Ex-Justizminister Marco Buschmann ist neuer Generalsekretär der FDP. Damit holt Parteichef Lindner einen engen Vertrauten an seine Seite. Attacke ist nicht Buschmanns Stärke. Er hat andere Qualitäten, die der FDP gerade jetzt helfen könnten.
Marco Buschmann ist gerade nicht zu beneiden. Der neue Generalsekretär der FDP übernimmt sein Amt in einer Zeit, in der die FDP am Abgrund wankt. Wieder einmal. Der Jurist erlebt damit einen radikalen Tapetenwechsel. Vom gediegenen Amt des Justizministers, dem oft freundliches Desinteresse entgegenplätscherte, muss er sich ins Wahlkampfgetümmel werfen - und seine Partei, jetzt aber wirklich, in die offene Feldschlacht vor der Bundestagswahl am 23. Februar führen. Statt Dienstwagen und Ministerbüro heißt es nun Steuer rumreißen auf einem in schwere See geratenen Kahn namens Freie Demokratische Partei.
Kann der das? Schließlich ist Buschmann nicht gerade bekannt für seine Qualitäten in der Kategorie "Attacke". Genau das gehört aber zur Stellenbeschreibung eines Generalsekretärs. Jüngstes Beispiel dafür war bei der CDU Mario Czaja. Parteichef Friedrich Merz tauschte seinen ersten General wohl auch deswegen aus, weil er kaum durchdrang. Das Konfrontative war nicht sein Stil. Insofern hatten die Berichte, Lindner habe zuerst Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann das Amt angeboten, etwas Glaubhaftes. Attacke ist ihre große Stärke. Genau das, was die Partei im Wahlkampf braucht. Doch Lindner dementierte diese Berichte entschieden. Sie seien falsch, sagte er.
Mit Buschmann geht Lindner auf Nummer sicher. Er kennt den 47-jährigen Gelsenkirchener seit vielen Jahren. Als Lindner FDP-Chef Nordrhein-Westfalens wurde, wurde Buschmann Generalsekretär der Landes-FDP. Als Lindner Bundesvorsitzender wurde, wurde Buschmann Bundesgeschäftsführer. Nach Bildung der Ampel-Koalition wurde er 2021 Justizminister. Buschmann trat zurück, nachdem Lindner von Bundeskanzler Scholz entlassen worden war. Anders etwa als Verkehrsminister Volker Wissing, der lieber die Partei verließ.
Lindner hält große Stücke auf Buschmann. "Wenn Marco Buschmann Nein gesagt hätte, dann hätte ich große Sorgen gehabt", sagt er am Mittag, als er mit dem neuen Generalsekretär vor Journalisten in der Parteizentrale, dem Hans-Dietrich-Genscher-Haus, spricht. Buschmann sei "der beste Wahlkampforganisator und Programmatiker" der Partei. "Ich weiß nicht, ob ich die Kraft gehabt hätte, ohne Marco Buschmann ein Comeback der FDP am 23. Februar zu erreichen", sagt Lindner.
Umfragen sehen düster aus
Ein "Comeback" braucht die Partei gerade dringend. Offiziell ist sie zwar noch gar nicht weg, muss also streng genommen gar nicht zurückkommen. Doch die Partei ist hart angeschlagen. Umfragen zufolge droht ihr das Scheitern an der Fünfprozenthürde. Die "D-Day"-Affäre kostete sie weiteres Vertrauen. Demnach plante die FDP das Scheitern der Ampel generalstabsmäßig.
Lindner gerät selbst in die Defensive. Was wusste er über das fragliche Papier - oder anders gefragt, ist es glaubwürdig, dass er davon nichts wusste? Und abgesehen von der fragwürdigen Wortwahl in jenem "D-Day"-Papier, ist das die feine gut-bürgerliche Art, ein schwieriges Bündnis zu beenden? Über die inhaltlichen Ziele der Liberalen wird gerade jedenfalls eher weniger geredet.
Das soll Buschmann ändern. Dass Lindner so einen langjährigen Weggefährten an seine Seite holt, zeigt den Ernst der Lage. In den vergangenen Jahren waren die Bande zu den Generalsekretären weniger eng. Dass Wissing das Amt 2020 bekam, war ein Signal in Richtung Ampel-Koalition. Wissing hatte in Rheinland-Pfalz bereits gemeinsam mit SPD und Grünen regiert. Mit dessen Vorgängerin, der Brandenburgerin Linda Teuteberg, harmonierte Lindner kaum. Nun soll es also jemand richten, von dem Lindner genau weiß, was er zu erwarten hat.
Seine Sätze erinnern an Scholz
Als Buschmann im Genscher-Haus zu reden beginnt, lobt er erstmal seinen Chef. Er sei sich sicher, dass Lindner der beste Spitzenkandidat für die FDP sei, meint er. So wie es ein loyaler Generalsekretär sagen muss.
Anschließend versucht er in Sachen "D-Day"-Affäre in die Offensive zu kommen. "In welcher anderen Partei hätte ein solcher Vorgang so schnell, so klar zu so einschneidenden persönlichen Konsequenzen geführt?", fragt er. "Hier ist bewiesen worden, dass persönliche Verantwortung übernommen wird." In der Partei seien "Integrität und Kultur" fest verankert. Das habe die Reaktion gezeigt. Wobei das "D-Day"-Papier nicht gerade den Geist von "Integrität und Kultur" atmete. Gelinde gesagt. Aber so etwas nennt man wohl eine Flucht nach vorn.
Dann beginnt Buschmann über den Wahlkampf zu reden - in einem Duktus, der eher an die endlosen Nebensatz-Schleifen eines Olaf Scholz erinnert als an die prägnant-feingeschliffenen Äußerungen Lindners. Im Wahlkampf sei es seine Aufgabe, herauszustellen, worum es bei dieser Wahl geht. "Das ist die Aufgabe der politischen Parteien. An der politischen Willensbildung mitzuwirken, indem man Alternativen aufzeigt." Nicht gerade der Sound für Marktplätze.
Dann wird der neue Generalsekretär persönlich und im Stil noch scholziger. Sinngemäß sagt er, dank guter Schulen habe er, das Arbeiterkind aus Gelsenkirchen, den sozialen Aufstieg geschafft. Im O-Ton klingt das so: "Ich habe persönlich das große Privileg genossen, in einem sehr wohlhabenden Land zu sein, in dem ich selber, durch das gute Bildungssystem, das wir jedenfalls eine Zeitlang hatten, selber das zu durchleben, was wir den sozialen Aufstieg nennen." Es sei ihm ein Anliegen, dass auch künftig die Menschen die Chance hätten, etwas aus ihrem Leben zu machen.
Ein bisschen nerdig
So sperrig-umständlich er sich ausdrückt, könnte der Unterschied zu Lindner kaum größer sein. Nicht, dass Lindner nicht auch an den Aufstieg durch Bildung glaubte. Er hat sich selbst hochgearbeitet. Aber er kokettiert mit seiner Eitelkeit, mag die Insignien des Luxus wie Rolex, Porsche und Sylt. Aufstieg durch Bildung ist nicht sein Kernthema. Bei Caren Miosga lobte er am Sonntagabend gerade erst den argentinischen Präsidenten Javier Miliei und Tesla-Gründer Elon Musk. Für ihren "Mut zur Disruption".
Von Buschmann kommen solche Sätze nicht. Der Gelsenkirchener bringt etwas ein, das wohl nur noch wenige mit Lindner verbinden: Bodenständigkeit. Dazu passt, dass Buschmann privat elektronische Musik komponiert. Auch zum Ampel-Aus veröffentlichte er ein Stück ("Gehen um zu stehen"). Das hat etwas Nerdhaftes. Aber es hebt ihn auch ab. Eher wirkt Buschmann wie einer, dem man ein Auto abkaufen würde. Und genau diese Art von Vertrauen braucht die FDP gerade dringend.