Das Gesetz zum Bürokratieabbau soll Papierberge vermeiden und damit Kosten für Unternehmen einsparen. Doch die Bürgerbewegung Finanzwende fürchtet, dass dadurch künftig Steuerbetrug noch schwieriger nachzuweisen ist.
Mit dem Gesetz zum Bürokratieabbau will die Bundesregierung Unternehmen entlasten. Die Bürgerbewegung Finanzwende fürchtet jedoch schwere Folgen im Kampf gegen milliardenschweren Steuerbetrug. Nun fordert der Verein die Bundesländer auf, bei der morgigen Abstimmung im Bundesrat Widerstand gegen das Bürokratie-Entlastungsgesetz zu leisten.
"Der Bundesrat hat die Gelegenheit, das Gesetz über den Vermittlungsausschuss noch zu ändern", sagte Geschäftsführer Gerhard Schick der Nachrichtenagentur dpa. Briefe mit entsprechendem Appell wurden dem Verein zufolge an die Ministerpräsidenten der Länder verschickt.
Nachteil durch kürzere Aufbewahrungsfristen?
Die Bürgerbewegung kämpft gegen das Bürokratie-Entlastungsgesetz IV, das unter anderem vorsieht, Buchungsbelege und Rechnungen nur noch acht statt zehn Jahre aufzubewahren. Der Bundestag stimmte dem Vorhaben Ende September zu. Mit dem Gesetz sollen Papierberge vermieden und damit Kosten für Archivräume in Unternehmen eingespart werden. Angeblich soll die neue Maßnahme Bürgern und Unternehmen rund 626 Millionen Euro im Jahr sparen. Gemessen an den Einsparungen ist die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist das Herzstück des Plans.
Belege seien wichtige Beweismittel bei schweren Steuerdelikten wie Cum-Ex und Cum-Cum-Aktiendeals, argumentiert dagegen Finanzwende. Die einstige Cum-Ex-Chefermittlerin und heutige Geschäftsführerin der Finanzwende, Anne Brorhilker, betonte schon im September: "Eine Aufbewahrungsfrist von acht Jahren ist viel zu wenig, weil schwere Steuerstrafdelikte erst nach 15 Jahren verjähren. Die Täter könnten also eigentlich noch belangt werden, dürfen aber quasi legal Beweismittel vernichten. Die Unterlagen sind dann weg, die Milliarden auch."
Viele Fälle könnten also nie aufgeklärt werden, sollte das Gesetz in Kraft treten, so die Nichtregierungsorganisation. "Der Bundestag hätte das Bürokratie-Entlastungsgesetz mit der Verkürzung der Aufbewahrungsfristen nie verabschieden dürfen - diese Regelung entlastet vor allem Steuerhinterzieher, für die meisten ehrlichen Unternehmen ist die Reduzierung von Bürokratielasten minimal, weil die Belege digital aufbewahrt werden", sagte Schick.
Bürgerbewegung setzt auf Ausnahmeregelung
Seit Monaten lägen kritische Stellungnahmen aus den Landesfinanzministerien vor. "Fast alle Landesfinanzminister haben gegen die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen votiert - kein Wunder, es geht ja auch um ihre Steuergelder", kritisierte Schick. So hatte sich etwa NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk kritisch zu dem Gesetz geäußert. Nun müssten die Ministerpräsidenten den Mut haben, den Kurs zu ändern, so Schick.
Vom neuen Bürokratiegesetz wären Finanzwende zufolge besonders Cum-Ex- und Cum-Cum-Fälle betroffen, bei denen noch keine Ermittlungen liefen. Mithilfe von Cum-Ex-Deals prellten Banken und andere Investoren den deutschen Staat um geschätzt mindestens zehn Milliarden Euro. Dabei erstatteten Finanzämter unwissentlich Kapitalertragssteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Cum-Cum-Geschäfte gelten als artverwandt und weiter verbreitet, aber als noch weniger aufgeklärt. Der Steuerschaden von Cum-Cum liege konservativ geschätzt bei rund 28,5 Milliarden Euro, nur einen Bruchteil davon habe sich der Fiskus zurückgeholt, heißt es seitens Finanzwende.
Die Bürgerbewegung setzt nun auf eine Ausnahme im Gesetz: Für Personen und Gesellschaften unter Kontrolle der Finanzaufsicht BaFin soll die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen ein Jahr später gelten - begründet mit Cum-Ex-Ermittlungen. "Die Aufschubregelung sollte aus unserer Sicht eine generelle Ausnahmeregelung werden", fordert Schick. Damit wäre der Rest des Bürokratie-Entlastungsgesetzes nicht gefährdet, aber Cum-Cum-Aufklärung weiter möglich.