3 months ago

Freie Software in der Schule: Das Gymnasium Edenkoben setzt voll auf Linux



Wir befinden uns im Jahr 2024 n. Chr. Ganz Schulland ist von Redmondern besetzt. Ganz Schulland? Nein! Das von unbeugsamen Pfälzern bevölkerte Edenkoben hört nicht auf, Widerstand zu leisten.

Linux seit 20 Jahren

Das Gymnasium Edenkoben (zwischen Mannheim und Karlsruhe im Südwesten Deutschlands) setzt seit fast 20 Jahren auf Linux. In den Klassenräumen hängen auch an dieser Schule Smartboards, Tafeln mit Rechner, auf die man mit Stift schreibt, aber der Rechner läuft nicht wie in fast allen Schulen mit Windows, sondern mit Linux, genauer gesagt mit Ubuntu in der LTS (Long-Term-Support)-Variante.

Grund ist laut Aussage des stellvertretenden Schulleiters Michael Schacht Freiheit, aber nicht Freiheit wie in "Freibier", sondern Freiheit im Sinne dessen, dass man als Schule digitale Produkte so einsetzen kann, wie man will. Man könne "unter die Haube" der Software schauen und diese auch anpassen. Michael Schacht war es auch, der vor fast 20 Jahren Linux eingeführt hatte. Bis heute erledigt er alles mit freier Software. Das Schuljahrbuch entstand zum Beispiel mit dem Layoutprogramm Scribus und der Bildbearbeitung Gimp.

Der für die IT verantwortliche Lehrer Dr. Thomas Bittig betont, dass die Schülerinnen und Schüler viel mehr lernen, als wenn sie proprietäre Software einsetzen. Diese installieren zum Beispiel die jeweils neue Ubuntu-Version oder Software, die Lehrerinnen und Lehrer benötigen, im Rahmen einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft (AG).

Linux ist nicht umsonst

Unterstützt wird er dabei von einer professionellen IT-Firma. Deshalb sollten auch die Kosten nicht das wesentliche Argument für den Einsatz von freier Software sein, denn natürlich kostet der Support auch unter Linux Geld. Die Firma betont aber, dass Linux deutlich besser zu warten sei als Windows. Außerdem würden den Schülerinnen und Schülern Konzepte beigebracht. Bei proprietärer Software würden sie vor allem trainiert, auf die richtige Stelle zu klicken, aber wenn sie zum Beispiel mit LibreOffice arbeiten, lernen sie Konzepte, zum Beispiel die Arbeit mit Formatvorlagen.

Diese lassen sich dann leicht auf andere Software übertragen. Man lerne ja auch Auto fahren und nicht "Golf fahren". Kosten können dennoch ein Argument sein, denn während man bei der Beauftragung einer lokalen Softwarefirma die Wertschöpfung in der Region lässt, bezahlt man bei proprietärer Software häufig ein US-amerikanisches Unternehmen. 2021 habe der Bund zum Beispiel über 205 Millionen Euro an Microsoft gezahlt, so der Bundestagsabgeordnete der Partei "Die Linke", Victor Perli. Dies sei "fast fünfmal so viel wie 2015" gewesen. Die Zahlen hat Perli laut dem IT-Nachrichtenportal heise online von der Bundesregierung.

Ganz ohne Konzerne geht es nicht

Doch auch das Gymnasium Edenkoben kommt nicht ohne proprietäre Software aus. So haben in Deutschland im Rahmen des Digitalpaktes zwischen Bund und Bundesländern die meisten Lehrerinnen und Lehrer Dienstgeräte erhalten. In der Region, in der Edenkoben liegt, sind das häufig Apple iPads. Das Gymnasium Edenkoben lässt "Bring Your Own Device" (BYOD) zu und entsprechend kommen auch viele Schülerinnen und Schüler mit iPads von Apple.

Außerdem sind in der Verwaltung noch Windows-Rechner im Einsatz, weil dort teilweise Software laufe, die nicht unter Linux verfügbar ist. Für Schulbücher dagegen braucht man mittlerweile in den meisten Fällen keine proprietäre Software mehr, sondern kann diese über www.bildungslogin.de in der Regel auch im Browser nutzen. Nur wenn man die Bücher auch offline auf dem eigenen Gerät haben möchte, muss man die Apps nutzen.

Noch macht Linux wenig Schule

Linux in der Schule macht aber zumindest im Südwesten Deutschlands kaum Schule - trotz knapp 20 Jahren, trotz eines Lobs des Landesdatenschutzbeauftragten von Rheinland-Pfalz bleibt das Gymnasium Edenkoben das kleine gallische Dorf, das als einzige Schule komplett auf Linux setzt. Aber Ansätze für freie Software gibt es auch an anderen Schulen in unserer Region, das Eduard-Spranger-Gymnasium in Landau betreibt zum Beispiel seit vielen Jahren mehrere Rechner mit Linux.

Zum Thema Linux in der gesamten Schule haben sich aber seit meinem ersten Besuch in Edenkoben im Jahr 2022 keine anderen Schulen bei dem Gymnasium gemeldet. Aber vielleicht liest ja der eine oder die andere IT-Verantwortliche an einer Schule diesen Artikel.

Quellen:

- https://www.flickr.com/photos/31561567@N00/3287783576, CC BY 2.0, aufgenommen von Yuichiro Masui
- https://www.gymnasium-edenkoben.de/startseite.html
- https://perli.de/pressestatement-kosten-microsoft-lizenzen/
- https://www.heise.de/news/Bund-Lizenzkosten-fuer-Microsoft-auf-hohem-Niveau-insgesamt-neuer-Rekord-9744319.html?wt_mc=rss.red.ho.ho.rdf.beitrag.beitrag
- https://www.podcast.de/episode/623931263/linux-am-gymnasium-edenkoben


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