Die Hisbollah-Miliz nutzte die Pager für eine sichere Kommunikation. Doch Israel scheint einen Weg gefunden zu haben, die Geräte vor der Auslieferung mit Sprengstoff zu präparieren.
Im Libanon explodierten Tausende von Pagern, die von der Hisbollah-Miliz benutzt wurden – durch eine Fernzündung. Ausgelöst vermutlich vom israelischen Geheimdienst. Die kleinen Geräte waren manipuliert und enthielten eine kleine Menge Sprengstoff.
Kein Hackerangriff auf die Batterie
Es handelte sich also nicht um einen "Hackerangriff", mit dem die Batterien der Geräte zuerst überhitzt und dann angeblich in Brand gesetzt wurden. Ängste, dass so etwas auch mit anderen Geräten wie Smartphones allein durch einen Softwareangriff geschehen könnte, sind also unbegründet. Die Batterien von Pagern und auch von größeren Smartphones können nicht explodieren, so wie es die Videos aus dem Libanon zeigen. Bei ihnen kann ein sehr heißer und kaum zu löschender Brand entstehen, aber keine Explosion.
Zugriff auf die Lieferung der Pager
Die Leistung liegt nicht in der technischen Natur der kleinen Sprengfalle, sie liegt darin, Zugriff auf die Geräte bekommen zu haben. Hinzu kommt die Sorglosigkeit der Hisbollah-Miliz. Die schiitische Kampfgruppe nutzt die altmodischen Pager, die kurze Textnachrichten übermitteln, um so Cyberangriffen der Israelis auf Smartphones zu entgehen. Nach dem Angriff vom 7. Oktober sollen die Hisbollah-Kämpfer weitgehend auf die Verwendung von Mobiltelefonen verzichtet haben.
Bei der Beschaffung war man offenbar nicht vorsichtig genug. Wie der Zugriff auf die Pager möglich wurde, ist nicht bekannt. Aber es ist zu vermuten, dass die Geräte über einen Mittelsmann in einer oder mehreren Großbestellungen beschafft wurden. Hätte die Hisbollah die Pager über längere Zeit an verschiedenen Orten kaufen lassen, wäre es kaum möglich gewesen, Zugriff auf die Einzelkäufe zu erhalten.
Nur wenig Sprengstoff
Der israelische Geheimdienst muss die Lieferung entweder auf dem Transportweg oder schon in der Fabrik abgefangen und die Geräte manipuliert haben. Laut der "New York Times" wurden etwa 3000 Pager bei Gold Apollo bestellt, hauptsächlich das Modell AR924. Diese Pager wiegen 133 Gramm, die "NYT" schreibt: "Der Sprengstoff, der nur ein bis zwei Unzen wiegt, wurde neben der Batterie in jeden Pager eingelegt, sagten zwei der Beamten." Das Gerät misst 73 mm × 50 mm × 27 mm. Die Innenmaße des Gehäuses dürften nur etwa 70 bis 80 Kubikzentimeter betragen. Darin befinden sich bereits die Elektronik und die Batterie. Zwei Unzen (56 Gramm) Plastiksprengstoff sind da bereits sehr viel, eine Unze (28 Gramm) scheint wahrscheinlicher.
Ein Mehrgewicht von 28 bis 56 Gramm wäre allerdings auffällig, denkbar ist, dass eine kleinere Batterie das Mehrgewicht kompensiert hat. Ein zusätzliches Teil neben der Batterie hätte bei einem Zerlegen des Geräts eigentlich auffallen müssen. Das hieße, dass die Hisbollah keinen einzelnen Pager aus der Lieferung überprüft hat.
Griff nach dem Pager
Der "NYT" zufolge empfingen die Pager um 15.30 Uhr eine Nachricht, die aussah, als käme sie von der Führung der Hisbollah. Die Pager piepten dann mehrere Sekunden lang, bevor sie explodierten. Es gibt übrigens keine Super-Sprengstoffe mit extremer Wirkung. Sprengkraft wird in TNT-Äquivalent berechnet. TNT hat den Faktor 1,0. Schon um das Jahr 1900 wurde mit der industriellen Produktion begonnen. Semtex, ein moderner Plastiksprengstoff, erreicht heute einen TNT-Wert von 1,6. Durch die geringe Menge an Sprengstoff kann keine weitreichende Wirkung erzielt werden. Die Schwere der Verletzungen wird von der Position des Pagers zum Körper bestimmt. Das Piepen war ein raffinierter Zug, das Signal hat dafür gesorgt, dass der Besitzer nach dem Pager greift.
Der Pager AR924 wird unter dem Namen "Gold Apollo" vertrieben. Das Unternehmen aus Taiwan teilte jedoch mit, das Gerät werde von dem ungarischen Partnerunternehmen BAC Consulting KFT "hergestellt und verkauft". Gold Apollo stelle nur den Markennamen, hieß es in einer Erklärung. "Wir erteilen lediglich die Genehmigung für das Markenzeichen und sind weder am Design noch an der Herstellung dieses Produkts beteiligt."
Pager-Technik ist nicht betroffen
Im Falle einer direkten Konfrontation, etwa bei einem Einmarsch Israels in den Libanon, wäre der Ausfall von so vielen Hisbollah-Mitgliedern eine deutliche Beeinträchtigung. Aber da die meisten Opfer nur verletzt, aber nicht getötet wurden, sind die militärischen Auswirkungen der Pager-Explosion langfristig mutmaßlich eher gering. Das Magazin "Foreign Policy" nimmt an, dass der Angriff vor allem dazu gedient habe, das Ansehen des israelischen Geheimdienstes wieder zu verbessern. Nachdem der legendäre Ruf nach der Attacke am 7. Oktober stark gelitten hat. Hätte man länger abgewartet, wäre auch die Gefahr einer Entdeckung gestiegen.
Spekulationen, dass verdeckt arbeitende Terrorgruppen nun in ihrer Kommunikation behindert sind und andere umständliche Kommunikationswege finden müssen, sind überzogen. Die Technik der Pager wurde schließlich nicht angegriffen. Israel ist es gelungen, ein Gerät, das die Hisbollah an ihre Mitglieder verteilte, zuvor mit Sprengstoff zu präparieren. Andere Gruppen werden ihre Pager durchleuchten und bei der Beschaffung und Überprüfung sorgsamer vorgehen.
Quellen: NYT, Foreign Policy