
Morgen will der Kanzler sich vom Bundestag das Misstrauen aussprechen lassen und damit Neuwahlen einleiten. Die Parteien stecken bereits in der Vorbereitung für den Wahlkampf. Erste Programm-Entwürfe mit teuren Versprechen sind schon bekannt geworden.
Versprechen von Entlastungen und Subventionen, mehr Steuern für Reiche oder einem stabilen Rentenniveau: Gut zwei Monate vor der Bundestagswahl zeichnet sich ab, mit welchen Vorhaben die Parteien im Wahlkampf punkten wollen. Am Montag stellt Bundeskanzler Olaf Scholz dem Bundestag die Vertrauensfrage, um eine Neuwahl am 23. Februar herbeizuführen.
Die Union kämpft mit einer Vielzahl von teils teuren Versprechen und einer konservativen Migrationspolitik um Wählerstimmen. In einem Entwurf für das Wahlprogramm heißt es unter anderem, dass sie Stromsteuer und Netzentgelte senken will. Dazu soll der Einkommensteuertarif "spürbar" abgeflacht werden, Sozialversicherungsbeiträge sollen sich "wieder auf die 40 Prozent hinbewegen". Die Pendlerpauschale soll erhöht werden, Überstundenzuschläge sollen für Vollzeitbeschäftigte steuerfrei sein. Die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz soll "deutlich" erhöht werden. Der Soli, der inzwischen nur bei höheren Einkommen anfällt, soll ganz gestrichen werden.
Auch Unternehmen sollen steuerlich sowie durch den Abbau von Bürokratie entlastet werden. Zugleich hält die Union an der Schuldenbremse fest. Wie die Pläne konkret finanziert werden sollen, lässt der Programmentwurf offen. Das 79-seitige Papier liegt unter anderem DPA vor und soll am Dienstag von den Vorständen von CDU und CSU beschlossen werden.
Union will ans Selbstbestimmungsgesetz
Das Bürgergeld in der jetzigen Form soll durch eine "neue Grundsicherung" mit harten Regeln und Sanktionen bei Verstößen ersetzt werden. Entgegen früheren Forderungen will die Union das Renteneintrittsalter nicht erhöhen. Auch Rentenkürzungen schließen CDU/CSU aus. Wer über das Renteneintrittsalter hinaus arbeitet, soll vom Gehalt bis zu 2000 Euro steuerfrei bekommen. Per "Quellenabzug" sollen Steuererklärungen für Rentner im "Regelfall" nicht mehr nötig sein.
In der Asylpolitik schlägt die Union einen harten Ton an, ebenso wie im Kampf gegen Kriminalität. "Wir setzen einen faktischen Aufnahmestopp sofort durch", heißt es. Die Cannabis-Entkriminalisierung der Ampel soll ebenso rückgängig gemacht werden wie das Selbstbestimmungsgesetz. Der Abtreibungsparagraf 218 soll unverändert bleiben.
Die Sozialdemokraten stellen einen wirtschaftlichen Aufschwung und die Bezahlbarkeit des Lebens ins Zentrum ihrer erhofften Aufholjagd. 95 Prozent der Steuerzahler sollen laut Programmentwurf entlastet werden. Hereinkommen soll Geld über eine Vermögensteuer für Menschen mit mehr als 100 Millionen Euro Vermögen und eine veränderte Besteuerung von Erbschaften, Finanztransaktionen und Immobiliengewinn.
Aus einem schuldenfinanzierten 100-Milliarden-Fonds sollen Investitionen angeschoben werden. Generell soll die Schuldenbremse künftig Ausnahmen für Investitionen machen. Außerdem setzt die SPD wieder auf den Mindestlohn: Ab 2026 soll er bei 15 Euro liegen. Die Rente soll stabilisiert, die Mietpreisbremse entfristet werden. Die SPD setzt sich für "rasche wie konsequente Abschiebungen" insbesondere von Straftätern ein, bevorzugt aber eine freiwillige Rückkehr von Migranten ohne Bleiberecht.
Klimageld "so schnell wie möglich"
Kanzler Scholz bekräftigte in Potsdam seine Position zu Waffenlieferungen an die Ukraine. "Es wäre falsch, wenn man sagt: Wir wollen, dass jetzt der Krieg so geführt werden kann, dass die von uns gelieferten Waffen tief in das Hinterland hineingehen", sagte Scholz. "Deshalb erkläre ich hier klar und deutlich: Das werde ich nicht tun."
Die Grünen setzen im Wahlkampf mit der Einführung eines Klimagelds auf die sozialverträgliche Ausgestaltung des Klimaschutzes. "Alle Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen bekommen zum Ausgleich einen Großteil der Einnahmen der CO2-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport als Klimageld zurück", heißt es im Entwurf des Wahlprogramms, der mehreren Medien vorliegt. Das Klimageld solle in der nächsten Legislatur "so schnell wie möglich" kommen.
Die zerbrochene Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte im Koalitionsvertrag 2021 bereits ein Klimageld vereinbart, um Verbraucher zu entlasten. Es gab zu diesem Zeitpunkt aber keine technische Möglichkeit zur Auszahlung an jeden einzelnen Bürger. Zu einer Umsetzung kam es deshalb nicht. Nach früheren Aussagen des ehemaligen Bundesfinanzministers Christian Lindner, dessen damaliges Ministerium dafür eine Lösung finden sollte, soll ab 2025 eine Pro-Kopf-Auszahlung möglich sein.
Auch Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck spricht sich für eine Milliardärssteuer aus. Mit den Erlösen sollten Schulen saniert und zusätzliches Lehrpersonal finanziert werden. Es gebe in Deutschland "nicht so viele, aber einige Milliardäre, also wirklich Superreiche", sagte Habeck der "Bild am Sonntag". "Und wenn man da einen kleinen Anteil ihres Vermögens besteuern würde, dann hätte man ungefähr fünf bis sechs Milliarden Euro", fügte Habeck hinzu.
Neuwahl solll am 23. Februar stattfinden
Einen weiteren Wahlkampf-Schwerpunkt wollen die Grünen auf den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität setzen: Dieser solle massiv verstärkt werden, heißt es im Entwurf des Wahlprogramms der Partei, der den Funke-Zeitungen in Auszügen vorlag. "Kriminelle Gruppen bedrohen Menschen mit Gewalt und verursachen wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe", heißt es darin. Zu den Grünen-Plänen gehört, die Organisierte Kriminalität härter zu bestrafen, indem der Straftatbestand der kriminellen Vereinigung zu einem "scharfen und zielgenauen Instrument" weiterentwickelt werde.
Am Montag wird Scholz unter Berufung auf Artikel 68 des Grundgesetzes die Abgeordneten auffordern, ihm das Vertrauen auszusprechen - um das Gegenteil zu erreichen. Wenn er wie beabsichtigt keine Mehrheit im Bundestag bekommt, wird er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen. Der hat dann 21 Tage Zeit sich zu entscheiden, ob er zustimmt und eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen ansetzt. Steinmeiers Zustimmung gilt als sicher. Er hat auch schon signalisiert, dass er mit dem angestrebten Termin 23. Februar einverstanden ist.