
Auf den Aufruf zur Wahl der AfD von Tech-Milliardär Musk in der "Welt am Sonntag" folgt eine Welle der Empörung: Unionskanzlerkandidat Merz nennt die Ausführungen "übergriffig und anmaßend", SPD-Chefin Esken beschreibt einen Angriff auf die Demokratie - und rügt auch den Springer-Verlag.
Die "Welt am Sonntag" hat mit der Veröffentlichung eines Gastbeitrags von Tech-Milliardär Elon Musk mit einem Wahlaufruf für die AfD scharfe Kritik auf sich gezogen. Als Konsequenz reichte die Meinungschefin der Zeitung ihre Kündigung ein. Der Deutsche Journalisten-Verband sowie Vertreter mehrerer Parteien verurteilten den Beitrag, die Wirtschaftsweise Veronika Grimm mahnte hingegen zu einer offenen Debatte über die AfD und ihre Themen.
CDU-Chef Friedrich Merz nannte den Wahlaufruf von Musk "übergriffig und anmaßend". "Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Geschichte der westlichen Demokratien einen vergleichbaren Fall der Einmischung in den Wahlkampf eines befreundeten Landes gegeben hat", sagte der Kanzlerkandidat der Union den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Stellen wir uns einen kurzen Augenblick die - berechtigte - Reaktion der Amerikaner auf einen vergleichbar einseitigen Beitrag eines namhaften deutschen Unternehmers in der 'New York Times' zugunsten der Wahl eines Außenseiters im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf vor."
Musk müsse zudem "einige Dinge übersehen haben", fuhr Merz fort. So hätte es mit der AfD den Bau seines Werkes in Brandenburg "nie gegeben, denn es war die AfD, aus der der heftigste Widerstand gegen dieses Werk kam". Ein EU-Austritt würde zudem "der deutschen Wirtschaft und den Arbeitsplätzen in unserem Land massiv schaden".
Esken: Musk sieht "Politik als Geschäftsfeld"
Auch die SPD-Vorsitzende Saskia fand deutliche Worte für den Beitrags von Musk in der Zeitung. "Unsere Demokratie ist wehrhaft und sie ist nicht käuflich", sagte sie. "Wer unsere Wahl von außen zu beeinflussen versucht, wer eine antidemokratische, menschenfeindliche Partei wie die AfD unterstützt, sei die Einflussnahme staatlich organisiert aus Russland oder durch die geballte Geld- und Medienmacht von Elon Musk und seinen Milliardärsfreunden im Konzernvorstand von Springer, der muss mit unserem harten Widerstand rechnen", fügte sie hinzu und kritisierte auch den Springer-Verlag. "Die Debatte und die teils harten Reaktionen, die die Veröffentlichung dieses Gastbeitrags auch in den Redaktionen ausgelöst hat, sind ein Hoffnungszeichen für die Widerstandskraft unserer unabhängigen Medien und unserer Demokratie."
Zudem warf Esken dem Besitzer der Plattform X vor, "Politik als Geschäftsfeld" anzusehen. "Er hat 200 Millionen Dollar in den Wahlkampf für Trump investiert und sein Vermögen nach Trumps Wahl um satte 21 Milliarden steigern können", betonte sie. "In der Welt von Elon Musk sind Demokratie und Arbeitnehmerrechte Hindernisse zu mehr Profit. Der Kauf von Twitter war kein wirrer Kaufrausch, sondern eine gezielte strategische Investition", sagte sie.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte dem "Handelsblatt", es sei "beschämend und gefährlich", Musk eine solche offizielle Plattform zu bieten. Es sei außerdem "inakzeptabel, dass ausländische Milliardäre versuchen, unsere politische Landschaft zu beeinflussen und dabei Parteien unterstützen, die unsere demokratischen Werte untergraben". Ähnlich äußerte sich der Grünen-Wahlkampfleiter Andreas Audretsch. Die AfD-Chefin Alice Weidel begrüßte hingegen die Wahlempfehlung von Musk.
Wirtschaftsweise Grimm: Debatte "eigentlich gut"
Der Deutsche Journalisten-Verband protestierte ebenfalls "gegen den Freifahrtschein für Musk", per Gastbeitrag AfD-Wahlwerbung machen zu dürfen. "Als Journalismus verpackte Wahlwerbung für eine rechtsextreme Partei, eine schmeichelnde Distanzierung, die keine ist, und das Kaltstellen der redaktionsinternen Kritiker - unglaublich!", kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. "Deutsche Medien dürfen sich nicht als Sprachrohr von Autokraten und deren Freunden missbrauchen lassen", warnte er.
Die Wirtschaftsweise Grimm sagte der FAZ hingegen, die nun ausgelöste Debatte sei "eigentlich gut, denn es ist essenziell, dass wir jetzt alle politisch werden". Es bringe nichts, die Diskussion über die AfD und ihre Themen zu unterdrücken. "Sie muss geführt werden. Und sie kann auch geführt werden."
Anfang der Woche hatte ein Beitrag von Musk auf X für Schlagzeilen gesorgt, in dem er geschrieben hatte, nur die AfD könne "Deutschland retten." In seinem Gastbeitrag führte Musk nun seine Gedanken dann aus. Angesichts eines angeblich bevorstehenden "wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs" Deutschlands sei die AfD "der letzte Funke Hoffnung für dieses Land", schrieb er. Nur sie könne die deutsche Wirtschaft wiederbeleben oder durch eine "kontrollierte Einwanderungspolitik" einen Identitätsverlust verhindern. Die "Darstellung der AfD als rechtsextrem" sei hingegen "eindeutig falsch".
Meinungschefin kündigt nach Musk-Beitrag
Musks Beitrag war eine Gegenrede des designierten "Welt"-Chefredakteurs Jan Philipp Burgard gegenübergestellt. Darin bezeichnet dieser Musks "Diagnose" bezüglich der wirtschaftlichen und kulturellen Krise des Landes als "korrekt". "Doch sein Therapieansatz, nur die AfD könne Deutschland retten, ist fatal falsch."
So wäre der von der AfD laut Wahlprogramm als nötig erachtete EU-Austritt für die Exportnation Deutschland "eine Katastrophe". Die Partei mit ihrer "Anbiederung an Russland und China und ihrer Ablehnung von Amerika und EU ist keineswegs 'der letzte Funke Hoffnung für dieses Land'". Vielmehr sei sie "eine Gefahr für unsere Werte und unsere Wirtschaft", schrieb Burgard.
Trotz der Gegenrede hagelte es Kritik - zunächst intern. "Heute ist in der 'Welt am Sonntag' ein Text von Elon Musk erschienen. Ich habe gestern nach Andruck meine Kündigung eingereicht", schrieb die Ressortleiterin Meinung von "Welt" und "WamS", Eva Marie Kogel, am Samstag auf X. Medienberichten zufolge gab es zudem weiteren redaktionsinternen Widerstand gegen den Text.