Trotz anhaltender Kritik genehmigt Niedersachsen die geplante Förderung von Erdgas in der Nordsee vor Borkum. Aus Sicht von Aktivisten wird das Projekt jetzt zum Klima-Prüfstein für die Ampel.
Die umstrittene Erdgasförderung vor der Nordseeinsel Borkum wird zu einem Fall für die Bundesregierung. Zwar erteilte das zuständige niedersächsische Landesamt dem niederländischen Energiekonzern One-Dyas eine auf 18 Jahre befristete Genehmigung. Allerdings bedarf es für die Bohrungen, die unter dem Meeresboden in deutsches Gebiet reichen, auch eines Abkommens zwischen Deutschland und den Niederlanden. Außerdem wollen Umweltverbände weiterhin rechtlich gegen das Projekt vorgehen.
Druck bekommt die Bundesregierung unter anderem von Fridays for Future und Greenpeace. Klimaaktivistin Luisa Neubauer sagte, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) müssten nun zeigen, ob sie "auf der Seite eines fossilen Klimaschmutzkonzerns oder auf der Seite der Menschen, Umwelt und Energiewende" stünden.
Habeck will Gerichtsentscheidungen zum Gasprojekt abwarten
Wirtschaftsminister Habeck reagierte zurückhaltend auf die Genehmigung des niedersächsischen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie und sagte, er wolle mögliche Gerichtsentscheidungen abwarten. "Das ist heute keine gerichtsfeste Entscheidung, sie wird sicherlich beklagt werden", sagte der Grünen-Politiker in Berlin. Erst wenn die relevanten Urteile gefallen seien, werde entschieden, ob das Abkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden unterzeichnet werde.
Es gehe um ein vergleichsweise kleines Gasfeld, sagte Habeck. "Es ist weniger als der Jahresbedarf des deutschen Gasverbrauchs, und das wird sich dann ja über Jahrzehnte strecken." Der Effekt auf Energiesicherheit oder Preise sei höchstens minimal. "Und es ist ein sehr, sehr sensibles ökologisches Gebiet", betonte Habeck. Der Nationalpark Wattenmeer sei "eine Perle in dem Naturschutz". Im Falle einer Gasförderung drohe das Unesco-Welterbe aberkannt zu werden.
Das Bundesumweltministerium hatte schon vor der Entscheidung des Landesamts erklärt, man sehe eine "Zementierung von fossilen Infrastrukturen" kritisch und eine mögliche Genehmigung "mit Blick auf den Meeresschutz mit Sorge".
Umweltverbände und Stadt Borkum protestieren
Ein Bündnis um die Deutsche Umwelthilfe kündigte an, alle rechtlichen Mittel gegen das Projekt auszuschöpfen. Die Partner hatten kürzlich vor dem Verwaltungsgericht in Oldenburg schon erreicht, dass ein Kabel zur Stromversorgung der Bohrinsel vorerst nicht verlegt werden darf. Auch die Stadt Borkum will rechtliche Schritte prüfen.
Niedersachsen sieht finale Entscheidung beim Bund
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sagte, die letzte Entscheidung liege beim Bund: "Das sind letztlich auch energie- und geostrategische Entscheidungen, die der Bund hier treffen muss." Der Umweltminister des Landes, Christian Meyer von den Grünen, sagte, aus Sicht des Klimaschutzes seien neue fossile Gas- oder Ölförderungen unnötig.
Das niedersächsische Landesamt hatte erklärt, mit der Genehmigung sei geregelt, dass die Förderung vorzeitig ende, sobald durch die Wärmewende in Deutschland kein Erdgas mehr als Energieträger benötigt wird. "Solange aber in Deutschland noch Erdgas verbraucht wird, gilt: Das aus heimischen Lagerstätten geförderte Erdgas ist erheblich weniger klimaschädlich als das importierte", sagte der Präsident der Behörde, Carsten Mühlenmeier.
Bis zu 13 Milliarden Kubikmeter Gas
Der Konzern One-Dyas will noch in diesem Jahr damit beginnen, vor den Inseln Borkum und Schiermonnikoog Erdgas zu fördern. Dazu soll eine Förderplattform auf niederländischem Gebiet rund 20 Kilometer nordwestlich von Borkum errichtet werden. Geplant sind Bohrungen, die in einer Tiefe von 1,5 bis 3,5 Kilometern schräg ins deutsche Gebiet abgelenkt werden. Die erwartete förderbare Menge Erdgas für das gesamte Vorhaben beläuft sich auf 4,5 bis 13 Milliarden Kubikmeter. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Bundesnetzagentur in Deutschland rund 81 Milliarden Kubikmeter Gas verbraucht.