1 month ago

Elon Musks Pläne: Fährt das autonome Robotaxi Tesla aus der Klemme?



Tesla-Chef Elon Musk will am Donnerstag seine Pläne für ein autonom fahrendes Auto bekanntgeben – es ist aber zweifelhaft, ob das die Strategiekrise beenden kann.

Elon Musk ruft in die Traumfabrik: In den berühmten Filmstudios von Warner Bros. will der Tesla-Chef am Donnerstag seine Pläne für Robotaxis vorstellen. Der Termin ist von großer Bedeutung für Tesla und Musk. Denn das so genannte Cybertaxi kann und muss dem auf unsicheres Gelände geratenen Elektroautobauer den Weg aus der Krise ebnen – wenn es denn bald losfährt. 

Disclaimer Capital

Musk hätte sich keinen passenderen Ort für eine Präsentation aussuchen können als die Hallen Hollywoods. Nicht steht so sehr für Imagination, gigantische Kulissen, Sieg und Niederlage – und genau daran will sich Musk auch messen lassen. Es ist nicht das erste Mal, dass der 53-Jährige eine Robotaxi-Offensive ankündigte: Es war 2016, als er das autonome Fahren als "gelöstes Problem" bezeichnete. Schon im Jahr darauf wollte er der Ankündigung zufolge voll autonome Fahrzeuge in den Markt bringen – und 2024 bereits eine Flotte von 1 Millionen Robotaxis unterhalten. Die Tatsache, dass nichts passierte, muss nicht notwendigerweise bedeuten, dass es auch dieses Mal nur Ankündigungen ohne Substanz sind – denn so selten der Tesla-Chef in der Vergangenheit Versprechungen wahrgemacht hat – manchmals wurde mit einiger Verzögerung dann doch noch was draus.

Druck von der Börse

Fest steht, dass der Termin am 10. Oktober unter großem Druck angesetzt wurde – und mit Blick auf Teslas Performance an der Börse. Denn die Aktie, die über Jahre durch enorme Vertrauensvorschüsse in fantastische Höhen geschickt wurde, ist in diesem Jahr stark unter Druck geraten. Dem vorausgegangen ist eine massive Desillusionierung über das Potenzial von Tesla. Dieser Desillusionierung versucht nun Musk etwas entgegenzusetzen – und sei es eine neue Illusion. Die Desillusionierung folgt gleichzeitig aus heftigen operativen Problemen, von denen Tesla gepeinigt wird und strategischen Unklarheiten, die das Unternehmen aufgehäuft hat. 

Operativ leidet Tesla unter der Nachfrageschwäche bei E-Autos, unter der Konkurrenz, die inzwischen qualitativ mithalten kann, unter der mauen Wirtschaftsentwicklung in China und unter Kostenproblemen. Dazu kommt, dass Tesla sich nicht darum gekümmert hat, sein Modellangebot rechtzeitig zu erneuern und auszubauen. Stattdessen floss viel Geld und Hirnschmalz in das Prestigeprojekt Cybertruck, das keine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung hat und zudem bei weitem nicht das erfüllt, was Musk für das Auto ursprünglich versprochen hatte.

Diese Lage lässt sich an der sinkenden Gewinnmarge ablesen. Längst sind es keine zweistelligen prozentualen Werte mehr, die operativ vom Umsatz hängenbleiben. Solche Werte aber müsste ein Unternehmen mit der Börsenbewertung von Tesla bieten – und ein Autohersteller, der sich selbst als Premium begreift, erst recht. Im ersten Quartal landete Tesla mit 5,5 Prozent weit hinter Toyota, Hyundai, Mercedes, BMW und selbst hinter dem strauchelnden Volkswagen-Konzern. Im zweiten Quartal sah es mit 6,2 Prozent kaum besser aus. Tesla ist auf dem Niveau der ganz normalen kriselnden Autoindustrie angelangt. Doch die wird, selbst nach der Korrektur bei Tesla, an der Börse viel schlechter bewertet. Das Versprechen von Tesla war aber immer, der Logik der angestammten Industrie zu entkommen. Der Anspruch war, wie ein Tech-Unternehmen betrachtet zu werden, wie Google, Apple und Microsoft.

Masse oder Premium?

Die strategische Unsicherheit kommt erschwerend dazu: In welche Richtung will sich Tesla entwickeln? Zu einem Massenautohersteller, der schnell, wie von Tesla versprochen 20 Millionen Autos pro Jahr verkauft, also so viele, wie die beiden globalen Branchenführer Toyota und Volkswagen zusammen? Musk hat noch Anfang des Jahres versprochen, 2025 das Model 2 auf den Markt zu bringen, also ein bezahlbares, kompaktes Auto, das den Ausstoß deutlich erhöht hätte. Dieser Plan wurde längst stillschweigend kassiert, vielleicht auch, weil ein Kompakt- oder Kleinwagen nur schwerlich die nötige Margenverbesserung bringen könnte. Eine andere strategische Option hätte sein könnten, wieder als Kostenchampion der Branche aufzutrumpfen. Auch hier hat Musk große Ankündigungen gemacht: Ein völlig neues Produktionssystem, das schneller, produktiver, effizienter ist. Auch da folgte der Ankündigung Schweigen.

Roboter China 16:51

Stattdessen entschied sich Musk, bei den Robotaxis vorzupreschen. Auch wenn er die ursprünglich schon für August geplante Veranstaltung später ohne Angabe von Gründen auf Oktober verschob. Die Pläne mit autonom fahrenden Fahrdienst-Autos sollen nun wieder Fantasie in die Tesla-Aktie bringen. Ob es gelinge, ein vollautonomes Auto zu entwickeln werde darüber entscheiden, "ob Tesla viel Geld wert ist oder praktisch null", sagte Musk selbst.

Das mit der Fantasie hat zumindest vorerst funktioniert. Seit der Ankündigung des Cybertaxi-Events hat sich die Aktie zumindest von ihren Tiefstständen wiederholt, auf die sie nach den desillusionierenden Quartalszahlen gestürzt war. 

Zweifel an Teslas Technik

Aber ob autonome Fahrdienste Tesla auf Dauer aus dem Tief steuern können? Die Frage ist, ob Tesla die Technik und die Fähigkeiten hat, sich mit einem solchen Taxi-Fahrdienst durchzusetzen. Dabei sind die Erwartungen an den Markt für selbstfahrende Taxidienste schon riesig. Die Großbank UBS zum Beispiel prognostiziert einen Umfang von 238 Milliarden Dollar schon im Jahr 2030. Allerdings sind potente Unternehmen darin auch schon weit vorangekommen. Die Alphabet/Google-Tochter Waymo bietet im Raum San Francisco schon seit geraumer Zeit Fahrten mit selbstfahrenden Autos an. Ebenso Toyota und die Partnerfirma May. 

An den Fähigkeiten von Tesla gibt es hingegen Zweifel. Das liegt an der Vergangenheit und an der Technik. Denn auch die bisherigen Tesla-Fahrzeuge sollten, wenn man Musk glaubt, die Technik an Bord haben, um voll autonom zu fahren. Diese müsse später nur freigeschaltet werden, wenn die entsprechenden regulatorischen Hürden ausgeräumt sind, sagte er immer wieder. Dass er nun ein neues Fahrzeug fürs autonome Fahren plant, ist indirekt ein Eingeständnis, dass die Behauptungen der Vergangenheit falsch waren. Tesla verkauft zwar ein Feature, das sich "Full Self Driving" nennt, aber das trägt den Namen zu Unrecht – es erfordert ständige Aufmerksamkeit der Fahrerin oder des Fahrers. Auch gab es viele Pannen und Unfälle mit Teslas Autopiloten-System.

Dazu kommt, dass Tesla darauf beharrt, dass die Autos des Konzerns zum Selbstfahren nur Kameras bräuchten – und keine weiteren Sensoren wie Lidar oder Radar. Es wird in der Branche weithin heftig bezweifelt, dass das funktioniert. Es scheint auch hauptsächlich eine Kostenfrage für Tesla zu sein. Denn zum Beispiel die Lidar-Technik, eine optische Abstands- und Geschwindigkeitsmessung, ist teuer.

Tesla in Teilzeit

Schließlich müsste sich, wenn Musk es mit dem Cybertaxi ernst meint, sein ganzer Konzern neu erfinden. Er müsste zum Dienstleister werden. Das Verkaufen von Autos an Endkunden wäre, wenn man Musk ernst nimmt, in Zukunft nur noch ein Randgeschäft. Stattdessen müsste Tesla so etwas werden wie Uber. Ob das Unternehmen, das schon mit seinem Stammgeschäft unter großem Stress steht, dazu in der Lage ist, ist zweifelhaft.

Zumal der Boss sich auch nur noch in Teilzeit um Tesla kümmern kann. Zurzeit kämpft er im ganzen Land für Donald Trump im US-Präsidentschaftswahlkampf. Von dem könnte sich Musk immerhin, falls Trump gewinnt, Hilfe bei seinen Cybercab-Plänen erhoffen. Denn wie schnell sich fahrerlose Fahrdienste ausbreiten, wird auch von Regulierungsentscheidungen abhängen. Trump, so die Hoffnung, könnte für laxe Sicherheitsregeln sorgen, sodass die Cybergefährte seines neuen Freundes schneller losdüsen können. 

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