktiv wenn es um deren Besprechung geht. Ausserdem können sie die Theorie nochmals im Detail nachlesen, wenn Bedarf besteht. Natürlich bespreche ich nicht jede Aufgabe, die im Skript steht. Ich habe auch ausführliche Musterlösungen in LaTeX geschrieben, welche ich den Schüler:innen per Moodle als PDF zur Verfügung stelle.
In Xournal++ lassen sich in ein Dokument auch weitere Seiten mit ausgewähltem Hintergrund einfügen. Ich verwende in der Regel Seiten mit kariertem Hintergrund (5mm), wenn es Platz für zusätzliche Erläuterungen oder Aufgaben braucht. Die Annotation lassen sich auch inklusive Hintergrund wieder ins PDF-Format exportieren und z.B. Schüler:innen zur Verfügung stellen, die länger nicht den Unterricht besuchen konnten.
Xournal++ im Geometrie-Unterricht
Ausser den offensichtlichen Funktionen (Stift, Leuchtstift, Radierer, Auswahlwerkzeuge, Bild- und Texteinfügung etc.) für ein handschriftliches Notizprogramm lässt sich in Xournal++ auch ganz vernünftig Geometrie unterrichten, inklusive Konstruktionen mit Zirkel und Lineal (bzw. Geodreick). Einfache Strecken zwischen zwei Punkten und Kreise mit gegebenem Mittelpunkt und Radius kann man bereits mit den Formen aus der Zeichnungstyp Auswahl erhalten:
Für anspruchsvollere Dinge wie etwa das Fällen eines Lots oder das Zeichen eines Bogenstücks stehen Geodreieck und Zirkel zur Verfügung.
Beide Konstruierwerkzeuge sind über Touch (und im Übrigen auch über die Tastatur) manipulierbar und lassen sich mit dem Stift (oder mit der Maus) kombinieren, so dass sich insbesondere das digitale Geodreieck ähnlich anfühlt wie ein echtes Geodreieck mit zusätzlichen netten Eigenschaften. Bewegt man das Geodreieck etwa mit einem Finger, so wird es exakt parallel verschoben. Legt man es in nahezu 90° Position an eine bereits gezeichnete Strecke, so richtet es sich automatisch im exakten rechten Winkel zu dieser aus. Der Zirkel sieht zwar mehr aus wie eine Winkelscheibe als wie ein realer Zirkel. Er bietet aber die selbe Funktionalität wie ein realer Zirkel und erlaubt es auch etwa, Kreissektoren einfach zu zeichnen. Dazu muss lediglich die Füllfunktion aktiviert werden und dann ein Bogenstück am Zirkel gezeichnet werden.
Kurz: Mit den Geometrie-Werkzeugen in Xournal++ lässt sich im Unterricht innerhalb der vorbereiteten Unterlagen geometrisch konstruieren und dabei ist man nahe dran am realen Erlebnis mit Geodreieck und Zirkel auf Papier. Natürlich kann man auch in Geogebra wunderbar geometrisch konstruieren, aber dabei geht meines Erachtens das Gefühl für das Konstruieren auf Papier verloren. Proprietäre Produkte wie OneNote, GoodNotes etc. sind hingegen total beschränkt, was den Einsatz für Geometrie-Unterricht anbelangt. Mit ihnen lässt sich z.B. nicht mal digital die Länge einer Strecke ablesen. Erwähnung verdient hingegen OpenBoard, was ebenfalls freie Software ist. Damit lässt sich auch konstruieren wie auf Papier, allerdings fehlt die Touch-Funktionalität, was nach meiner Erfahrung die Handhabung deutlich erschwert.
In Xournal++ ist es übrigens auch möglich, direkt LaTeX Formeln einzugeben und einzufügen. Darüber und über weitere fortgeschrittene Features von Xournal++ werde ich in einem zweiten Teil zum Thema schreiben.
Quellen:
https://www.latex-project.org/
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